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Die Jubilarin: Elisabeth Bitsching wird am Sonntag 90 Jahre alt.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Die Frau, die sie die „kleine Mama“ nannten Die frühere Potsdamer SPD-Politikerin

Elisabeth Bitsching wird am Sonntag 90 Jahre alt

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Die vorsichtig-anteilnehmende Frage, ob das Mittagessen auf Rädern komme oder ob sie essen gehe, wird von Elisabeth Bitsching mit einem klaren Nein beantwortet. „Ich koche mir mein Mittagessen selbst.“ Eigentlich hätte sich die Frage erübrigt. Denn die Energie, mit der sie ihr Leben bewältigt, ist erstaunlich. „Ich danke täglich meinem Gott, dass er mir die Kraft gegeben hat, die Fülle von Aufgaben zu bewältigen.“ Mit 90 Jahren. Und dieses Jubiläum steht am morgigen Sonntag an. Selbst Oberbürgermeister Jann Jakobs wird zum Geburtstag der früheren SPD-Stadtverordneten erwartet.

Zur Gratulation werden sich auch die Bewohnerinnen des Hauses einfinden, in dem sie seit 30 Jahren lebt, die des Lehrerwitwenhauses in der Zimmerstraße – ein Haus mit königlicher Geschichte. Elisabeth, die Frau König Friedrich Wilhelms IV., die ein Herz für soziale Dinge hatte, ordnete 1867 die Gründung einer Stiftung an. Konnten hier einst nur Lehrerwitwen wohnen, so sind es heute Frauen, die hauptamtlich in der Evangelischen Kirche tätig waren und hier nun den Ruhestand genießen. Neben der Wohnung von Bitsching hängt ein Bild von Königin Elisabeth. Es wirkt so, als wolle die Stifterin sagen: Ich werfe stets ein Auge auf die Oberin. Vor 30 Jahren wurde der Jubilarin dieses Ehrenamt angetragen und mit beispielhafter Verantwortung führt sie es bis heute aus. Natürlich ist sie keine Oberin alten Stils, sondern eine Ansprechpartnerin für die Belange des Hauses. 1983 waren die Wohnverhältnisse sehr unbefriedigend. Erst nach dem Ende der DDR konnte die Lebensqualität grundsätzlich verbessert werden. Jede Bewohnerin verfügt nun über zwei Zimmer, eine Küche und ein Bad. Der große Garten ist vor allem das Revier von Elisabeth Bitsching. „In den vergangenen Tagen war ich draußen, habe das sonnige Wetter genutzt, um den Garten für den Frühling vorzubereiten.“ Gartenarbeit ist ihr von früher Jugend an vertraut.

Geboren wurde sie im westpreußischen Marienwerder, eine Stadt mit großer Geschichte. Der Vater, der Buchdruckermeister und ein sehr frommer Mann war, starb früh. Damit die kleine Firma weiter bestehen konnte, übernahm die Mutter deren Leitung. Elisabeth blieb nach dem Besuch der Mädchen-Volksschule für zwei Jahre zu Hause, half tatkräftig im Haushalt und kümmerte sich um ihre fünf Geschwister. „Von da an wurde ich die kleine Mama genannt“, erzählt Bitsching. Mit sechzehn Jahren begann sie eine landwirtschaftliche Lehre und wurde nach deren Abschluss auf einem Gut Sekretärin. 1945 blieb auch ihrer Familie die Flucht aus der Heimat nicht erspart. Sie schlug sich über Danzig und Swinemünde nach Jena durch. Dort wusste Bitsching ihre Mutter bei einer Tante gut aufgehoben. Zunächst besuchte sie die Landfrauenschule. Doch eines Tages, Anfang der fünfziger Jahre, gewann das Interesse für einen kirchlichen Beruf die Oberhand. „Ich wollte in die Äußere Mission, beispielsweise Menschen in afrikanischen Ländern die frohe Botschaft der Bibel verkünden. Nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit meinen Händen.“ Zur Ausbildung ging sie nach Hannover. Doch die medizinische Untersuchung ergab: tropenuntauglich. Elisabeth Bitsching wurde nun Gemeindehelferin. Sie kam zurück in die DDR. In mehreren Gemeinden im Gebiet von Neiße und Oder wurde sie tätig. Die Vielfalt der Aufgaben faszinierte sie: die Unterstützung von Gemeindegliedern in schwierigen Lebenslagen, die Leitung von Arbeitskreisen und Jugendgruppen oder die Wortverkündigung in Gottesdiensten und Verwaltungsaufgaben.

Vor 30 Jahren kam sie als Ruheständlerin nach Potsdam, da zufällig im Lehrerwitwenhaus eine Wohnung frei war. Sie wurde in der Friedenskirchengemeinde aktiv, als Mitglied des Gemeindekirchenrates, im Senioren- und Bibelgesprächskreis. Eines Tages, das war noch vor dem Fall der Mauer, kamen ihr Unterlagen von der Gründung der SPD in der DDR in die Hände. „Das ist meine Partei, mit der kann ich längst fällige Veränderungen in diesem Land anstreben“, erinnert sie sich. Noch 1989 trat Elisabeth Bitsching der SPD bei. Bereits zu den ersten freien Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung kandidierte sie für ihre Partei. In zwei Legislaturperioden war sie im Stadtparlament tätig. Ihren ausgeprägten Sinn für soziale Gerechtigkeit konnte sie hierbei engagiert leben.

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