Landeshauptstadt: Die klassische Tagestour
Von der Länge her waren sie dann doch ganz unproblematisch, die 39 Kilometer der „Tour nach Groß Glienicke“. Entlang der Strecke bietet sich im Hochsommer auch ausreichend Gelegenheit für einen Sprung ins kühlende Nass
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Von der Länge her waren sie dann doch ganz unproblematisch, die 39 Kilometer der „Tour nach Groß Glienicke“. Entlang der Strecke bietet sich im Hochsommer auch ausreichend Gelegenheit für einen Sprung ins kühlende Nass Die Frage, ob denn eine Distanz von knapp vierzig Kilometern den durchschnittlich veranlagten Freizeitradler nicht doch überfordert, brauchte am Ende der dritten und mit Abstand längsten Radtour der PNN-Leseraktion „Potsdam erleben“ nicht ernsthaft gestellt zu werden. Schon gar nicht im Zusammenhang mit Walter Ruge. Das Konditionswunder aus der Waldstadt wurde vor knapp zwei Wochen 90 Jahre alt. Wo andere bei einem Anstieg absteigen, haut er sich beizeiten den richtigen Gang rein und tritt sitzend durch. Ihn im Angesicht seines fahrlichen Vermögens einen Altmeister oder gar Methusalem nennen zu wollen, käme einer Despektierlichkeit gleich. Schon bei einer Rast in Groß Glienicke monierte Ruge scherzhaft zu lange Pausen und verschlepptes Tempo. Im Ziel am Krongut Bornstedt ließ er sich nur drei Minuten aufhalten, ehe er in forschem Tempo Richtung Heimat radelte. Gestern durchfuhr er wieder einmal seine „Protokollstrecke“ nach Blankensee, wo unterwegs einige Anwohner ihn schon am Gartenzaun stehend erwarten und sich wundern, wenn er auch nur eine Viertelstunde Zeitverzug hat. Verspätungen waren bei der Tour am Sonnabend aus verschiedenen Gründen einzuplanen. Vor Beginn gab es Launiges von Kurt Tucholsky mit auf den Weg. Später im Schloss Sacrow sprengte die noch bis zum 25. September immer sonnabends und sonntags zwischen 12 und 18 Uhr zu besichtigende Ausstellung „Mythos der Stoffe“ über das Leben der im Ostteil Panamas beheimateten Kuna-Indianer den Zeitplan. Allein schon die in zeitaufwendiger Handarbeit erstellten farbintensiven Kleidungsstück-Bestandteile lohnten das Reinschauen. Nach Passieren des Ostufers des Sacrower Sees war das Tagesziel erreicht. Volkes Wille war es, dass Groß Glienicke seit dem 26. Oktober 2003 in den Verwaltungsbereich der Landeshauptstadt eingegliedert wurde. 81,8 Prozent der Stimmberechtigten unter den heute rund 3500 Einwohnern wollten Potsdamer werden. Heute beginnt die Stadt nördlicherseits am Gutstor, welches dem Wendepunkt der „Tour nach Groß Glienicke“ gleichkommt. Die mitfahrende Ortsbürgermeisterin Doris Maria Langenhoff (SPD) ist sichtlich stolz, wenn sie über das Leben im einstigen Grenzort spricht. Groß Glienicke ist nach wie vor Zuzugsgebiet. Seit dem Mauerfall hat sich die Einwohnerzahl verdoppelt. Wer heute dort seinen Wohnsitz nimmt, hat zumeist Geld. Und verfolgt mitunter ganz private Intentionen , wie im Bereich des einstigen Postenwegs erfahrbar wurde. Ähnlich dem Konflikt um den Uferweg am Griebnitzsee gibt es auch hier, was den öffentlichen Zugang betrifft, unterschiedliche Interessen. Es sei nicht leicht, diese mit denen der seit Jahrzehnten in Groß Glienicke ansässigen Bewohner korrespondieren zu lassen, sagt die Ortsbürgermeisterin. Dass die seit Jahresbeginn im Amt befindliche Doris Maria Langenhoff in ihrem Beruf aufgeht, glaubt man unbesehen. Viele Geschichten hat sie sich erzählen lassen, seit sie aus Berlin-Neukölln mit Familie herzog. Das Absurde an der innerdeutschen Teilung, die einst schon eine ganz banale Reise mit dem Linienbus Potsdam-Falkensee anschaulich machte, wird ihr immer fremd bleiben. Der Bus hielt stets ganz kurz an der Seepromenade. Durch die nur mit Passierschein zu erreichenden Häuser hatte man von der Straße aus beste Sicht auf Kladow. Der am Ufer befindliche Mauerstreifen war nicht einsehbar. In Erinnerung blieb eine Suggestion. Sie stimmte bis 1989 betrüblich. Die heute im Groß Glienicker See planschenden Kinder brauchen sich darum nicht mehr zu scheren. „Es ist bei uns gut so, wie es ist“, merkte die Bürgermeisterin an, ehe sie sich entlang der Potsdamer Chaussee auf den Heimweg begab. Alles in allem hatte die begeisterte Radfahrerin am Ende inklusive An- und Abreise knapp siebzig Kilometer in den Beinen. Was es rund um die Tour zu beachten gibt, ist schnell erzählt. Obacht ist auf insgesamt drei lang gezogenen und recht steilen Abfahrten geboten. Im Königswald und entlang des Sacrower Sees sind die Wege bei häufigem Gegenverkehr doch recht eng. Im Gegenzug bieten gerade diese Passagen der Tour im Hochsommer angenehmen Schatten. Sich Zeit nehmen, auch mal für einen Sprung ins Wasser – ein anderes Motto kann es für diese klassische Tagestour nicht geben.
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