zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Der steinige Weg

Die Kleinstadt Belzig zog mit dem Thermalbad das große Los. Doch den Schritt zum Kurort wagte sie nicht

Stand:

Fast hätten der Bürgermeister und sein Kurdirektor den großen Coup mit Belzig geschafft. Der noch vor zehn Jahren als graue Maus im wenig aufregenden Einheitsgrau brandenburgischer Kleinstädte abgetauchte Flecken im Hohen Fläming sollte einen entscheidenden Zusatz erhalten. Auf allen Landkarten, Briefbögen und Tourismusbroschüren sahen die beiden Männer schon ein aufwertendes Prädikat: „Bad Belzig“.

Das wäre die Krönung einer Erfolgsgeschichte gewesen, die mit der Eröffnung der großen Steintherme im Jahre 2002 begann. Doch wie so oft in märkischen Gefilden stellten sich Verwaltung und Kommunalparlament selbst ein Bein. Der Bürgermeister fiel wegen einer schweren Krankheit aus, seine Vertreter gingen die euphorischen Pläne nicht mit voller Kraft an. Einwohner und Gewerbetreibende vermissten ausreichende Informationen und zeigten Widerstand. Obendrein wurde der Kurdirektor entlassen. Seine Visionen von einer lebendigen Kurstadt fielen dem Kleingeist zum Opfer, auch wenn das Kündigungsschreiben formale Gründe für die Trennung nennt.

Auf die Beliebtheit der Steintherme gerade bei Besuchern aus Potsdam und Umgebung sowie aus den südlichen und südwestlichen Berliner Bezirken haben sich die Querelen noch nicht ausgewirkt. Die Gäste schätzen die fast schon familiäre Atmosphäre unterm Hallendach, den Licht-Klang-Raum mit seiner fast tragenden Sole und wechselnden Hörgenüssen, die Qualität der Saunen und das Angebot an Massagen und Packungen. Allein die Konkurrenz unter den Thermen, Bädern und Wellnesshotels in der Region garantiert kenntnisreiches Personal: beste Masseure, Saunameister, Physiotherapeuten. Immerhin buhlen in der Region unter anderem die Fläming-Therme in Luckenwalde, die Saunatherme in Ludwigsfelde, das Resort Schwielowsee und mehr um Gäste.

Die größte Gefahr für die Steintherme sah der entlassene Kurdirektor Jens Hackbarth im – seiner Meinung nach überdimensionierten – Potsdamer Spaßbad auf dem Brauhausberg am Hauptbahnhof. Mit Steuermitteln in Millionenhöhe und im Widerspruch zum Brandenburger Bäderplan würden hier alle Grenzen gesprengt. „Das wird uns Besucher kosten“, sagte Hackbarth. Es sei dann schwer, die derzeitigen Besucherzahlen zu halten und diese sogar, wie dringend geboten, noch zu erhöhen. Deshalb kämpften er und der Bürgermeister um ein attraktives Kurbad.

Die Sorge um ein riesiges Spaß- und Erlebnisbad in der nahen Landeshauptstadt ist den Belzigern vorerst genommen. Denn förmlich in letzter Minute stoppte Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns die Landesmittel von rund 30 Millionen Euro für den vom brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer vorgelegten Entwurf. Nun wird weiter über billigere Varianten diskutiert. Diese Zeit könnte Belzig nutzen, um aus der schönen Steintherme noch mehr Kapital zu schlagen. Zu den dringendsten Aufgaben könnten die Wiederaufnahme des am Jahresende gestoppten Bus-Shuttles zwischen Bahnhof und dem Bad sowie die Reparatur des schon länger gesperrten Außenbeckens gehören.

Solche Nachteile fallen in Belzig ganz besonders auf, weil das aus einer eigenen 775 Meter tiefen Thermalquelle gespeiste Bad ansonsten einen überwiegend positiven Eindruck sowohl auf Familien als auch auf individuelle Gäste hinterlässt. Im Wellnessbereich macht es seinem Namen „Steintherme“ gleich mehrfach Ehre. Der geht auf einen besonderen Reichtum des Flämings zurück. Vor mehr als 100 000 Jahren schoben Gletscher aus Skandinavien während der Eiszeit große Findlinge in die spätere märkische Streusandbüchse. Die Architekten erinnerten sich bei ihrem Entwurf daran.

Die Masseure im Bad bieten zwar wohltuende Behandlungen mit Steinen an, aber auf Granit oder Gneis, woraus die meisten Findlinge des Flämings bestehen, verzichten sie gerne. Sie greifen eher zu Bernstein und Basaltsteinen. Damit lösen sie Verspannungen, aktivieren Energiezonen und stärken das Gleichgewicht. Beide Techniken mit der Kraft der Steine sind schon mehrere Jahrhunderte alt und haben dennoch nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Bernstein entfaltet seine heilende Wirkung besonders im Leber-, Magen- und Gallenbereich. Selbst bei Asthma, Brustschmerzen, Herzschwäche und Hautkrankheiten soll er eine Linderung bringen. Die gelbe und klare Farbe des Bernsteins löst Verspannungen und Verhärtungen.

Die Belziger Therme bringt sogar Steine zum Klingen, noch dazu unter Wasser. Jeden Sonntag läuft im Licht-Klang-Raum ein unterschiedliches musikalisches Programm. Während die Badenden auf der Oberfläche des Sole-Wassers schweben, durchdringen inspirierende und beruhigende Töne das in vielen Farben schimmernde Wasser: mal Musik, mal Worte, das ganze Programm zwischen 19 und 22 Uhr. Das Repertoire reicht von Klassikern der Pop- und Rockgeschichte über Wellengeräusche bis hin zu klassischen Werken.

Der Licht-Klang-Raum ist für Gäste zusammen mit der Badewelt auch während der allmonatlich stattfindenden Mitternachtssauna freitags zwischen 23 und zwei Uhr offen. Eine starre Regel bei den Terminen gibt es nicht. Die Belziger orientieren sich für die mit aromatischen Düften und Snacks begleitete Veranstaltung nach dem Vollmond: Das nächste Mal ist es am 30. März wieder so weit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })