Landeshauptstadt: Der Wind kommt immer von vorn
60 000 Gäste besuchen die Historische Mühle jedes Jahr, zehn Tonnen Getreide werden hier jährlich zu Mehl. Über die neue Tourismusabgabe hat der „Müller von Sanssouci“ noch nicht nachgedacht
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Park Sanssouci - Die Mühlenflügel drehten sich am Montag in frischer Brise, das Mahlwerk polterte geschäftig: Am deutschlandweiten Mühlentag beteiligte sich die Historische Mühle im Park Sanssouci bereits zum wiederholten Mal – es war eine von brandenburgweit 68 Mühlen und die einzige in der Landeshauptstadt, die ihre Pforten für Besucher öffnete.
Zehn Tonnen Getreide werden jährlich in der nach dem Wiederaufbau 1995 in Betrieb genommenen Mühle auf Welterbegelände gemahlen. Zum größten Teil geht das Mehl an die Bäckerei Fahland, die in Potsdam gerade eine neue Produktionsstätte ausbaut und in der Stadt sechs Geschäfte und Cafés betreibt. Fahland bäckt ein Mühlenbrot, das der Betreiberverein der Mühle zu 3,40 Euro im Mühlenshop verkauft. Damit mache man allerdings kaum Gewinn, sagt Torsten Rüdinger, der „Müller von Sanssouci“ beziehungsweise der Geschäftsführer Historische Mühle, wie seine Berufsbezeichnung moderner heißt. Der Gewinn beim Verkauf des Mehls und des Brotes gehe fast vollständig für den Getreideeinkauf und die Betriebskosten drauf. Denn bei Anlieferung des Korns müssten zwei Männer die Getreidesäcke zum Mahlwerk in den vierten Stock schleppen.
Betreiber der Historischen Mühle ist der Verein Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg, der sich seine Gelder allein erwirtschaften muss und höchstens bei großen Erneuerungen mit Sponsoring rechnen kann. Jährlich zahlen etwa 60 000 Besucher einen Obolus und der wurde für Erwachsene 2011 auf drei Euro erhöht, um über die Runden zu kommen. Ob die geplante Tourismusabgabe in Potsdam zu einer weiteren Erhöhung des Eintrittspreises führen wird, konnte Rüdinger nicht sagen. Er reagierte gestern erstaunt auf die Frage, ob er sich schon mit der neuen Belastung beschäftigt habe und meinte, dass man sie garantiert an die Gäste weitergeben müsse.
Dabei ist die Mühlencrew – Rüdinger wird unterstützt von Müller Frederic Schüler und fünf Saisonkräften für Kasse und Aufsicht – gerade in entspannter Stimmung. Die Zusammenarbeit mit der Schlösserstiftung sei gut. Das sei nicht immer so gewesen. Die Bauarbeiten in der ersten Etage sind beendet und die Mühlen-Ausstellung wieder aufgebaut. Im vorigen Jahr war die Reparatur am Mauerwerk in der zweiten Etage ausgeführt worden. Solche Reparaturen werden immer wieder nötig, weil das Regenwasser in die schräg nach innen verlaufenden Ritzen des Mauersockels läuft und auch den Innenputz aufweicht. Das ist generell ein Problem der turmartig aufgebauten Windmühlen. Etwas Abhilfe könnte eine Dachrinne am Rand der Galerie bringen, meint Rüdinger. Zuständig dafür wäre der Eigentümer – die Schlösserstiftung.
Die Bauarbeiten brachten in den Frühjahrsmonaten eine Schließzeit mit sich und damit auch eine Besuchereinbuße. Doch gestern brummte der Besuch auf allen Etagen. „Wir können Getreide mahlen bis Windstärke acht“, erklärte Schüler den Gästen. „Wichtig ist, dass der Wind immer frontal auf die Windmühlenflügel trifft.“ Das könne durch Drehung der Dachhaube erreicht werden. Würde der Sturm noch stärker, müssten die Segeltücher an der Seite der Flügel gerefft und die Mühlenflügel festgestellt werden. Er sei auch schon mal nachts nachsehen gegangen, ob alles seine Ordnung habe, sagt Schüler. Einmal vor Jahren sei ein Blitz eingeschlagen, ansonsten aber noch nie etwas passiert.
Zufrieden ist der Müller von Sanssouci auch mit seinen Fans, die in der Vergangenheit dafür gesorgt haben, dass die Innenausstattung weiter ergänzt werden konnte. 2011 wurde das große Stirnrad mithilfe vieler Mühlenfreunde erneuert, die Zähne für das Rad kauften. Eine Familie wollte ihren Zahn gern identifizieren können und so wurde er mit einem weißen Zettelchen markiert. Sponsoring trug auch dazu bei, dass ein ganz neuer Betriebsteil eingebaut werden konnte mit mehreren Getriebewellen, die nun eine Mehlsortieranlage, einen kleinen Generator und eine Getreidequetsche betreiben. Einen Grützeschneider sponserte Andreas Flügge, der bei RBB-Radio mitunter den Müller von Sanssouci als aufmüpfige historische Figur gibt. H. Dittfeld
H. Dittfeld
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