HFF-Film "Lamento": „Der Tod ist ein spannendes Thema“
First-Steps-Preisträger Jöns Jönsson von der Potsdamer Filmhochschule HFF über seinen Abschlussfilm „Lamento“, den schwierigen Weg der Trauer, Ingmar Bergman und den schwedischen Schnee
Stand:
Herr Jönsson, in Ihrem Film „Lamento“ muss eine Mutter mit dem Selbstmord ihrer Tochter klarkommen. Warum haben Sie einen Film über ein so trauriges Thema gemacht?
Ich finde, dass der Tod ein sehr spannendes Thema ist. Mich interessiert, welche Rolle der Tod im Leben spielt. Ich wollte von dem Umgang mit Trauer erzählen: Eine Mutter, die glaubt, mit dem Tod ihrer Tochter zurechtzukommen – das ist aber vielleicht gar nicht so. Es geht in dem Film vor allem darum, einen Weg zur Trauer zu finden.
Jöns Jönsson (31), studiert seit 2006 an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg Regie. „Lamento“, eine Koproduktion von HFF und BuntFilm, ist sein Diplomfilm
Wie findet die Mutter diesen Weg?
Was bei der Mutter sehr viel auslöst, ist der Besuch des Ex-Freundes der Tochter bei ihr. Mehr möchte ich aber nicht verraten. Der Film war bislang noch nicht zu sehen. Daher möchte ich die Spannung der Geschichte nicht schon vorher auflösen.
Hat sich nach der Preisverleihung ein Verleih bei Ihnen gemeldet?
Es gab tatsächlich einige, die Interesse gezeigt haben. Das hat mich sehr gefreut. Dazu gibt es aber noch keine Entscheidungen. Ich hoffe aber doch sehr, dass das Publikum nicht mehr lange auf den Film warten muss.
Sie stammen aus Schweden. Das Thema Ihres Films hat mich sofort an den großen schwedischen Regisseur Ingmar Bergmann erinnert. Ein Vorbild von Ihnen?
Nicht direkt. Bergmann hat ein paar sehr interessante Filme gemacht. Es gibt den Film „Licht im Winter“ von 1962, der hat mich sehr beeindruckt. Es ist kein direktes Vorbild für meinen Film, aber das Thema des Films ist „Lamento“ recht nahe. Das hat mich beeinflusst. Auch die Jury hat meinen Film mit Bergman verglichen. Das freut mich natürlich zu hören. Wobei ich mich aber frage, ob man diesen Vergleich machen würde, wenn ich nicht aus Schweden käme.
Warum haben Sie den Film in Schweden gedreht?
Ich wollte den Film in meiner Heimat machen. Ich habe immer noch das Gefühl, die Menschen dort besser zu kennen als in Deutschland. Ich habe auch das Gefühl, dass ich noch keinen Überblick über Deutschland gewonnen habe. Ich lebe in Berlin, bin viel mit anderen Filmemachern zusammen, da ist es etwas schwierig, über den Tellerrand zu schauen. Zum Beispiel habe ich kaum Kontakt zu Menschen über 40. Die Mutter in „Lamento“ ist aber in diesem Alter. Ich konnte ihren Charakter besser in Schweden ansiedeln. Dort bin ich aufgewachsen, dadurch habe ich dort sehr viel von Land und Leuten mitbekommen. Die Geschichte ist in Schweden am besten aufgehoben. Wegen der Mentalität der Menschen.
Die Jury hat an „Lamento“ die erzählerische Reife gelobt. Sie schaffe Intensität aus Einfachheit. Was ist für Sie das Besondere an dem Film?
Der Film ist gleichzeitig komplex und einfach. Das scheint mir gelungen. Der Film hat eine Konzentration, er erzählt ein komplexes Thema gradlinig und einfach. Was mir wichtig war: Der Zuschauer muss auch ein wenig mitdenken. Eine gewisse konfrontative Haltung dem Publikum gegenüber halte ich im Kino für notwendig.
Hat es Sie überrascht, einen Preis beim First-Steps-Award zu erhalten?
Ja, sehr. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Was werden Sie mit den 25 000 Euro Preisgeld machen?
Das weiß ich noch nicht.
Haben Sie schon ein neues Filmprojekt?
Ich habe bereits eine vage Idee. Aber noch nicht mehr. Das Thema wird auf jeden Fall etwas ganz anders sein als in „Lamento“.
Vielleicht wird das dann der erste Film sein, den Sie in Deutschland drehen?
Auch das ist noch offen. Ich hätte große Lust, hier zu drehen. Kurzfilme habe ich in Deutschland während des Studiums schon gemacht.
Was nehmen Sie aus dem Studium an der Potsdamer Filmhochschule mit?
Vor meinem Studium hatte ich selbst kleine Filme realisiert. An der HFF habe ich gelernt, mit einem ganzen Filmteam zu arbeiten. Es gab sehr viele Kontakte an der Hochschule, aus denen sich dann Gruppen entwickelt haben, die in der Folge Projekte miteinander verwirklicht haben. Man findet sich, weil man beispielsweise ähnliche Erzählweisen bevorzugt. Dann beeinflusst man sich gegenseitig – und so entsteht eine gemeinsame Arbeitsweise.
Hatten Sie genug Freiräume im Studium?
Ich habe mich sehr frei gefühlt. Es gab genug Raum zum Experimentieren. Die Ausbildung ist ziemlich praktisch angelegt, das habe ich geschätzt. Was ich aber etwas vermisst habe, ist die theoretische Seite. Filme tiefer zu analysieren und somit zu verstehen, und über das Kino zu sprechen ist auch eine Übungssache. Und das wird meiner Meinung nach an der HFF viel zu wenig gemacht.
Wie sind Sie aus Schweden nach Potsdam gekommen?
Das hatte eigentlich gar nichts mit Film zu tun. Ich war damals arbeitslos, wusste nicht, was ich als Nächstes machen würde. Ein Freund hat mich gefragt, ob ich mit nach Berlin komme, um einen Deutschkurs zu machen. Der Freund ist dann ein Jahr später wieder nach Schweden zurückgekehrt, weil er den schwedischen Schnee vermisst hat. Ich habe den nicht vermisst. Also bin ich erst einmal geblieben. Wieder ohne zu wissen, was als Nächstes kommen wird. Nachdem ich mit Freunden einen kleinen Film gemacht hatte, habe ich mich an der HFF beworben. Und das hat dann auf Anhieb geklappt.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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