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Landeshauptstadt: Die Mädels vom Jahrgang 37/38

1952 verließen sie die Dortuschule, doch der Kontakt blieb: Gestern wurde gemeinsam 70. Geburtstag gefeiert

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1944 sind sie eingeschult worden, eine reine Mädchenklasse, 32 an der Zahl. Die meisten sind in diesem Jahr 70 geworden. Bis auf ein paar „junge Hüpfer“ erklärt Gisela Nommensen, selbst noch einer und der Motor der „Rentnergang“, die sich all die Jahre nicht aus den Augen verloren hat. Es sind Wissen und Erfahrung einer ganzen Frauengeneration, die da zu munterem Stimmengewirr anschwellen. Die Laune ist prächtig und zu erzählen gibt es jede Menge. Gestern feierten 23 der einstigen Dortuschul-Absolventinnen all die runden Geburtstage mit einem Essen im Stammlokal „Akropolis“.

Dort sind die Frauen gute Bekannte, denn die Potsdamerinnen treffen sich regelmäßig einmal im Quartal, zu besonderen Anlässen aber kommen auch die anderen von weiter her: aus Hannover, Nienburg, Kiel oder Dresden. Und die Berliner gehören sowieso dazu.

Von Berlin-Lichterfelde ist Bärbel Mohr angereist, deren Hobby das Herstellen witziger Hüte ist. Zur Geburtstagsfeier hat sie 15 Kreationen mitgebracht und führt sie alle mit Schal oder Handschuhen komplettiert selbst vor. Dabei hat sie kein Problem sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Das Modell „Drei alte Schachteln“ bezieht sie als eine alte Schachtel locker mit ein. Aber an Humor mangelt es offenbar keiner der taffen Damen. Bärbel Mohr zeigt ihre Hüte in Altersheimen, bei Hochzeiten und Geburtstagen und im Kulturverein Lichtenberg immer wieder als Ausstellung. Natürlich hilft sie auch mit, wenn es bei den Freundinnen zum Beispiel zum Fasching ans Verkleiden geht. Als Fachberaterin in einem Berliner Warenhaus hatte sie eigentlich mit Beleuchtungskörpern zu tun. Den Zuschauerinnen ging deshalb bei der fröhlichen Hutmodenschau so manches Licht auf.

Ursula Bierfreund, die Herren- und Damenschneiderin lernte, kann das Nähe immer noch nicht lassen und macht für die Klassenkameradinnen des öfteren „ein paar Stiche“. Auch Bärbel Koch kennt keine Ruhe. Im Sportverein der Post lange Jahre aktiv, wandert sie noch heute und leitet zwei Gruppen. In der Spaziergängergruppe sind die Ältesten über 80 Jahre. Da ist auch sie noch ein junger Hüpfer. Ursula Wolf dagegen hat ihr Schlagzeug verschenkt. 25 Jahre gab sie bei den „Kolibris“ den Takt an und sang auch. 25 Jahre lang war sie mit der Truppe, zu der auch ihr Mann gehörte, unterwegs. „Die Jungen sollen jetzt ihre eigene Musik machen“, sagt sie. Aber beim Singen in der Gruppe ist sie denn doch noch dabei.

Nach der achten Klasse haben damals all die Mädchen einen Beruf erlernt, wurden Friseuse, Schneiderin, Bankkauffrau oder Köchin. Nur wenige gingen weiter bis zur zehnten Klasse und eine einzige machte das Abitur. Die Zeiten waren nicht eben rosig und bei vielen war Geldverdienen dringend geboten. Trotzdem war es eine Zeit des Neuanfangs und der Freude darüber, dass der Krieg vorbei war. Die Erinnerungen daran sind jedoch auch heute noch nicht verblasst. Gisela Nommensen wurde am 14. April 1945 mit der Familie im Keller verschüttet und als man sie endlich dort freigeschaufelt hatte, brannte die Altstadt ringsum lichterloh. Ihr Wohnhaus stand nicht mehr.

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