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Die Gastronomie in Potsdam kämpft nach zwei schwierigen Corona-Jahren mit Personalproblemen.

© Andreas Klaer

Potsdams Gastronomie und Hotellerie nach zwei Jahren Corona: Die Gäste sind zurück, das Personal weg

Service ist jetzt Luxus: Potsdams Hotels und Gaststätten haben in der Pandemie viele Mitarbeitende verloren. Wie die Betriebe reagieren – und was nötig ist.

Restaurants haben nicht mehr täglich geöffnet, das traditionsreiche Café Heider bittet seine Gäste am Tisch mit Verweis auf die Personallage um die Bestellung per Smartphone, anderswo wird in Schaufenstern mit Aushängen nach Mitarbeitenden gesucht: Gastronomie und Hotellerie in Potsdam können nach zwei schwierigen Jahren mit coronabedingten Durststrecken und Schließzeiten zwar wieder uneingeschränkt Gäste empfangen, stehen nun aber oft vor einem neuen Problem: Das Personal fehlt.

Das Café Heider bittet Gäste am Tisch um die Bestellung per Smartphone.
Das Café Heider bittet Gäste am Tisch um die Bestellung per Smartphone.

© Andreas Klaer

„Das ist leider ein Prozess, der durch Corona beschleunigt worden ist“, sagt Burkhard Scholz, der Inhaber des Inselhotels Hermannswerder, den PNN: „Es gibt immer weniger junge Menschen, die sich für Berufe in der Dienstleistungsbranche interessieren.“ Die wenigen Bewerber:innen schreckten etwa zurück, „weil man Samstag und Sonntag arbeiten muss“. Während der Corona-Zeit, als auch das Inselhotel Kurzarbeit anmelden musste, hätten einige Mitarbeiter das Haus verlassen. Zwar habe man auch neue Kräfte gewinnen können – aber nicht genug. „Wir könnten sofort zehn Leute anstellen in allen Bereichen“, sagt Scholz: „Aber Sie kriegen keinen einzigen.“

Restaurant im Inselhotel teils erst ab Nachmittag geöffnet

Die Nachfrage durch die Kunden habe mittlerweile wieder das Niveau von 2019 erreicht, sagt der Hotelchef. Wegen der Personalengpässe muss das Hotel aber Einschränkungen vornehmen: So hat das Restaurant montags bis donnerstags erst ab 15 Uhr statt wie früher ab 12 Uhr geöffnet. Auch viele Anfragen für Hochzeitsfeiern und ähnliche Veranstaltungen könne man derzeit nicht bedienen.

Burkhard Scholz leitet das Inselhotel Hermannswerder.
Burkhard Scholz leitet das Inselhotel Hermannswerder.

© Ottmar Winter

Scholz ist schon seit einigen Jahren auch im Ausland auf Fachkräftesuche und konnte zum Beispiel aus dem Kosovo drei Mitarbeitende gewinnen, mit denen er sehr zufrieden ist. Der Hotelchef war für Bewerbungsgespräche dreimal selbst in der Hauptstadt Pristina vor Ort, jedes Mal habe es zwischen 25 bis 30 motivierte Bewerber gegeben. Ein Problem sei aber die schleppende Genehmigung von Arbeitsvisa. Aktuell habe er sieben interessierte Bewerber. „Seit vier Jahren bemühen wir uns um eine Arbeitserlaubnis“, sagt Scholz. Er fordert von der Politik Erleichterungen bei den Genehmigungsverfahren.

Auch das Mercure musste Restaurant-Öffnungszeiten anpassen

Auch das Hotel Mercure musste wegen Personalengpässen schon Einschränkungen vornehmen. Das Restaurant dort hat jetzt Montag und Sonntag abends geschlossen, wie Hotelchef Daniel Schmidt den PNN sagte. Die Personalsituation bezeichnet er als angespannt: „Das betrifft vor allem den Service – die anderen Stellen sind gut besetzt.“ Während Corona hätten viele Mitarbeitende den Job gewechselt. „Jetzt müssen wir versuchen, sie zurückzugewinnen“, sagt er. Derzeit wirbt das Hotel etwa auf der Foto-Plattform Instagram um Fachkräfte. Wie im Inselhotel ist auch im Mercure die Buchungslage gut: „Die Gäste kommen wieder, das ist toll“, sagt Schmidt.

Daniel Schmidt, Direktor des Hotel Mercure.
Daniel Schmidt, Direktor des Hotel Mercure.

© Ottmar Winter

Über gute Nachfrage kann sich auch Jutta Braun, Direktorin des Kongresshotels Luftschiffhafen, freuen. Sowohl im Tagungs- als auch im Privatbereich gebe es viele Gäste, sagte sie den PNN. Personallücken stellen aber auch das Haus am Templiner See vor Herausforderungen: Zwar habe man „die Kernmannschaft“ gut zusammenhalten können – von den rund 170 Mitarbeitenden hätten in den vergangenen zwei Jahren nur fünf bis acht das Haus verlassen, erklärt sie. Probleme gebe es aber bei den an externe Firmen ausgelagerten Bereichen, etwa der Hotelreinigung oder zusätzlichem Servicepersonal für Spitzenzeiten.

Kongresshotel holt ausgelagerte Dienstleistungen zurück ins Haus

Viele dieser einst ausgelagerten Bereiche hole man deshalb jetzt wieder zurück ins Haus, sagt die Hoteldirektorin. Man habe unter anderem für den Service zehn Personen neu eingestellt und will auch versuchen, über studentische Aushilfskräfte Lücken zu füllen.

Jutta Braun, Geschäftsführerin des Kongresshotels.
Jutta Braun, Geschäftsführerin des Kongresshotels.

© Andreas Klaer

Fachkräfte aus dem Ausland spielen im Kongresshotel bereits länger eine Rolle: Schon seit 2017 beschäftigt das Hotel Mitarbeitende aus der Ukraine. Auch von den vorübergehend nach Beginn des Krieges in der Ukraine im Hotel untergebrachten Geflüchteten seien mittlerweile einige in der Hotelreinigung eingestellt worden. Auch in Georgien schaut sich das Hotel neuerdings um: Seit diesem Jahr sind Auszubildende von dort für ein dreimonatiges Praktikum in Potsdam – und wohnen dann im Haus. „Das sind neue Wege, die wir da gehen“, sagt Jutta Braun.

Ausländische Kräfte allein nicht die Lösung, Familienfreundlichkeit wichtig

Das Kongresshotel wird von Olaf Schöpe, dem Präsidenten des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Brandenburg, als ein Positivbeispiel genannt, wenn es um Fachkräftegewinnung im Ausland geht. Die aktuellen Personallücken in der Branche seien aber erst der Anfang – und mit ausländischen Kräften allein auch nicht zu lösen, glaubt Schöpe. „Wir brauchen sehr viel Kreativität, um das Problem mittelfristig in den Griff zu bekommen“, sagte er den PNN. Dabei gehe es neben dem Gehalt, das sich durch neue Tarifabschlüsse schon deutlich verbessert habe, auch um die Rahmenbedingungen.

Die junge Generation lege „sehr viel mehr Wert auf Freizeit als in meiner Jugend“, sagte Schöpe. Als Unternehmer müsse man „Zugeständnisse machen und einen Betrieb auch mal am Sonntag zumachen“. Die Arbeitsstelle müsse kompatibel mit der Familienplanung sein, mahnt er an. Es gehe aber auch darum, potenziellen Bewerber:innen wieder stärker „die Vorteile des Berufes“ zu vermitteln. „Wir haben damit zu tun, Menschen glücklich zu machen, beschäftigen uns mit den schönen Dingen des Lebens – das ist für mich die schönste Arbeit“, sagt Schöpe.

Sternerestaurant "Kochzimmer" setzt schon länger auf Mitarbeiterpflege

Jemand, dem dieser Ansatz schon länger wichtig ist, ist Jörg Frankenhäuser, der Gastgeber im „Kochzimmer“, Potsdams einzigem Sterne-Restaurant. „Wir sind personell gut aufgestellt“, sagte er den PNN. Das Restaurant bildet aus, derzeit sei man auf der Suche nach einem Kochlehrling. Mit der Mitarbeiterpflege habe er schon vor rund zehn Jahren begonnen. So hat das Restaurant zum Beispiel nur vier Öffnungstage. Die Mitarbeitenden hätten also an drei Tagen abends frei und zwei komplett freie Tage, darunter den Sonntag, erklärt Frankenhäuser. Im August geht der Betrieb für drei Wochen in den Urlaub. Eine solche Erholungsphase sei wichtig für das Team.

Uwe Kellermann vom Babelsberger Kiezcafé Kellermann.
Uwe Kellermann vom Babelsberger Kiezcafé Kellermann.

© Andreas Klaer

Auch im Babelsberger Kiezcafé Kellermann ist man vergleichsweise entspannt. „Ich gehe mit viel Hoffnung in den Sommer und ein bisschen Bedenken in den Herbst“, sagte Inhaber Uwe Kellermann den PNN. Für das Café, das eher von Anwohnenden als Touristen besucht wird, sei der Sommer nicht ganz so wichtig. Beim Personal setze man – mit Ausnahme der Küche – vor allem auf ungelernte Kräfte. „Junge Leute, die vom Abitur kommen und ein bisschen Geld verdienen wollen.“ Den Wunsch nach freien Wochenenden versuche er mit gerechter Verteilung von Schichten entgegenzukommen, sagt der Chef. Probleme gebe es momentan vor allem wegen coronabedingter Ausfälle – dann steht der Chef auch selbst hinter der Theke.

Arbeitsagentur: Nicht die Arbeitskraft ist Bewerber, sondern der Betrieb

Tatsächlich zählen Hotellerie und Gastronomie zu den Branchen, die während der Pandemie überdurchschnittlich viele Arbeitskräfte verloren haben, wie Martina Martens, Sprecherin der Arbeitsagentur Potsdam, auf PNN-Anfrage mitteilte. Ende Juni waren in Potsdam in dem Bereich demnach 220 offene Stellen gemeldet, demgegenüber standen 316 Arbeitssuchende. Die Branche müsse an ihrem Image, einzelne Arbeitgeber an ihrem Ruf und den Rahmenbedingungen arbeiten, sagte die Sprecherin. In diese Richtung zielten auch die Beratungsgespräche beim Arbeitgeberservice. „Es braucht einen Perspektivwechsel: Nicht die Arbeitskraft ist der Bewerber, sondern das Unternehmen wirbt um den potenziellen Interessenten.“

Man unterstütze Arbeitgeber unter anderem beim Entwerfen von Stellenangeboten, die die Vorzüge des Arbeitsplatzes deutlich benennen – und nicht nur die Anforderungen an die Bewerber. Die Agentur rät dazu, Gehaltsangaben zu veröffentlichen und offensiv mit Arbeitszeitmodellen oder Vergünstigungen wie ÖPNV-Tickets umzugehen. Arbeitgeber sollten auch auf ihren Ruf achten. „Zwingend“ sollten scheidende Mitarbeiter nach den Gründen befragt werden, um daraus Konsequenzen ziehen zu können. „Es ist erstaunlich, wie viele Arbeitgeber eine hohe Fluktuation haben, aber nicht wissen, warum das so ist“, so die Agentursprecherin.

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