Landeshauptstadt: Diabetes bei Kindern stark gestiegen
Autoimmunkrankheiten bei jungen Patienten zunehmend / Kinder-Infektionserkrankungen rückläufig
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Innenstadt – Chronische Krankheiten wie Diabetes, Rheuma oder die Darminfektion Morbus Crohn sind bei Kindern stark angestiegen. In den vergangenen sechs Jahren hat sich die Zahl der jungen Patienten in den Spezial-Ambulanzen des Klinikums Ernst von Bergmann teilweise mehr als verzehnfacht, sagte Professor Michael Radke, Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin zum Tag der Offenen Tür am vergangenen Samstag.
Zurückzuführen sei der immense Anstieg unter anderem wegen weniger Infektionskrankheiten bei Kindern. Noch gravierender sei jedoch die sterile Lebensweise und übertriebene Hygiene, führte Radke aus. „Früher ließ man Kinder einfach mal laufen, heute wird der Nachwuchs fast im Glaskasten großgezogen.“ Die Folge: Die Immunabwehr werde nicht mehr gefordert. Mögliche Auswirkung: Die natürlichen Antigene sehen den eigenen Körper als Feind und bekämpfen ihn. Demnach: Ein Plädoyer für Dreck? „Ja, wenn man Dreck genauer definiert“, so Radke. Es sei kein Problem, wenn Kinder den sandigen Finger in den Mund stecken.
Vor sechs Jahren startete das Klinikum seine Spezial-Ambulanzen für Kinder mit der Diabetes-Betreuung. Sechs Patienten kamen im ersten Jahr, heute sind es über 80 - wobei Radke hinzufügt, dass die Patienten aus dem ganzen Bundesland kommen. Ähnliche Entwicklungen sind bei Rheuma und Morbus Crohn zu beobachten. Insgesamt betreibt das Klinikum fünf Spezial-Ambulanzen.
Einen deutlichen Abschwung verzeichnet Radke hingegen bei den „gefürchteten Infektionskrankheiten“ wie Masern, Keuchhusten oder Diphtherie. „Masern habe ich bis zur Wende gar nicht gesehen“, offenbarte Michael Radke. Erst 1993 kam dem Arzt das erste Mal die Krankheit an einem Patienten unter. Die umfassende Immunisierung ist in der relativ hohen Durchimpfungsrate begründet. „Der Osten steht - auch wegen der gängigen Impfpraxis in der einstigen DDR – immer noch besser da als die Alten Bundesländer“, so Radke. Bei durchschnittlich 65 Prozent liege die Rate. Gut, aber nicht gut genug, wie Radke betont. „Bei hochansteckenden Krankheiten wie Windpocken und Masern wären 85 Prozent und mehr besser.“ Impfgegnern empfiehlt er einen Besuch der Hohenzollern-Gruft im Berliner Dom. „Dort finden sich einige Kindersärge, die Säuglingssterblichkeit lag damals bei über 25 Prozent, zum Großteil wegen jener Infektionskrankheiten.“ Die Impfstoffe heute seien die weltweit besten, hätten keinerlei Nebenwirkungen oder Schäden und seien zu 99 Prozent wirksam. „Außerdem gibt es Kombinations-Impfungen gegen alle sieben wichtigen Krankheiten“, so Radke.
Zum Tag der Offenen Tür informierten die Ärzte die Besucher – gekommen waren vor allem ehemalige und jetzige Patienten mit ihren Eltern – in Vorträgen über aktuelle Entwicklungen bei den Autoimmunerkrankungen. Ablenkung boten die „Roten Nasen“, eine Clowns-Truppe, die auf Kinderstationen für Kurzweil sorgt – auch im Bergmann-Klinikum. Professor Michael Radke warb um Spenden, damit die wöchentlichen Besuche der Spaßmacher auch 2008 gesichert seien. „Am liebsten wäre uns ein größerer Sponsor, der für längere Zeit die Finanzierung übernimmt.“ Kay Grimmer
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