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Landeshauptstadt: Die Aids-Erklärer

Die Aids-Hilfe Potsdam versucht mit neuem Konzept, Jugendliche über die tödliche Krankheit zu informieren

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Wie hoch ist das Risiko für das ungeborene Kind, wenn sich seine Mutter während der Schwangerschaft mit dem HI-Virus infiziert? Es sind solche Fragen zu der Immunschwächekrankheit Aids, die Claudia Fischer gerade von Hortense Lademann und Sabine Kaschubowski beantwortet bekommen hat. Geduldig haben die beiden Frauen von der Potsdamer Aids-Hilfe der 15-jährigen und ihren Mitschülern erklärt, dass beispielsweise ein Kaiserschnitt das Risiko der Ansteckung bei der Geburt deutlich minimiert und das Kind möglichst nicht gestillt werden sollte. Und noch etwas über Schwangerschaft und Aids haben Lademann und Kaschubowski der achten Klasse der Voltaire-Gesamtschule an diesem Mittag zu sagen: Die Ungewissheit nach der Geburt bleibt noch 18 Monate, weil das Baby zumindest die Antikörper seiner Mutter mitbekommt – und so alle Aids-Tests erst einmal positiv ausfallen, egal ob es infiziert ist oder nicht. Claudia Fischer scheint sich solche Fakten gemerkt zu haben: „Das war völlig neu für mich.“

Es sind solche Effekte, die die beiden Sozialarbeiterinnen der Potsdamer Aids-Hilfe bei Schülern erzielen möchten, wenn sie Klassen besuchen. Früher sind sie dabei anders vorgegangen. Seit diesem Jahr jedoch verwenden sie eine neue Strategie: Längere Unterrichtseinheiten – und mehr spielerische Elementen. „Die Jugendlichen trauen sich sonst nichts zu erzählen, weil sie uns natürlich nicht gleich nach ein paar Minuten ihr Vertrauen schenken“, berichtet Lademann über ihre Erfahrungen.

Die Schüler scheinen nach den Lektionen denn auch ganz locker über das Thema Aids sprechen zu können. „Wir sind beispielsweise alle Körperflüssigkeiten durchgegangen, in denen HI-Viren enthalten sein können“, erzählt Friedrich Garske in der Voltaire-Schule. Interessant sei für ihn gewesen, dass das Virus über „alle Körperöffnungen“ übertragen werden kann. „Manche dachten, dass die Viren nur beim Sex weiter gegeben werden können“, sagt der 14-Jährige. Und wirkt dabei völlig unbefangen.

Solche Info-Veranstaltungen an Schulen würden Lademann und Kaschubowski gern auch in ganz Brandenburg anbieten, kontinuierlich, und nicht nur wie zur Zeit zumeist auf die Region Potsdam beschränkt. Doch mangelt es dafür an Personal, weil die Beiden neben der Vorsorge auch mehr als 50 infizierte und bereits an Aids erkrankte Menschen betreuen müssen. „Wir suchen für die Aids-Hilfe zu jeder Zeit ehrenamtliche Helfer“, sagt Lademann. Die Aufgaben seien vielfältig: Die Sorgen der Infizierten anhören, ihnen zeigen, wohin sie sich für weitere Hilfe wenden können – und vor allem vermitteln, dass sie bis auf ihre Infektion ganz normale Mitglieder der Gesellschaft sind. In der Klasse der Voltaire-Schüler sind einige skeptisch, ob dies so einfach funktionieren kann. „Ich würde eine Infektion nicht öffentlich zugeben, weil ich Angst hätte, ausgegrenzt zu werden“, sagt eine Schülerin. Niemand widerspricht.

Es sind auch solche Vorurteile, gegen die Lademann und Kaschubowski mit ihren Besuchen in Schulen ankämpfen möchten. Und noch ein anderes aktuelles Problem wollen sie ansprechen: Zwar seien die medizinischen Möglichkeiten mit Aids auch längere Zeit zu überleben inzwischen besser als in den vergangenen Jahren – doch im Endeffekt bleibe die Krankheit unheilbar und damit tödlich. Wohl auch deswegen würden die Fallzahlen bundesweit steigen. Bei den Jugendlichen in der Voltaire-Schule müssen sie sich aber wohl keine Sorgen machen: Schon vor der Präventionsveranstaltung hätten sie gewusst, dass Aids noch nicht heilbar ist, sagt Claudia Fischer. Und ihr Klassenkamerad Friedrich Garske ergänzt: „Es ist erschreckend, dass es trotz der Aufklärung noch viele Menschen gibt, die sich anstecken.“

Deswegen ist sich die achte Klasse auch einig, dass ihnen der Tag mit der Aids-Hilfe viele Erkenntnisse gebracht hat. „Es ist eben eindrucksvoller, diese Informationen nicht von unserer Bio-Lehrerin zu hören, sondern von zwei Leuten, die genau auf dieses Thema spezialisiert sind“, sagt Garske. Um auch im Leben außerhalb des Klassenraums die guten Vorsätze zu halten, haben die Schüler Kondome bekommen – damit keiner von ihnen die Angst vor einem positiven Testergebnis spüren muss.

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