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Brandenburgs neuer Landtag: Der Runterzug

Seit gestern zieht der Landtag vom Brauhausberg an den Alten Markt. 6000 Kisten müssen verladen und in das Landtagsschloss gebracht werden. Nur vier Tage sind dafür Zeit – eine logistische Meisterleistung

Von Katharina Wiechers

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Templiner Vorstadt - Hans-Peter Saal klickt sich durch seine Excel-Tabellen. In einem schon leer geräumten Büro im alten Landtag auf dem Brauhausberg hat er seinen Laptop aufgebaut und zitiert aus seinen Listen: CDU 79 Kubikmeter, Linke 78,5, FDP 40, SPD 83 und Grüne 45. Der 59-jährige Logistiker ist für den Umzug des Landtags vom Brauhausberg an den Alten Markt zuständig – kubikmeterweise schleppen seine Mitarbeiter seit gestern früh Kisten aus den Büros. 6000 Kartons werden es bis zum Sonntag sein, gefüllt mit Dokumenten, Büchern, Bildern und Kaffeetassen.

Während im „Kreml“ noch hastig gepackt wird, fangen Hans-Peter Saals Mitarbeiter schon mit dem Ausräumen der Bibliothek an. Bislang ist sie in einem eher schäbigen DDR-Bau im Hinterhof des Landtagsgeländes untergebracht, das neue Domizil liegt direkt unter dem Dach des Landtagsschlosses. Reihe für Reihe packen Saals Mitarbeiter die Bücher, Zeitschriften und Zeitungen in Kisten und beschriften sie nach einem bestimmten System, das Saal am Vortag mit der Bibliothekschefin Dorothee Wolf ausgetüftelt hat. Jeder Themenbereich hat eine bestimmte Nummer, die wird als Erstes auf die Kiste geschrieben; dann wird durchnummeriert. Wie viele Bücher in eine Kiste kommen, liegt im Ermessen der Arbeiter. „Wenn das so große Klopper sind, tun wir natürlich weniger rein“, sagt einer von ihnen. „Muss man ja noch tragen können.“ Er ist schon bei der 47 angelangt, sein Kollege hievt den Karton auf die Plattform des Aufzugs, der vom Fenster auf den Boden führt. Unten stehen zwei weitere Männer und bringen sie zum Lastwagen. Vier Laster sind im Einsatz und fahren permanent zwischen altem und neuem Landtag hin und her.

Während in der Bibliothek die Umzugsmänner die Kisten selbst packen, mussten die Abgeordneten und Mitarbeiter dies selbst erledigen. Schließlich können nur sie entscheiden, was mit muss und was entsorgt werden kann. „Ich habe gerade den Haushaltsentwurf aus der zweiten Legislaturperiode weggeworfen“, sagt eine Fraktionsmitarbeiterin auf dem Gang und hat ein bisschen Wehmut im Blick. „Historiker hätten da ihre wahre Freude dran.“ Wichtige Dokumente werden natürlich aufgehoben und mitgenommen, für vertrauliche Papiere gibt es sogar spezielle Kisten, die verplombt werden können.

Von den Fraktionen ist als erste die der CDU an der Reihe. Die 79 Kubikmeter Material, von denen Hans-Peter Saal gesprochen hat, haben die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter in fast 500 Kartons gepackt. Einige kleben noch die letzten Aufkleber auf jene Dinge, die sie behalten wollen. Ein pinker Sticker klebt auf dem Mülleimer, ein Beistelltischchen soll auch noch mit. Und ein Playmobilset „Flughafen“. „Das wollten wir eigentlich mal dem Ministerpräsidenten schenken. Aber er wollte nicht“, sagt Fraktionsmitarbeiter Florian Gasser grinsend.

Im zweiten Stock ist der Gang leer, doch von einem der Fenster tönt ein lautes Rumpeln. Ein Blick hinaus offenbart den Grund für den Krach: Entlang der Hausmauer hängen mehrere dicke Plastikrohre, an jedem Stockwerk eines. Sie enden in einem riesigen Altpapier-Container im Hof. Fast im Sekundentakt rauschen Papierstapel hindurch – in einem der oberen Stockwerke nimmt jemand das Ausmisten offenbar besonders ernst. Ganz perfekt ist das System allerdings nicht: Zahlreiche Blätter landen nicht im Container, sondern flattern daneben auf dem Asphalt.

Bibliotheksleiterin Dorothee Wolf ist mittlerweile in ihrem neuen Domizil im Landtagsschloss angekommen, dort werden die Kisten schon wieder ausgepackt. Weil sie sich die Bibliothek künftig mit dem Landesrechnungshof teilt, musste sie vor dem Umzug aussortieren – zum Beispiel veraltete Gesetzestexte wurden ausgemistet. Das Packsystem, das sie mit Logistiker Saal ausgearbeitet hat, funktioniert: Tatsächlich landen die Bücher in den vorgesehenen Regalen. Es funktioniert sogar so gut, dass Dorothee Wolf noch einmal hoch zum alten Landtag fährt, um zu sehen, wie es dort läuft.

Doch wie alle anderen muss sie um drei Uhr nachmittags ihren Schlüssel abgeben – an den Pforten liegen schon zwei große Haufen. Allerdings hat keiner daran gedacht, die Schlüssel mit Anhängern zu kennzeichnen. Wenn der Brandenburgische Liegenschaftsbetrieb BLB den „Kreml“ am 1. Januar übernimmt, geht also erst mal die große Suche nach den passenden Schlössern los. (mit mimü)

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