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Landeshauptstadt: „Die ist doch hübsch, die Ratte“

Präparator Blumenstein lässt Tiere des Gartens aufleben, aber nicht weglaufen

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Präparator Blumenstein lässt Tiere des Gartens aufleben, aber nicht weglaufen Von Hella Dittfeld „Sehen Sie mal, die ist doch hübsch“, sagt Christian Blumenstein, wegen der Sparzwänge inzwischen einziger Präparator des Naturkundemuseums, und stellt eine Ratte auf den Tisch. Die Äuglein glänzen, das Fell schimmert, rosa Pfötchen setzen zum Weglaufen an. Da es sich jedoch nur um ein lebensechtes Präparat handelt, kann man in Ruhe auch den Schwanz bewundern, der so gar nicht nackt ist, sondern mit feinen Borsten bedeckt. „Gute Präparate werben für die Ästhetik einer Tierart, schlechte untermauern allerdings Vorurteile“, behauptet Blumenstein. Sein Finger streicht zart über das Rattenfell. Ein schönes Tier. „Klar“, sagt er, „es gibt überall Ratten in der Stadt, aber eine Plage sind sie nicht. Sie gehören einfach zu unserem Umfeld.“ Und genau um dieses Umfeld geht es bei der Ausstellung „Tiere im Garten“, die am 18. März im Naturkundemuseum Breite Straße 13 eröffnet wird. Im Moment wird jedoch noch gewirbelt, um all die Tiergruppen und Biotope vorzubereiten. Von Anfang an war für den Präparator wie für seinen Helfer, Ausstellungstechniker Dieter Lehmann, Hochdruck angesagt, denn drei Monate Vorbereitung sind superkurz. Lehmann unterstützt als SAM-Kraft für ein Jahr die fünfköpfige festangestellte Museumsmannschaft, die nach der Wende um die Hälfte geschrumpft wurde, aber nun ein ganzes eigenes Haus zu betreuen hat. „Wir konnten die Ausstellungsvorbereitung in drei Monaten nur schaffen, weil wir viele Präparate vorrätig haben“, meint der Leiter des Naturkundemuseums Dr. Detlef Knuth. Doch alles lässt sich natürlich auch nicht aus den Schubladen ziehen, schon gar nicht, wenn ganze Erlebnisbereiche gezeigt werden sollen. Da flattern Elstern am Gezweig, Schnecken bohren sich in die Erde und ein Maulwurf guckt aus seinem Hügel ohne in die danebenliegende Falle zu tappen. „Unsere zusammen mit dem Naturschutzbund erarbeitet Ausstellung will zeigen, dass man mit den Tieren leben und nicht ständig mit ihnen im Clinch liegen soll“, meint Blumenstein. Es sei übrigens oft genau so aufwendig, Pflanzenpräparate herzustellen wie die der Tiere. „Wenn möglich sind die Pflanzen zwar echt, aber die Farbe ist auf alle Fälle Schwindel“, gesteht Blumenstein lachend ein. Echte Farben würden viel zu schnell ausblassen und so muss jedes Blütenköpfchen extra eingefärbt werden. Über 150 Tierarten in ihrer natürlichen Umgebung wird die Ausstellung zeigen und alles, was da kreucht und fleucht stammt aus dem Sammelbestand des Museums – bis auf ein Regenwurmmodell. Dieser Riesenregenwurm zeigt im Schnitt alle Innereien des Humuserzeugers. Er wurde vom Naturkundemuseum Berlin ausgeliehen, bereits vor 70 Jahren von Alfred Keller angefertigt und ist von einer solchen Qualität, dass es auch heute nichts Besseres gibt. Obwohl sich die technischen Möglichkeiten erheblich weiterentwickelt haben. Speziell auf dem Gebiet der Präparation. In Potsdam wird zum Beispiel seit 25 Jahren an einer Plastinationstechnik gearbeitet, die sich mit der Gunther von Hagens vergleichen lässt. Bei dieser Kunststofftränkungsmethode ist man sogar bundesweit führend und Blumenstein ein Meister seines Fachs. Davon zeugen unter anderem auch die Preisschleifen, die wie Sporttrophäen an eine Leiste gepinnt sind. Nicht nur in der Potsdamer Ausstellungen erregt das natürliche Erscheinungsbild der Tiere immer wieder Aufmerksamkeit, auch im Ausland wird Blumensteins Arbeit geschätzt. Gerade holte er wieder für sechs Präparate bei einem Europawettbewerb der Präparatoren in Bern drei erste Preise, zwei zweite und einen dritten. Bei solchen Ausscheiden wird von der Haltung bis zum Haarstrich oder Federkleid jedes einzelne Detail bewertet. „Wenn etwas kritisiert wird, kann man daraus nur lernen“, meint der Potsdamer. Und auch von ihm wird gelernt. Schon des öfteren hat er Vorträge über das Kunststofftränkungsverfahren gehalten. „Könner haben keine Scheu, ihre Arbeitsmethoden zu erläutern“, meint er. Er habe auch von anderen immer wieder lernen können. Und das ist die Potsdamer Methode: Bei kleineren Wirbeltieren werden lediglich die Innereien entfernt und die Augen ersetzt. Alles übrige wird in eine Hartwachslösung gelegt und so das Körperwasser gegen Wachs ausgetauscht. Bei Vögeln und großen Tieren muss der Balg abgezogen werden, ehe er in die Lösung kommt. Der Originalkörper wird bei ihnen durch einen aus Kunststoff ersetzt. Damit die Tiere eine natürliche Haltung bekommen, werden sie in freier Wildbahn belauscht. Blumenstein tut das als Tierfotograf und Hobby-Tiervater. So zog er zum Beispiel zwei Steinmarder auf, die - darauf schwört er – im eigenen Revier weder auf Hühnerraub gehen, noch Kabel zerbeißen. Und in einem Käfig in Blumensteins Werkstatt tummeln sich Zwergmäuse. Angst vorzeitig zu Präparaten zu werden, braucht kein Tier zu haben. Plastiniert werden nur die natürlich Verstorbenen.

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