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Im Wartestand. Im Haus Im Güldenen Arm in der Hermann-Elflein-Straße 3 will die Stadt das Bollhagen-Museum unterbringen. Die Räume sollen kostenlos zur Verfügung stehen. Das Denkmal in Potsdams Innenstadt steht seit Jahren leer.

© Manfred Thomas

Von Alexander Fröhlich und Sabine Schicketanz: Die Bollhagen-Frage

Ob das Museum nach Potsdam oder Velten kommt, hat mit der Rolle der Keramikerin in NS-Zeit zu tun

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Potsdam/Velten – Die Landeshauptstadt oder die märkische Ofen-Kommune? Seit Tagen ist vor und hinter den Kulissen ein Tauziehen im Gange, wo das künftige Hedwig-Bollhagen-Museum seinen Standort haben soll. Potsdam galt als gesetzt. Bislang blieb unklar, warum plötzlich Velten überhaupt ins Rennen kam und sogar ernsthafte Chancen hat. Nun nähren PNN-Recherchen den Verdacht, dass es bei der Standortentscheidung auch um die Frage geht, ob und wie kritisch die Rolle der berühmten Keramikerin während der NS-Zeit dargestellt wird.

Die „Ofen-Stadt“ Velten liegt wenige Kilometer entfernt von Bollhagens Wirkungsstätte, dem Ort Marwitz, und beherbergt bereits ein Ofen- und Keramikmuseum. Den Ausschlag für Velten könnte aber vor allem die Ausstellungskonzeption geben. Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner (SPD) hat laut Medienberichten gesagt, eine Bollhagen-Schau in Velten werde „Bollhagens Rolle beim Kauf ihrer Firma zu Nazi-Zeiten nicht beleuchten“. Dies schwächte Hübner gestern auf PNN-Anfrage ab. Sie sehe vor allem inhaltlich, also wegen des Ofenmuseums und der Nähe zu den HB-Werkstätten, „sehr gute Chancen“ für ein Museum in ihrer Stadt. Dabei solle „das künstlerische Werk“ Bollhagens im Vordergrund stehen. Potsdam dagegen bleibt bei seiner Haltung, wonach die NS-Zeit in einer Bollhagen-Schau deutlich präsent sein müsse. „Ich führe keine Diskussion darüber, ob Bollhagens Rolle in der NS-Zeit Gegenstand der Ausstellung sein muss“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Dies sei eine Notwendigkeit. Für kommende Woche hat er die Beteiligten zum Gespräch gebeten.

Unter Jakobs hatte die Stadt vor zwei Jahren entschieden, Bollhagens Vergangenheit aufzuarbeiten, und damit das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) beauftragt. Die Politologin Dr. Simone Ladwig-Winters hatte im Auftrag des ZZF eine Studie erarbeitet, die zu dem Schluss kam, dass Bollhagen „Nutznießerin“ des Systems und der Kauf der Marwitzer „HB-Werkstätten“ von der jüdischen Vorbesitzerin Margarete Heymann-Loebenstein ein Fall von „Arisierung“ gewesen sei (siehe Kasten).

Für Ladwig-Winters ist eine Darstellung der Ergebnisse ihrer Studie in einer Bollhagen-Ausstellung „wünschenswert“, sagte die Wissenschaftlerin auf PNN-Anfrage. Bereits bei der Arbeit an der Studie habe sie den Eindruck gewonnen, dass die „Positionen ziemlich festgemeißelt“ seien. Nach Veröffentlichung der Studie habe es von den Bollmann-Erben oder der Bollmann-Stiftung „kein Interesse an Kommunikation“ gegeben, so Ladwig-Winters. Dies sei ungewöhnlich und habe sie „gewundert“. Auch das ZZF sei nicht um eine Begleitung bei der Konzeption der Ausstellung gebeten worden, sagte Irmgard Zündorf, Referentin für Wissenstransfer im ZZF, gestern auf Anfrage. Die „Macher“ der Schau hätten anfangs eine „rein künstlerische“ Ausstellung erstellen und politische Bereiche ausklammern wollen, so Zündorf. Die öffentliche Debatte hätte aber schnell gezeigt, dass dies nicht möglich sein werde. Es habe auch keine „Überlegungen gegeben, die Studie zu ignorieren“.

Erbost reagierte gestern Silke Resch, Bollhagens Nichte und Verwalterin des Nachlasses, auf die aktuelle Debatte. Wie die in Hannover, dem Geburtsort Bollhagens, lebende Erbin den PNN sagte, habe es bei den Gesprächen zwischen dem Potsdamer Rathaus und der Bollhagen-Stiftung, die unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz geführt wird, keine Differenzen zur museale Darstellung der Keramikerin in der NS-Zeit gegeben. „Es gibt keinen Dissenz“, erklärte Resch. „Durch das Gutachten ist alles geklärt.“ Noch im Jahr 2003 – bevor bekannt geworden war, dass Bollhagen von der Arisierung der Hael-Werkstätten der Jüdin Heymann-Loebenstein im Jahr 1934 profitierte – hatte Resch weitreichende Pläne verkündet. Den Nachlass der 2001 verstorbenen Bollhagen wollte sie Brandenburg überlassen, dazu sollte es eine dauerhafte Präsentation in Potsdam geben. Befeuert wurde die Pläne durch eine große Aufmerksamkeit für Bollhagen, nachdem im Jahr 2001 die Trauerfeier für die Keramikerin fast staatstragend in der Friedenskirche abgehalten wurde. Brandenburgs früherer Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hatte damals die Trauerrede gehalten. Die Potsdamer Stadtverordneten hatten 2007 beschlossen, den Nachlass Bollhagens dauerhaft in Potsdam auszustellen.

„Bollhagen wurde nach 1990 zur Identitätsfigur hochstilisiert – für die Mitläufer der verschiedenen Systeme“, sagte die britischen Wissenschaftlerin Ursula Hudson gestern den PNN. Sie hatte die Debatte um das Verhalten Bollhagens im Dritten Reich durch ihrer Recherchen zu der nach Großbritannien geflohenen Margarete Heymann-Loebenstein ins Rollen gebracht. Hudson sprach sich gestern gegen ein Museum für Bollhagen in Potsdam aus – Velten sei „der richtige Standort“. Dort gebe es bereits eine umfangreiche Bollhagen-Sammlung, auch habe das Museum eine Ausstellung zur Hael-Keramik gezeigt, bei der die NS-Geschichte beleuchtet worden sei. Auch die Politologin Ladwig-Winters betonte, dass sie dem Ofen- und Keramikmuseum eine differenzierte Ausstellung zutrauen würde.

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