Landeshauptstadt: Die Datenbrille als Potsdams Potenzial
Potsdamer Unternehmer suchen nach Standort, um alles rund um die virtuelle Realität zu vermarkten
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Jägervorstadt - Die Löwenvilla in der Gregor-Mendel-Straße hat schon viel erlebt: sie war Internat, Gästehaus und Filmkulisse. Am gestrigen Freitag tappten nun gleich in mehreren der im Stil unterschiedlicher Architekturepochen gestalteten Räume Menschen scheinbar orientierungslos umher. Doch tatsächlich schien das nur für Außenstehende so, denn sie selbst waren in einer anderen Welt unterwegs. Nämlich der virtuellen. Die maskenartigen Brillen, die sie von ihrer Umgebung abschirmten, waren gleichzeitig ihr Zugang zu verschiedensten Erlebniswelten. Modernste Technik.
Die zwischen der historischen Holzvertäfelung etwas skurril wirkenden Szenen waren Teil eines Branchentreffens zum Thema „Virtual Reality“. Eingeladen hatte die Potsdamer Filmfinanzierungs- und Eventagentur Autumn Courage, die im Obergeschoss der Villa beheimatet ist. Vor Gästen aus der Potsdamer Filmbranche ging es darum, welches technische und geschäftliche Potenzial im Bereich der virtuellen Realität steckt. Dabei geht es keineswegs nur um Unterhaltung sondern auch um Präsentationen, Werbung, Training oder E-Learning. Das Urlaubshotel kann per Datenbrille genauso begutachtet werden wie das neue Badezimmer.
Ganz neu ist die Idee nicht, Umgebungen künstlich zu erzeugen – man denke nur an Flugsimulatoren. Allerdings krankte die Wirksamkeit für den Massenmarkt an der Rechnerleistung. Doch das ändert sich gerade. Für Brancheninsider wie UFA-Technikchef Ernst Feiler stellt die virtuelle Realität nichts weniger als die dritte medial-kommunikative Revolution nach Kino und Fernsehen dar. Die technischen Möglichkeiten müssten nun mit Inhalten gefüllt werden. „Und am Ende wollen wir natürlich Geld damit verdienen“, so Feiler. Er nannte ein Beispiel an dem seine Firma beteiligt war: Ein Autohersteller wollte ein neues Cabrio im Februar auf den Markt bringen. Damit potenzielle Kunden trotz der kühlen Witterung Lust auf das offene Auto bekamen, wurde ein Exemplar durchs sonnige Miami gefahren – vollgestopft mit Kameras. Aus dem Bildmaterial wurde eine virtuelle Umgebung erstellt, in der Interessierte dann in deutschen Einkaufscentern mit der Datenbrille vorm Gesicht auf Probefahrt gehen konnten.
Virtuelle Realität biete für die Region große Chancen, so Feiler. Die Erzählformate müssten sich allerdings wandeln. „120 Minuten in der virtuellen Realität zu stehen, hält meine Mutter nicht mehr aus“, sagt Feiler. Um all das zu entwickeln, gebe es in Potsdam und Umgebung sowohl Forschungsinstitute, die die Technik beherrschen, als auch mit der Filmbranche und der Filmuniversität alles, was zur Erstellung der Inhalte notwendig sei. „Es ist alles möglich, wenn wir das Thema in den nächsten 18 bis 24 Monaten besetzen.“ Es sei ein Ort nötig, an dem alles technisch Notwendige zur Verfügung steht. Doch für eine Firma allein sei das zu aufwendig. Potsdam habe die Chance, ein weltweiter Hot-Spot für die neue Technologie zu werden, sagte auch Stefan Schindler von der Potsdamer Firma Metropolis.
Einen solchen Ort will Kai Desinger schaffen. Der Potsdamer ist nicht nur Inhaber des Restaurants „Garage du Pont“ unweit der Glienicker Brücke, sondern auch Vorsitzender des Investitionskommitees des deutschen Hightech-Gründerfonds. Das Projekt hat schon einen Namen: Digital City. Gemeinsam mit Investoren sei er derzeit auf der Suche nach einer passenden Immobilie. Große Firmen sollen dort gemeinsam mit Start-ups einziehen. Details zu Investoren oder Standort wollte er mit Verweis auf laufende Verhandlungen nicht nennen. „Aber wir sind nah dran“, sagte er.
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