Von Jan Brunzlow, Jan Kixmüller und Klaus Kurpjuweit: Die Bahn fährt um Potsdam herum
Ein Jahr lang keine Direktverbindung vom Hauptbahnhof nach Berlin / IHK kritisiert Planung
Stand:
Erst hat die Bahn fast alle Fernzüge aus dem Potsdamer Hauptbahnhof verbannt – nun sollen dort ab Dezember ein Jahr lang auch weniger Regionalexpress-Züge halten. Die von vielen Pendlern genutzte RE- Linie 1 fährt dann nicht mehr ins Berliner Zentrum und bei jeder zweiten Fahrt sogar am Hauptbahnhof vorbei. Hintergrund ist der Plan der Bahn, die Fernbahnstrecke zwischen Charlottenburg und Wannsee ein Jahr lang komplett zu sperren, um Brücken sanieren oder neu bauen zu können. Elke Krokowski vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) sagte, dies sei von Dezember 2011 bis Ende 2012 geplant. Ohne Vollsperrung würden sich die Arbeiten nach Angaben der Bahn bis 2015 hinziehen – ebenfalls mit betrieblichen Einschränkungen.
Täglich pendeln mehr als 70 000 Menschen allein aus beruflichen Gründen zwischen Potsdam und Berlin, erklärte Stefan Frerichs von der Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt. Zudem sind mehr als die Hälfte aller Potsdamer Studenten Pendler. Frerichs plädierte dafür, die „Erreichbarkeit der untrennbar miteinander verbundenen Regionen Potsdam und Berlin bestmöglich zu gewährleisten“. Dies sei „elementar“ für Wirtschaft und Tourismus. Unverständnis über mangelnde Abstimmung der Planungen äußerte Manfred Wäsche von der IHK Potsdam. Dass zeitgleich die Autobahn 115 und die Fernbahngleise gebaut werden, sei „ein Beispiel, wie die Abstimmung nicht erfolgen sollte“. Er plädierte dafür, dass erst die Bahn ihre Strecke saniert und ab 2013 die Avus erneuert wird. Dann wäre die Bahn tatsächlich eine Alternative für genervte Autofahrer.
Von Potsdam aus wird Berlin-Mitte ab Dezember nur noch im S-Bahn-Tempo erreichbar sein. Die letzten der brandenburgischen Landeshauptstadt verbliebenen IC-Verbindungen nach Hannover und Cottbus (einmal täglich) sowie der tägliche Nachtzug CityNightLine nach München fallen dann ebenfalls weg.
Insgesamt wird sich die Fahrzeit für die Potsdamer verlängern, weil die als schnelle Zubringer zu den ICEs und ICs in Berlin gedachten Regionalbahnen dem Herzen Potsdams weichen. Offiziell heißt es bei der Bahn immer noch, die Entscheidung sei nicht gefallen, erst im März wolle die deutsche Bahn dazu beschließen. Das Brandenburgische Wissenschaftsministerium hofft, dass dann eine für alle Beteiligten brauchbare Lösung gefunden wird.
Der Plan gilt inzwischen als wahrscheinlich, denn die Pläne für den Ersatzverkehr sind nach PNN-Informationen bereits weitgehend ausgearbeitet. Der RE 1 aus Magdeburg soll dann von Werder (Havel) kommend über Golm und den Außenring nach Spandau in Berlin fahren und in Charlottenburg wieder seine Stammstrecke erreichen. Halte sind in Golm und Charlottenburg vorgesehen. Die Fahrzeit verlängert sich dadurch um rund zehn Minuten, was für den Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz, kein Problem ist.
Anders sieht es aber für die Fahrgäste aus, die bisher im Potsdamer Hauptbahnhof in den Regionalexpress gestiegen sind. Sie müssen, wenn diese Pläne umgesetzt werden, zunächst entweder nach Werder oder Golm fahren, und dort in den umgeleiteten RE umsteigen. Wie lange in Golm umsteigende Fahrgäste auf den Anschluss warten müssen, steht noch nicht fest. Die Gesamtfahrzeit kann sich jedenfalls um erheblich mehr als die zehn Minuten verlängern, die der RE 1 für die Umleitungsstrecke braucht.
Nach Werder sollen zusätzliche Pendelzüge von Wannsee aus über den Hauptbahnhof fahren, deren Ankunft in Werder auf den Anschluss zum RE 1 abgestimmt werden soll. Die RE 1-Züge, die in Brandenburg beginnen oder enden, fahren dagegen weiter über Potsdam Hauptbahnhof und bis nach Berlin-Wannsee. Dort müssen die Fahrgäste dann in die S-Bahn umsteigen, die unabhängig von den Bauarbeiten planmäßig zwischen Potsdam und Berlin fahren wird – wenn es bei ihr nicht erneut bisher nicht absehbare Betriebseinschränkungen gibt. Derzeit schafft der Regionalexpress den Weg von Potsdam Hauptbahnhof zum Berliner Hauptbahnhof in 26 Minuten, die S-Bahn benötigt 41 Minuten. Der derzeitige 20-Minuten-Verkehr im sogenannten „Winterfahrplan“ soll ab 28. Februar wieder auf einen Zehn- Minuten-Takt verkürzt werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: