Links und rechts der Langen Brücke: Der Schatten im Norden
Peer Straube sorgt sich nach dem Brandanschlag um den sozialen Frieden in Groß Glienicke
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Griechenlands Krise hat es bis nach Groß Glienicke geschafft. Zweifellos war der Brandanschlag auf das Auto des Chefs der „Task Force Griechenland“, Horst Reichenbach, die schrecklichste Nachricht der Woche, jedenfalls aus Potsdamer Sicht. Doch allein die Tatsache, dass Reichenbach zufällig in Groß Glienicke wohnt, reichte aus, um den Verdacht zunächst in eine ganz andere Richtung zu lenken. Nicht nur im Ortsteil selbst war vermutet worden, der Anschlag könnte Reichenbachs Frau, der SPD-Europapolitikerin Dagmar Roth-Behrendt, gegolten haben. Bekanntlich war Roth-Behrendt vor nicht allzu langer Zeit in den Uferwegstreit am Groß Glienicker See verwickelt. Vor gut zwei Jahren hatte sie ihr Grundstück teilweise einzäunen lassen – während ihre Parteifreunde im Potsdamer Rathaus zeitgleich mit Anrainern verhandelte, die einen Teil des Uferwegs bereits gesperrt hielten.
Der nahezu reflexartige Verdacht, der verabscheuungswürdige Brandanschlag könne aus dem Uferwegstreit motiviert sein, offenbart indes, wie sehr der Dauerzwist die Anwohner in Groß Glienicke spaltet. Es muss nachdenklich stimmen, dass der nicht einmal 3200 Seelen zählende Ortsteil so tief zerstritten ist. Dabei liegen die Wurzeln weit in der Vergangenheit. Zu DDR-Zeiten vor allem ein Mekka für SED-Kader, hat sich in Groß Glienicke seit der Wende ein enormer Bevölkerungsaustausch vollzogen. Gutverdienende aus den alten Bundesländern verliebten sich in das berlinnahe Idyll mit Seelage und zogen scharenweise dorthin. Das kann und darf ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Doch hat der damit einhergehende Verdrängungseffekt Schattenseiten hervorgebracht, die zu überwinden es wohl noch viel Zeit brauchen wird. Sozialneid ist sicher eine davon.
Eine Patentlösung zur Entschärfung der Lage gibt es nicht. Solange die Enteignungsverfahren für das Seeufer laufen, wird ohnehin kaum Ruhe einkehren. Für entspannte, gar freundschaftliche Nachbarschaft müssen beide Seiten – Alt- und Neu-Groß Glienicker – aufeinander zugehen, die Kriegsbeile begraben. Denn auf Dauer nimmt sonst das Image Schaden: Wer möchte schon in einem Ort leben, dessen Name in Verbindung mit dem Wort „Streit“ beim Googeln die meisten Treffer erzielt? Der Anschlag mag Warnung sein: Zu solchen Eskalationen der Gewalt darf ein Streit niemals führen.
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