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Landeshauptstadt: Die Landflucht der Filmemacher

Immer mehr Produktionen entdecken märkische Orte abseits von Potsdam und Berlin als Kulisse

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Netzow, Kirchmöser, Neuruppin. Märkische Orte, bei denen nicht sofort an die Glitzerwelt des Kinofilms gedacht wird. Und doch: Deutsche und internationale Filmemacher zieht es immer öfter aufs Land – genauer in die brandenburgischen Dörfer und Kleinstädte. „Golden Globe“-Gewinner Michael Haneke fand im uckermärkischen Netzow „sein“ Dorf Eichwalde für den mehrfach preisgekrönten Film „Das weisse Band“. Regisseur Christian Petzold – seit jeher ein erklärter Fan brandenburgischer Landschaften – verfilmte im vergangenen Jahr mit dem deutschen Kinostar Nina Hoss sein Drama „Barbara“ in Kirchmöser. Und auch der Babelsberger Filmemacher Peter Hartwig zeigt Lokalpatriotismus und nutzt unter anderem als Produktionsleiter von Regisseur Andreas Dresen gern märkische Orte als Kulisse.

Die „Landflucht“ der Filmemacher wird unterstützt – unter anderem von Christiane Raab, Leiterin der Film Commission beim Medienboard Berlin-Brandenburg. Dort wird unter anderem die Motiv-Datenbank für das gesamte Bundesland geführt. Mehr als 1300 mögliche Original-Schauplätze in Berlin und Brandenburg sind aufgelistet. „Wir wollen sowohl die Behörden als auch die Filmbranche sensibilisieren für neue Drehorte und unkomplizierte Drehgenehmigungen“, beschreibt Raab ihre Aufgabe.

Auf beiden Seiten gab es in der Vergangenheit Überzeugungsarbeit zu leisten: Bei Filmleuten wurde es „schwer, wenn Drehorte weiter als eine Autostunde von Berlin entfernt waren“, weiß Raab. Dann wurden Logistik- und Unterbringungsaufwand – gerade bei mehrtägigen Drehs – schnell zur Schwierigkeit. Auch der Produzent von „Barbara“, Florian Koerner von Gustorf, wusste zu berichten, dass die Hotelbuchung für den Drehstab in Kirchmöser und Umgebung etwas „problematisch“ gewesen war. Behörden hingegen taten sich in der Vergangenheit schwer mit Genehmigungen, waren vom Aufwand bei Produktionen überrascht.

Doch beide Seiten scheinen sich zu öffnen – Filmemacher mögen märkische Kulissen, Behörden mögen Filmemacher. Denn diese Produktionen sind nicht zuletzt ein Wirtschaftsfaktor vor Ort. Hotels müssen gebucht, die Verpflegung sichergestellt werden, Handwerksfirmen erhalten mitunter Aufträge für die Absicherung des Drehs. Eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Größe bei über 300 Produktionen, die 2010 und 2011 Originalorte in Berlin und Brandenburg als Kulissen nutzten.

Christiane Raab wird dabei nicht müde, echte Alleinstellungsmerkmale Brandenburgs anzupreisen: typische und originale Marktplätze in Doberlug- Kirchhain oder Finsterwalde und den malerischen Schlossgarten in Wiesenburg nennt sie als Beispiele. Selbst für Brandenburg eher untypische Orte wie die im Fachwerkstil gebaute Springbachmühle bei Bad Belzig oder die ehemalige Bergbausiedlung in Annahütte – in der Architektur nordenglischer Arbeiterstädte – sind attraktiv. Denn ein Film „Made in Brandenburg“ muss keineswegs in der Mark spielen. So verwandelte Regisseurin Hermine Huntgeburth das Städtchen Neuruppin ins amerikanische St. Petersburg im 19. Jahrhundert und drehte dort im vergangenen Jahr den Familienfilm „Tom Sawyer“. Nicht nur Huntgeburth lobt die Wandlungsmöglichkeiten in Brandenburg, der Ort habe ihre Fantasie sofort beflügelt. Auch Produzent Boris Schönfelder sprach bereits mehrfach über „beeindruckende Regionen“.

Doch jene beeindruckenden Regionen machen nicht nur aus Sicht von Wirtschaftsexperten noch zu wenig aus dem „Publikumsmagnet Film“. Andere sind da wesentlich weiter: Die bayrische Region Walchensee wirbt mit „Wickie und die starken Männer“, hat die gebaute Kulisse gesichert, um Wikinger-Atmosphäre am Drehort weiterleben zu lassen. Görlitz, unter anderem Kulisse in der oscarprämierten Babelsberg-Produktion „Der Vorleser“ bietet Stadtführungen zu Film-Orten. Auch die Filmförder-Chefin des Medienboards Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, empfiehlt eine touristische Nutzung der Filmaktivitäten. Schließlich seien weltweit erfolgreiche Filme wie „Inglourious Basterds“ oder das „Weisse Band“ auch Werbung für Brandenburg, so Niehuus. Kay Grimmer

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