
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Deutschlands beste Vorleserin
Die Potsdamerin Alma Becker gewann beim Bundesvorlesewettbewerb.
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Aufgeregt wurde sie erst, als der Preisträger verkündet werden sollte. „Die waren doch alle so gut“, sagt Alma Becker. Und wie sollte es auch anders sein, wenn die Landessieger des Vorlesewettbewerbs beim Bundes-Finale gegeneinander antreten, in der größten Bibliothek Deutschlands, der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main. Alma Becker gewann den Wettstreit zwischen den Besten der Besten. Die elfjährige Potsdamerin wurde Bundessiegerin beim Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des deutschen Buchhandels – und brachte den seit 1959 jährlich ausgelobten Preis damit zum ersten Mal nach Brandenburg.
Insgesamt drei Tage dauerte die Finalrunde, wie Alma Becker erzählt. In dieser Zeit sei aus den 27 Konkurrenten – für die meisten Bundesländern traten jeweils ein Kandidat aus einer Hauptschule und einer aus dem Gymnasium an – eine „kleine Gemeinschaft“ geworden, berichtet sie: „Wir haben beschlossen, nicht als Feinde gegeneinander anzutreten, sondern als Freunde.“
Es ist der zweite Ferientag, Almas Zeit an der Eisenhart-Grundschule ist vorbei, ab Herbst wird sie das Helmholtz-Gymnasium besuchen. Kater Maurice plündert auf der Kommode im Wohnzimmer der Beckers einen Rosenstrauß, an den Wänden hängen Bilder, die Alma gemalt hat, ein Porträt der schönen Estella de Rosa zum Beispiel, mit blondem Haar, so ellenlang wie Almas. Als Maurice einen Satz auf den Tisch macht, wird es der Elfjährigen zu viel. Mit resoluter Geste greift sie das Tier und setzt es auf den Balkon.
Die Entscheidung für den Text, der sie zur Siegerin machen sollte, traf sie aus dem Bauch heraus: Zwischen 40 unbekannten Büchern konnten die Finalisten wählen, die Potsdamerin entschied sich für „Die Geschichte von Ismael“: „Ich habe mich eigentlich gleich in dieses Buch verliebt.“ Mit der dramatischen Fluchtgeschichte eines 15-jährigen Jungen aus Nordafrika traf der Autor Francesco D’Adamo ihren Geschmack: „Ich mag Bücher, die mit der Realität zu tun haben, Fantasy lese ich nicht so gern.“ Im Landesausscheid hatte Alma mit „Die Zeit der Wunder“ die Geschichte eines Flüchtlings aus Tschetschenien gelesen.
Geschwister, an denen sie ihre Vorlesekunst üben kann, hat Alma nicht. Bei der Vorbereitung verlässt sie sich auf ihr Gefühl. „Ich unterstreiche höchstens mal ein wichtiges Wort“, erklärt sie. Den Sinn für Betonung und Melodie bringt sie von ihren anderen Hobbys mit: Alma spielt seit fünf Jahren Geige, mittlerweile im Orchester der Musikschule. Am Wettbewerb „Jugend musiziert“ hat sie schon zweimal teilgenommen – und den ersten Preis gewonnen. Sie kann sich sogar vorstellen, die Musik später zu ihrem Beruf zu machen. Außerdem übt sie klassisches Ballett. Und wird neuerdings auch zuhause zur Vorleserin. „Früher habe ich ihr viel vorgelesen, jetzt gibt es Tage, wo sie mich ins Bett bringt“, sagt Almas Mutter und lacht. Jana Haase
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