Landeshauptstadt: Der Spezialist für LiteraturfilmeRegisseur Volker Schlöndorff wird 75
Mit der Verfilmung der „Blechtrommel“ von Günter Grass hat Volker Schlöndorff Filmgeschichte geschrieben. 1980 erhielt er für die Kinoversion des Jahrhundertromans den ersten Oscar für einen deutschen Spielfilm seit Kriegsende – nach den Schrecken der Nazi-Herrschaft war Deutschland wieder in die internationale Kinogemeinschaft aufgenommen.
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Mit der Verfilmung der „Blechtrommel“ von Günter Grass hat Volker Schlöndorff Filmgeschichte geschrieben. 1980 erhielt er für die Kinoversion des Jahrhundertromans den ersten Oscar für einen deutschen Spielfilm seit Kriegsende – nach den Schrecken der Nazi-Herrschaft war Deutschland wieder in die internationale Kinogemeinschaft aufgenommen. Am kommenden Montag wird der Regisseur und Wahlpotsdamer 75 Jahre alt.
In Europa hatte Schlöndorff schon 1966 in Cannes mit der Robert-Musil-Verfilmung „Der junge Törless“ ein vielbeachtetes Debüt geliefert. Der Terrorismus-Film „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach der gleichnamigen Erzählung seines Freundes Heinrich Böll brachte ihm 1975 auch an den Kinokassen Erfolg. Seither gehörte er mit Werner Herzog und Wim Wenders zu den Aushängeschildern des Neuen Deutschen Films und profilierte sich als Spezialist für anspruchsvolle Literaturverfilmungen.
Lebensthema des gebürtigen Hessen ist die jüngste deutsche Geschichte. „Ich habe viele, viele Filme über den Nationalsozialismus gemacht, immer auf der Suche nach der Frage: Wie war das möglich?“, sagte er am Rande der Berlinale. „Ich habe die Nachkriegszeit ja noch gut in Erinnerung – die Verbohrtheit der Leute, dieses Gefühl des Rechtshabens und null Schuldbewusstsein. Das hat mich geprägt.“
1939 in Wiesbaden als Sohn eines Arztes geboren, verlor Schlöndorff schon mit fünf seine Mutter bei einem Küchenbrand. Mit 16 geht er zu einem Schüleraustausch nach Frankreich – aus zwei Monaten werden zehn Jahre. Er beendet in Paris die Schule, studiert Politikwissenschaft und geht als Regieassistent von Louis Malle, Alain Resnais und Jean-Pierre Melville bei den Vertretern der Nouvelle Vague in die Lehre.
Der beispiellose Erfolg mit der „Blechtrommel“ ermöglicht ihm später auch eine Karriere in Hollywood. In den USA entstehen Filme wie „Tod eines Handlungsreisenden“ (1984) mit Dustin Hoffman. Mit Max Frischs „Homo Faber“ meldet sich der Filmemacher 1991 in Deutschland zurück. Kritiker nennen ihn auch schon mal einen „redlichen Handwerker“ oder einen „Regisseur ohne Stil“.
In seinen Memoiren „Licht, Schatten und Bewegung“ gab Schlöndorff 2008 einen Einblick in den „Abenteuerspielplatz“ seines Lebens. 20 Jahre lang war er mit der Schauspielerin und Filmemacherin Margarethe von Trotta verheiratet. 1992 schloss er eine zweite Ehe mit der Filmcutterin Angelika Gruber, mit der er noch spät eine Tochter bekam.
Auch Niederlagen sind in dem Buch nicht ausgespart. So wurde 1996 das ambitionierte deutsch-französische Kinodrama „Der Unhold“ mit John Malkovich zu einem seiner größten Flops.
Sein Engagement als Manager des vom Ruin bedrohten Filmstudios Babelsberg in den 90er-Jahren kann er dagegen im Nachhinein als Erfolg verbuchen. Inzwischen arbeiten selbst Hollywoodstars wie George Clooney und Quentin Tarantino dort. „Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Ohne meinen Einsatz von damals gäb’s das Studio gar nicht mehr“, sagt er.
An Ruhestand mag Schlöndorff, der gern auch Opern und Theaterstücke inszeniert, nicht denken. Er sucht nach immer neuen Herausforderungen. Im Sommer kommt sein Psychodrama „Diplomatie“ um die drohende Zerstörung von Paris durch die Nazis in die Kinos. Zwei weitere Projekte laufen bereits. „Ich fühle mich noch nicht alt“, sagt er. „Der Ruhestand kommt schon von selbst, wenn er kommen muss.“ Nada Weigelt
Nada Weigelt
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