Landeshauptstadt: Die Eltern in der Nähe
Das Bergmann-Klinikum eröffnet in der Charlottenstraße eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
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Innenstadt - Ein Potsdamer Jugendlicher, der in einer psychischen Krisensituation Hilfe braucht, wird bisher in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nach Brandenburg-Görden eingewiesen. „Eine völlig unbefriedigende Situation“, sagt Dr. Christian Kieser, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie des Potsdamer Klinikums „Ernst von Bergmann“. Deshalb sei er außerordentlich froh, dass es ab Januar 2014 endlich auch in Potsdam eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt. „Dieses Angebot war längst überfällig“, erklärte Kieser den PNN.
Die alte Kinderstation im Klinikkomplex in der Charlottenstraße wurde in den vergangenen Monaten für 350 000 Euro aus dem Klinik-Haushalt saniert und für die neuen Zwecke umgebaut. In modernen freundlichen Räumen mit Wohnklima können ab Januar bis zu 24 Patienten stationär betreut werden. Um die Kinder und Jugendlichen ab Vorschulalter bis zu 18 Jahren kümmert sich ein Team aus Ärzten, Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeitern unter der Leitung von Chefarzt Dr. Michael von Aster. Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie leitet auch eine solche Klinik im Berliner DRK-Klinikum Berlin-Westend. Beide Einrichtungen haben jetzt eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Nicht nur personell, auch fachlich werde man zusammenarbeiten, beispielsweise durch gemeinsame Weiterbildungen.
Künftig können also Patienten aus Potsdam und dem Umland wohnortnah versorgt werden. Das sei ein wichtiger Aspekt, sagt der neue Chefarzt. Denn zu einer langfristig erfolgversprechenden Behandlung von Kindern mit psychischen Krankheitsbildern gehöre immer die Zusammenarbeit mit den Eltern und wichtigen Personen aus dem sozialen Umfeld, Lehrer und Erzieher, auch Jugendamtsmitarbeiter. „Diese müssen unbedingt in die Behandlungsabläufe eingebunden werden“, sagt von Aster. Ebenso kooperiere man mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten, die die ambulante Nachsorge und Weiterbehandlung absichern. Der Bedarf für die neue Klinik sei groß, sagt von Aster. Das Spektrum der Indikationen für eine ambulante oder stationäre Behandlung ist breit: psychische Störungen und Entwicklungsstörungen, Lernstörungen, Störungen der sozialen Beziehungsfähigkeit oder Unfähigkeit, Aufmerksamkeit und Gefühle zu regulieren. Dazu kommen Abhängigkeiten von Suchtmitteln, Schlaf- und Essstörungen und Depressionen, in deren Folge Kinder unter Umständen Suizidwünsche entwickeln. Und auch um Kinder von psychisch-kranken oder suchtkranken Eltern müsse man sich kümmern, eine weitere, oft vernachlässigte Klientel.
„Psychisch kranke Kinder sind schnell isoliert oder gelten als unbeschulbar, sie erleben keine Teilhabe mehr am sozialen Leben“, sagt Michael von Aster. Wenn dann dauerhaft Erfolgserlebnisse ausbleiben, schließt sich ein schlimmer Kreislauf. Der soll durch eine Behandlung nach modernem Konzept durchbrochen werden. Dabei werde versucht, nach einer umfassenden Diagnostik auf unterschiedlichen Wegen Zugang zum Kind zu finden. Neben den Ärzten helfen Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Kunst- und Musiktherapeuten, die kreative Angebote vorhalten. In der Krankenhaus-Sporthalle sowie im Park sollen Sport- und Bewegungsangebote stattfinden. Das sei sehr wichtig gerade für Kinder, die mit Medikamenten behandelt werden. „Die Kinder brauchen im Grunde Zuwendung und wieder kleine Erfolgserlebnisse“, sagt von Aster. Auf der Station gibt es außer den Patientenzimmern für jeweils ein oder zwei Kinder große Räume für Gruppentherapien und gemeinsame Mahlzeiten, in der großen Küche kann gemeinsam gekocht werden.
Eine Woche oder mehrere Monate könne ein stationärer Aufenthalt dauern, weshalb auch Schulunterricht organisiert wird. Dafür kommen Gastlehrer aus einem Potsdamer Gymnasium und einer Grundschule ins Krankenhaus. Auch Freizeitangebote und Ausflüge, Elternbesuche einerseits und Hausbesuche der Kinder andererseits gehören zum Konzept.
Dennoch müsse ein gewisser Sicherheitsstandard eingehalten werden. Die Möbel sind so ausgewählt, dass man sich nicht verletzen kann, die Fenster können nur angekippt werden. „In die sogenannte geschlossene Abteilung wird man aber nur mit einem familiengerichtlichen Beschluss eingewiesen“, so von Aster.
Wie viele Kinder und Jugendliche bisher nicht in Potsdam behandelt werden konnten und in eine andere Klinik verlegt werden mussten, sei nicht bekannt, so Kliniksprecherin Damaris Hunsmann. In jedem Fall werde mit einer großen Nachfrage gerechnet, es könnte sogar sein, dass mittelfristig die Station vergrößert werden müsse, so Hunsmann.
Kieser und von Aster sind froh, dass die neue Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht außerhalb von Potsdam isoliert, sondern inmitten der Krankenhauslandschaft angesiedelt ist. „Psychisch Kranke haben das Recht, durch denselben Eingang wie alle anderen Patienten zu gehen“, sagt Christian Kieser.
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