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Landeshauptstadt: Der Pionier des fairen Handels

Der Potsdamer Aktionsladen „Eine Welt“ ist der älteste Laden für fair gehandelte Produkte in Ostdeutschland. Nun feiert er sein 25. Jubiläum

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Innenstadt - Spenden sammeln für Afrika – das macht der Aktionsladen „Eine Welt“ in der Gutenbergstraße 77 nicht nur zu Weihnachten, sondern das ganze Jahr über. Egal ob fair gehandelter Kaffee, Schokolade, Honig, Kleidung, afrikanische Instrumente oder Fußbälle – alle Einnahmen des komplett ehrenamtlich betriebenen Ladens gehen an eine gute Sache. Jetzt feiert der Aktionsladen für fair gehandelte Waren und Öko-Produkte aus Entwicklungsländern sein 25-jähriges Jubiläum.

Damit ist „Eine Welt“ der älteste Aktionsladen dieser Art in Ostdeutschland – und der zweite, der überhaupt in der DDR eröffnet wurde: „Mein Bruder war damals Mitglied des entwicklungspolitischen Netzwerks Inkota“, erinnert sich Hildegard Rugenstein, Pastorin der französisch-reformierten Gemeinde in Potsdam. „Über ihn bekam ich mit, dass Inkota in Thüringen Secondhandwaren für gemeinnützige Projekte verkaufte – das fand ich super.“

So gründete Rugenstein zusammen mit anderen Mitgliedern der Gemeinde mitten in den Wirren der Wendezeit den Aktionsladen in den Räumen der französisch-reformierten Gemeinde: „Das war direkt nach der Grenzöffnung, als der Konsumrausch losging. Wir waren der Meinung: Wenn die Grenze schon offen ist, dann bitte überall nach Waren schauen und nicht nur in Westberlin.“

Rugenstein und ihre Mitstreiter waren damals in der DDR-Oppositionsbewegung und im Neuen Forum aktiv und strebten eigentlich den sogenannten „Dritten Weg“ zur grundlegenden Reformierung der DDR an. Diese Pläne waren mit der Wiedervereinigung passé – das dazugehörige Engagement für eine bessere Welt jedoch nicht. Also steckte die Gruppe ihre Energie vollständig in den Aktionsladen.

Dabei lag die Betonung auf „Aktion“, denn der Laden sollte ursprünglich nur eine einmalige Initiative sein. Doch der Erfolg war überwältigend: „An drei Samstagen hatten wir mit Secondhandsachen über 15 000 DDR-Mark eingenommen“, sagt Rugenstein. Da die französisch-reformierte Gemeinde selbst von Flüchtlingen gegründet worden war, beschlossen die Ehrenamtler, den Erlös für Wolldecken für mosambikanische Flüchtlinge auszugeben.

Schnell war klar: Der Aktionsladen soll weiter bestehen. Die Gemeinde stellte der Initiative großzügig einen ihrer Räume, in dem zuvor noch Gottesdienste stattfanden, mietfrei zur Verfügung – bis heute. Richtig los mit den fair gehandelten Waren ging es aber erst nach der Währungsunion im Sommer 1990.

Das Projekt, das der Aktionsladen seitdem am längsten unterstützt, ist der Itamba e.V., welcher Kindern und Jugendlichen in Tansania eine Schul- und Berufsausbildung ermöglicht. Das Projekt läuft bereits seit fast 20 Jahren und hat sich als sehr erfolgreich erwiesen: „Ein Junge, der damals durch Itamba in die Schule gehen konnte, hat danach studiert, ist jetzt selbst Professor und hat eine Nachfolgeorganisation gegründet“, sagt Rugenstein.

Ab 2003 verkaufte der Aktionsladen als einer der ersten Anbieter in Potsdam fair gehandelte Bananen. Rugenstein hatte zuvor in Panama und Costa Rica Bananen-Plantagen von Chiquita besucht und war über die menschenunwürdigen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen dort entsetzt: „Seitdem habe ich nie wieder eine konventionell angebaute Banane gegessen.“ Da die Lagerung der Früchte jedoch problematisch war und die Verkaufszahlen relativ gering blieben, nahm der Laden die Bananen wieder aus dem Sortiment, als auch große Supermärkte in Potsdam anfingen, fair gehandelte Bananen zu verkaufen.

Neben vielen anderen Projekten, die „Eine Welt“ unterstützt, hat der Aktionsladen auch einen Bildungsverein gegründet und bietet schon seit Langem Filme und Lesungen über fairen Handel an. Häufig besuchen Schulklassen oder Studenten den Laden, Studenten stellen auch den Großteil der derzeit rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeiter. Die Öffnungszeiten richten sich nach den Ehrenamtlern, was in der Vergangenheit hin und wieder zu Verschiebungen oder kürzeren Öffnungszeiten geführt hat. In den vergangenen zehn Jahren hatte der Aktionsladen jedoch so viel Zulauf von Freiwilligen, dass die Zeiten seitdem stabil sind.

Hildegard Rugenstein, die heute noch gelegentlich im Laden mit aushilft, ist zufrieden mit der Entwicklung, die „Eine Welt“ in den letzten 25 Jahren gemacht hat. Besonders freut sie, dass fair gehandelte Waren und Bio-Produkte mittlerweile auch in vielen großen Supermarkt-Ketten angeboten werden, wenn auch noch in sehr kleinem Umfang. „Am besten wäre es natürlich, wenn man einen Laden wie diesen gar nicht bräuchte“, sagt sie. Dabei ist der Aktionsladen längst mehr als nur eine Verkaufsstelle: Es gebe viele Stammkunden, die einfach gerne vorbeikommen, Tee trinken und sich unterhalten, so Rugenstein: „Es ist ein Ort, an dem man ständig Alternativen denken und ausprobieren kann.“

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