Von Guido Berg: Die 89er warnen vor Rot-Rot
Potsdamer Bürgerbewegte des Wendeherbstes lehnen Regierung mit Linken ab
Stand:
Mitglieder der Potsdamer Bürgerbewegung von 1989 warnen vor einer möglichen rot-roten Koalition im Land Brandenburg. Zum Teil harsche Kritik trifft den einstigen Bürgerbewegten und jetzigen Ministerpräsidenten Brandenburgs, Matthias Platzeck (SPD). Stein des Anstoßes ist insbesondere die Tatsache, dass die Spitzen-Politikerin der Linkspartei und Platzecks derzeitige Verhandlungspartnerin Kerstin Kaiser in der Zeit ihrer Studentenjahre in der Sowjetunion als Informelle Mitarbeiterin (IM) für die Staatssicherheit der DDR gearbeitet hat.
Eine Koalition von SPD und Linken im Land wäre „ein ganz fatales Signal“, erklärte Prof. Reinhard Meinel am Donnerstagabend während einer Podiumsdiskussion zum Wendeherbst 1989 in Potsdam, die im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Lindenstraße 54 stattfand. Meinel, heute Professor für theoretische Physik an der Universität Jena, gehörte im September 1989 zu den Erstunterzeichnern des Gründungsaufrufes des Neuen Forums. „Damit haben wir vor 20 Jahren nicht gerechnet, dass ein IM noch ernsthaft Minister werden könnte“, erregte sich auch Ute Bankwitz (heute Bürgerbündnis): „Ich fasse es einfach nicht.“
Neben Kerstin Kaiser haben auch der Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, Rolf Kutzmutz, und der Landtagsabgeordnete und Linksfraktionschef in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, Hans-Jürgen Scharfenberg, eine frühere informelle Mitarbeit bei der Staatssicherheit zugegeben. Alle drei gehen offen mit dem Thema um.
Barbara Leinemann, Besucherin der Podiumsdiskussion in der Gedenkstätte, forderte die jungen Leute in der Linkspartei auf, sich von den Ex-IMs – „von solchen Kriminellen“ – zu distanzieren. Barbara Leinemann entrüstet: „Und ich habe dem Platzeck meine beiden Stimmen gegeben “ Sie und andere echauffierten sich konkret über ein als „Kuschelfoto“ bezeichnetes Titelbild der PNN, das Platzeck und Kaiser in vertraulicher Annäherung zeigt.
Der in der DDR-Zeit aufgrund seines Einsatzes für das Potsdamer Bauerbe inhaftierte Architekt Christian Wendland nannte die Linke „eine ständige Täuscherpartei“. Er könne die SPD vor einer Koalition mit der Linkspartei „nur warnen“. Wendland: „Wehret den Anfängen.“ Die Linke, das seien „kreidefressende Wölfe“ und Leute, „die mit demokratischem Lack versehen sind, der abfällt, wenn sie wieder die alleinige Macht haben“. Ein Besucher, der seinen Namen nicht nannte, forderte, „man sollte wieder auf die Straße gehen“ und sagte in Anspielung auf Platzeck: „Matthias, so nicht!“
Podiumsdiskutant Olaf Grabner erklärte, die Linke sei eine „linkspopulistische Partei“. Falsch sei es, sie allein wegen der früheren IMs abzulehnen: „Man muss sie politisch bekämpfen.“
Grabner war laut Kurzporträt der Gedenkstätten-Mitarbeiterin Gabriele Schnell im Wendeherbst „ein sehr mutiger junger Mann, der für den 7. Oktober 1989 zur ersten großen Demo in Potsdam aufgerufen hat“. Etwa 2000 Potsdamer folgten dem und demonstrierten am 40. Jahrestag der Gründung der DDR für Freiheit und Demokratie. Grabner: „Am 7. Oktober hätte man noch erschossen werden können.“ Weder die Kirche noch das Neue Forum hätten diese Demo unterstützt. Grabner zufolge sei es die einzige Demo im ostdeutschen Wendeherbst gewesen, die ihren Ausgangspunkt nicht in einer Kirche nahm. Dazu Meinel: „Das Neue Forum war damals noch zurückhaltend. Heute ziehe ich meinen Hut für den großen Mut.“ Die nächste Großdemo am 4. November 1989 war dagegen bereits bei der „Stelle für Erlaubniswesen“ angemeldet worden und nach Aussage einer Besucherin, die dabei war, „ein Volksfest“. Die dann am 9. November 1989 folgende Maueröffnung ist laut Podiumsdiskutant Detlef Kaminski eine Ablenkung der SED-Führung gewesen, um sich in der neuen Gesellschaft „neue Claims“ abstecken zu können.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: