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Anstößig? Joanna Basekow und Kim Hagen (l.) betrachten die Hasen.

©  A. Klaer

Humboldt-Gymnasium in Potsdam: Die Geschichte der rammelnden Hasen auf den Fliesen

Schülerinnen des Potsdamer Humboldt-Gymnasiums wollten wissen, was es mit den kopulierenden Hasen auf den Fliesen im Schulgebäude auf sich hat. Einige Details konnten sie herausfinden, aber es gibt noch offene Fragen.

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Potsdam – Schon als Joanna Basekow das Humboldt-Gymnasium zum ersten Mal betrat, wunderte sie sich über die Hasen auf den Fliesen: Im Mutterhaus – von den Schülern und Lehrern oft nur „die Marie“ genannt – sind auf mehreren Säulen schimmernde Fliesen mit scheinbar kopulierenden Hasen angebracht. „Ich hab echt gedacht: Sehe ich das richtig?“, erinnert sich Joanna an den Tag ihres Eignungsgespräches.

Im vergangenen Schuljahr hatte die 15-Jährige dann die Möglichkeit, sich umfassend auf Spurensuche zu begeben. Im Gesellschaftswissenschaftskurs der neunten Klassen steht viel Projektarbeit auf dem Stundenplan. Joanna entschied sich, das Thema der kopulierenden Hasen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Rolle der Hasen bei der Erforschung der Epilepsie 

„Ich habe das auch ein wenig forciert“, sagt ihre Lehrerin Marion Seitz, die das Thema ebenfalls schon lange beschäftigt. Schon im August hatten die PNN über das Projekt berichtet. Mehrere Leser meldeten sich mit Tipps auf Facebook.

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Christian W. etwa mutmaßte, dass es sich um eine „kindgerechte Ausgestaltung des Gebäudes“ handelt - wurde es doch als Schule für geistig behinderte Kinder genutzt. „Die Interpretation als ’rammelnde’ Hasen kam mir auch erst im Laufe der Pubertät. Vorher sah ich darin einfach ein Kaninchen, welches auf dem Boden kauert und eines, das Ausschau hält“, schrieb der Leser weiter. Axel W. hatte folgenden Vorschlag: „Ich kann nur vermuten, dass es auf die Nutzung des Gebäudes als Epileptikerschule zurückzuführen ist. Bei der Erforschung der Epilepsie spielten auch Kaninchen eine Rolle.“ Anja D. ergänzte daraufhin, dass man im Rahmen dieser Forschungen ein rezessives Gen gefunden hat, das eine Prädisposition zur Epilepsie und Albinismus bewirkt. Dies könnte erklären, warum es weiße Albino-Kaninchen auf den Fliesen sind.

Die Fliesen stammen aus Velten

Nach dem Aufruf der PNN meldete sich das Denkmalamt der Stadt und teilte mit, dass die Fliesen vermutlich aus Velten (Landkreis Oberhavel) stammen – und zwar aus den 1922 gegründeten Oranienburger Werkstätten des Bildhauers Otto D. Douglas-Hill und des Gartenarchitekten Berthold Körting.

Warum die Fliesen Hasen zeigen und weshalb sie im Mutterhaus zahlreich angebracht sind – Joanna konnte das Rätsel bisher auch nicht lösen. Kürzlich präsentierte sie ihre bisherigen Ergebnisse in einem Referat den Mitschülern. Zunächst habe sie sich intensiver mit der Geschichte der Bildungseinrichtung beschäftigt. Auf dem Gelände sei 1868 zunächst das Wilhelmsstift errichtet worden, in den Jahren 1886, 1905 und 1911 kamen weitere soziale Einrichtungen hinzu. 1929 wurde ein Gebäude für Epilepsiekranke – das heutige Gymnasium – errichtet. Zu DDR-Zeiten war dort das Institut für Lehrerbildung untergebracht.

Gibt es gar keine Bauunterlagen?

Recherchen nach den originalen Bauplänen verliefen jedoch ins Leere. Die Schülerin hat das Stadtarchiv, das Bauamt und den Kommunalen Bau- und Immobilienservice angeschrieben – sie bekam von den zuständigen Ansprechpartnern zwar interessante Tipps zur Recherche, die Originalpläne jedoch scheinen verschollen. Am Ende des Schuljahres erhielt Joanna dann Unterstützung von ihrer Freundin Kim Hagen. Die ebenfalls 15-Jährige war mit ihrem Referat zur Terror-Organisation „Islamischer Staat“ (IS) schon fertig. „Vielleicht dienten die Fliesen nur dazu, dass die Kinder schmunzeln sollten – so wie wir es ja noch heute tun“, sagt Kim. Nun, da die zwei Freundinnen in der zehnten Klasse sind, hoffen sie, dass sich jüngere Schüler für die Fortführung des Projektes begeistern können. Lehrerin Seitz hofft außerdem, dass sich weitere PNN-Leser mit einem wertvollen Tipp melden – oder die Baupapiere auftauchen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gar keine Bauunterlagen gibt“, sagt sie.

Momentan sind die Hasen nicht für Besucher zugänglich – das Mutterhaus wird saniert. Am liebsten würde Seitz das Rätsel rechtzeitig zur Fertigstellung der Umbauarbeiten gelöst haben. Erst hatte sie vorgehabt, die Recherchen geheim zu halten: „Es sollte eine Überraschung für unsere Schulleiterin sein“, sagt sie. Dass die Suche nach einer Antwort sich als so schwierig erweisen würde, damit hatte sie aber nicht gerechnet. 

Anne-Kathrin Fischer

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