
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Die Datenschatzsucher
Im Potsdamer OK Lab machen Internet-Experten ehrenamtlich öffentliche Daten zugänglich – und leicht nutzbar
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Es dauert durchaus einige Minuten, im Internet herauszufinden, wie hoch die Kitagebühren bei welchem Einkommen in Potsdam sind. Oder welche Qualität das Leitungswasser in den jeweiligen Stadtteilen hat. Mit etwas Glück kann man auf der Internetseite der Stadt Potsdam zu den Kitagebühren eine PDF-Datei mit einer umfangreichen Tabelle finden. Die richtig zu lesen und zu verstehen ist dann die nächste Herausforderung.
Wesentlich simpler ist es, den Online-Kita-Rechner zu benutzen, der vom OK Lab Potsdam programmiert wurde: Einfach eingeben, wie viel man verdient und wie lange die Betreuung dauern soll, schon hat man das Ergebnis. „Das ist ein Beispiel dafür, was das OK Lab leisten kann“, sagt der Potsdamer Webentwickler Florian Köhler. Anfang dieses Jahres seien die Kitasatzung erneuert und die Gebühren neu berechnet worden. „Die Daten dafür sind zwar öffentlich, aber überhaupt nicht aufbereitet. Also hat sich jemand von uns hingesetzt und diese Oberfläche geschaffen.“
Das OK Lab Potsdam (Abkürzung für Open Knowledge Laboratory) ist ein Zusammenschluss engagierter Programmierer, Informatiker und Hacker, die sich zum Ziel gesetzt haben, mit Steuergeldern erhobene Daten, die eigentlich öffentlich vorliegen, durch technische Lösungen einfach zugänglich zu machen. Das sind dann Verwaltungs-Informationen, Verkehrsdaten, Kartenmaterial und vieles mehr. „Die meisten dieser Rohdaten sind für den Laien nicht unbedingt sinnvoll nutzbar“, sagt Martin Koll.
Der 27-jährige Student aus Potsdam hat das OK Lab Potsdam im Mai dieses Jahres ins Leben gerufen und sich dabei am Vorbild der Open Knowledge Foundation orientiert, nach deren Philosophie sich deutschlandweit bereits 26 andere OK Labs gegründet haben. „Wir sind das erste in Brandenburg“, sagt Koll. Dass es in der Mark so wenig in dieser Richtung gebe, liege unter anderem an der Anziehungskraft von Berlin, so Koll: „Aber wir müssen ja auch mal in Brandenburg die Digitalisierung voranbringen.“
Webentwickler Köhler ging es ähnlich: Er hatte einen Bericht über ein OK Lab in einer anderen europäischen Stadt gelesen und sich gefragt, warum es so etwas nicht in Potsdam gibt: „Dabei gibt es hier so viele Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt Informatik und Programmierung – warum hinken wir da so hinterher?“
Mittlerweile zählen rund ein Dutzend aktive Mitglieder zum OK Lab, die sich alle zwei Wochen im studentischen Kulturzentrum Kuze treffen. Aus dieser kreativen Energie ist neben dem Kitarechner auch eine Webseite namens „Trinkwasserviz“ entstanden: Wer will, kann jedes der fünf Potsdamer Wasserwerke anklicken und sehen, wie viel Chlorid, Calcium oder Natrium das Leitungswasser in seinem Stadtgebiet enthält, und ob sich der Anteil unter dem gesetzlichen Grenzwert befindet. „Man sieht unter anderem, dass das Wasser im Wasserwerk Nedlitzer Straße viel härter ist als in der Leipziger Straße“, so Koll.
Informationen, die etwa für die Zubereitung von Tee oder Kaffee, das Brauen von Bier, das Befüllen von Aquarien oder für die Einstellung der Waschmaschine interessant sind. Zusätzlich kann man die Qualität des Leitungswassers auch noch mit dem von Mineralwasser vergleichen: Einige Marken haben tatsächlich mehr Nitrat-Anteile als das, was in Potsdam aus dem Wasserhahn kommt. Ein weiteres Projekt, das noch in der Testphase ist, ist „BrandenGo“, eine Smartphone-App, die anzeigt, welche Busse und Bahnen als nächstes in der direkten Umgebung wohin fahren.
Alle Projekte, die auf diese Weise entstehen, sind kostenlos von jedem nutzbar. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des OK Labs tun dies zum einen, um sich an technischen Herausforderungen auszuprobieren und zum anderen aus der gesellschaftspolitischen Überzeugung, dass Wissen für alle offen zugänglich sein sollte: „Das ist eine moderne Form von Bürgerbeteiligung“, sagt Koll. Zudem ist der Quellcode der Projekte offen und kann von jedem weiterverwendet werden. „Wir haben schon Anfragen aus Berlin bekommen, die Projekte von uns adaptieren möchten“, sagt Koll.
Wer mehr über das OK Lab und das Thema Open Data erfahren möchte, sollte sich den 12. November merken: Dann wird das OK Lab auf dem linksalternativen Freiland-Gelände ein Barcamp mit dem Titel „Potsdam.io“ veranstalten. Ein Barcamp ist eine Konferenz, bei der das Programm vorher nicht feststeht, sondern zu Beginn der Veranstaltung mit den Teilnehmern erstellt wird. So soll es Vorträge, Workshops und Diskussionen rund um das Thema Open Data geben.
Das Barcamp ist kostenlos, eine Anmeldung ist jedoch erforderlich. Gerechnet wird mit etwa 50 Besuchern. Auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung werden teilnehmen, so Koll: „Die sind auch schon öfter bei unseren Treffen gewesen.“ Welche Projekte als Nächstes in Angriff genommen werden sollen, weiß Koll noch nicht. Eines ist aber sicher: „Nach dem Barcamp werden wir sehr viele neue Ideen haben“, verspricht er.
Alle Informationen zu den Projekten des OK Labs und zum Barcamp: www.oklab-potsdam.de
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