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Telefonzellen in Potsdam: Die letzten ihrer Art

Der öffentliche Fernsprecher ist aus der Mode gekommen: In Potsdam werden derzeit Telefonzellen abgerissen. Bald gibt es nur noch 25 öffentliche Telefone und sogar nur noch vier Telefonhäuschen

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Grau-weiße Wände, magenta-farbenes Dach und – leider – zerbrochene Scheiben: An der Ecke Dortustraße/Charlottenstraße steht eine der letzten Telefonzellen Potsdams. Sie ist in einem Zustand, den man von vielen anderen Häuschen kennt: Die obere Vorderscheibe der Tür ist eingeschlagen, Rück- und Seitenwände zieren Plakate und Sticker. Oberhalb des Telefonhörers hängt ein roter, achteckiger Aufkleber mit der Aufschrift: „Schützt dieses Telefon! Es kann Leben retten. Auch deines.“

Aber nicht mehr lange. Denn in Potsdam wird es bald nur noch vier Telefonzellen mit Dach und Tür geben – und insgesamt nur noch 25 öffentliche Telefone. So wird es der Zelle an der Ecke Dortu- und Charlottenstraße bald so ergehen, wie am gestrigen Dienstag der Zelle am Platz der Einheit gegenüber der Post: Sie wird ersatzlos abgerissen.

Es bestehe schlicht kein Bedarf mehr im Zeitalter des Mobiltelefons, heißt es bei der Telekom. „Statistisch gesehen hat jeder Deutsche mindestens ein Handy“, sagt Unternehmenssprecher Georg von Wagner. „Die Notwendigkeit für öffentliche Telefonzellen nimmt dementsprechend ab.“ Die Telekom betreibt bundesweit noch rund 50 000 Telefonzellen, doch vielerorts werden sie wegen Nicht-Rentabilität abgebaut – auch in Potsdam: Mitte Mai 2013 hatte die Stadtverwaltung dem Wunsch der Telekom zugestimmt, die Anzahl der Telefonzellen in der Landeshauptstadt von 35 auf 25 zu reduzieren, betroffen sind unter anderem Apparate in der Friedrich-Ebert-Straße, am Bassinplatz oder in der Galilei-Straße.

Als nicht-rentabel gilt laut Telekom eine Telefonzelle mit weniger als 50 Euro Umsatz pro Monat. Der Abbau ist derzeit im Gange. Danach wird es in Potsdam nur noch vier öffentliche Telefone geben, die sich in einem richtigen Häuschen befinden, unter anderem am Platz der Einheit oder am Johannes-Kepler-Platz. Bei den restlichen „Telefonzellen“ handelt es sich bereits um offene „Telestationen“.

Damit droht den öffentlichen Fernsprechern in Potsdam nach mehr als 80 Jahren das schleichende Aus: Potsdams erste Telefonzelle wurde am 19. August 1932 neben dem Postamt am Luisenplatz aufgestellt. Ein Ortsgespräch kostete 10 Pfennig pro Minute, heute sind es 23 Cent. „Bereits 1911 hatte die Firma Töller dem Potsdamer Magistrat die Einrichtung von 5 Telefonzellen angeboten“, sagt Klaus Arlt von der Deutschen Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte e.V. „Doch Potsdam lehnte ab – die technischen Voraussetzungen und der Bedarf waren offenbar noch nicht gegeben.“

Gut hundert Jahre später ist der Bedarf ebenfalls niedrig: Viele der alten Telefonhäuschen wurden mittlerweile durch günstigere Telestationen ersetzt. Zwei davon stehen neben dem Haupteingang des Potsdamer Hauptbahnhofs – offene Säulen, deren rudimentäre Glaswände zumindest den früheren Zellencharakter andeuten und noch etwas Schutz und Privatsphäre bieten. Beide stehen nur wenige Meter von einer Taxi-Station entfernt, von der aus Taxifahrer die Telefone oft im Blick haben: „Es rufen schon ein paar Leute von den Säulen aus an, aber insgesamt recht selten“, sagt einer der Fahrer: „Meist sind es eher Ausländer, die vielleicht kein Handy haben.“

Fast alle Telefonzellen werden von der Telekom betrieben, doch daneben gibt es in Potsdam noch acht „Bluespot-Terminals“ der Wall AG, etwa vor dem Rathaus und an der Tram-Haltestelle auf der Humboldtbrücke: An ihnen kann man nicht nur eine Minute kostenfrei telefonieren, sondern auch im Internet surfen. Diesen Service bietet die Telekom immerhin an einer ihrer Telefonstationen in Potsdam: In der Jägerstraße 27 lassen sich dank der mit Webcam ausgestatteten „Multimediastation“ sogar Video-Telefonate führen. Wer will, kann dies übrigens auch mit D-Mark-Münzen tun: „Die D-Mark wird weiterhin von all unseren Münz-Telefonen akzeptiert“, sagt Georg von Wagner, entsprechend der Umrechung müssen allerdings mehr D-Mark-Münzen eingeworfen werden als Euro.

Zu den Telefonzellen, die bald abgebaut werden, zählt jene hinter dem Potsdamer Hauptbahnhof neben der Bushaltestelle „S-Hauptbahnhof Nord“: Bis auf den Telefonapparat und den massiven Münzkasten gibt es nicht viel zu sehen: Am Boden liegen zwei leere Zigarettenschachteln, Löcher in der Wand weisen auf frühere Halterungen für Telefonbücher hin. Die dicken Nachschlagewerke findet man heute nur noch selten in Telefonhäuschen, doch manchmal legt sie auch ein Anwohner aus Eigeninitiative dort hin. So wie in der Telefonzelle gegenüber dem Rathaus Potsdam, die demnächst ebenfalls außer Betrieb geht: Über der Halterung für den Hörer liegt dort ein Telefonbuch von 2012. „Don’t steal“ – Nicht stehlen – hat jemand groß mit Filzstift auf den Einband geschrieben.

Der Eindruck, dass Telefonzellen heutzutage kaum noch verwendet werden, ist nicht ganz richtig: „Es gibt immer noch Orte mit einer hohen Nutzung, etwa Flughäfen oder Bahnhöfe“, sagt Georg von Wagner. Sogar zum SMS-Schreiben werden öffentliche Telefone recht häufig genutzt – laut Telekom wurden im Jahr 2010 3,5 Millionen Kurznachrichten über öffentliche Stationen versandt. Und trotz aller schmucklosen Telefonsäulen, auch die abschließbare Telefonzelle wird wohl nie ganz ausgedient haben: Immerhin benutzen sogar Besitzer von Mobiltelefonen die Häuschen hin und wieder ganz gerne – um ein ungestörtes Handy-Gespräch zu führen.

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