Sport: Die Mutsprünge im Leben
Der Potsdamer Langstreckentrainer Curt Eins feiert am Montag seinen 80. Geburtstag
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Der Begründer der Potsdamer Laufschule Curt Eins verbesserte das Intervalltraining Zatopeks und führte damit zahlreiche namhafte Läufer zu internationalen Erfolgen. Am Montag feiert der Jubilar seinen 80. Geburtstag. Im Repertoire seiner Trainingsmittel gab es auch Mutsprünge in der Turnhalle, um die Zuversicht auf das eigene Könnens in ungewissen Wettkampfsituationen zu trainieren. Das Leben des gebürtigen Klein-Zerbsters liest sich wie das spannende Szenarium eines Fernseh-Vierteilers. Sport macht darin lediglich einen Teil aus. Bindeglied der einzelnen Teile ist die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Deren Zäsuren wiederum zerteilten das Leben des Wahlpotsdamers.
Im Spätsommer 1949 betritt ein abgemagerter junger Mann die Berliner Sektion des Magischen Zirkels von Deutschland. Als er die Sektion nach einer Stunde verlässt, ist er Mitglied im Klub der Profizauberer. Im Handumdrehen hatte er zur Verblüffung der Experten die Aufnahmeprüfung bestanden. Wer war dieser junge Mann, dieser Curt Eins aus der Ostzone? Der neue Magier war ein damaliger Polizeikommissar und hatte die ersten Mutproben seines jungen Lebens hinter sich.
Als 18jähriger Wehrmachtsoffizier verteidigte er Aachen vor den Amerikaner. Dem Gefangenenlager in Frankreich entflieht er und marschiert in zwei Nächten zu den Eltern nach Aken, wo des Vaters Wirtschaft „Zum Goldenen Anker“ schon Ami-Konjunktur hat. Selbst ernannte Widerstandskämpfer denunzieren ihn. Er wird den Russen übereignet.
1949 wird Eins aus seinem letzten sowjetischen Lager Krasnogorsk direkt nach Deutschland geflogen, um hier einen Polizeiapparat aufzubauen. „Umgepolte“ nannte man jene damals in der Umgangssprache. Zehn verschiedene Lager benötigten die Sowjets, um Oberleutnant Eins von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Um diesen Alltag auszuhalten, hatte Eins von einem Mitgefangenen Zaubertricks erlernt und sich mit Illusionen beschäftigt.
Bald kam auch das neue Glück, mit Namen Lieselotte – Curt heiratet seine Lissy 1951. Die Töchter Bettina und Annegret kommen 1952 und 1958 zur Welt. Aber nichts ist endgültig Anfang der 50er Jahre. Neider finden heraus, dass der KVP-Kommissar der Sohn einen Kneipenwirtes ist, also dem Kleinbürgertum entstammt. Mit der ganz großen Karriere wird es also nichts. Curt wird Ausbilder der Sportinstrukteure und zieht nach Potsdam, wo 1950 wird die VP-Schule Potsdam I gegründet wurde.
Als nach Zatopeks Erfolgen in der ganzen Welt das Langstreckenfieber ausbricht, bekommt Curt Eins den Befehl, Langstreckenläufer der Weltklasse zu entwickeln. 1956 starten seine Läufer Friedrich Janke und Lothar Beckert bei den Olympischen Spielen in Melbourne. Im Spätsommer 1960 ist die Eins-Fraktion in der Gemeinsamen Deutschen Mannschaft mit Trainer neun Mann stark. Die Potsdamer ASK-Läufer erlaufen sich von 1956 bis 1960 zahlreiche Deutsche Rekorde; in Rom gewinnt Hans Grodotzki zwei Silbermedaillen.
Fritz Janke holt sich seine Medaille, eine silberne 1962 bei der EM in Belgrad. Bernd Dießner schafft Bronze 1966 in Budapest. Danach wird es ruhiger im Potsdamer Langstreckenbereich. Mit den 800m-Läufern Erhard Schulze, Hans-Henning Ohlert und Gerhard Stolle führt Curt Eins seine letzten Athleten in die Weltspitze. Eine andere Trainingsmethode wird ihm vom Verband verordnet, die Dauerleistungsmethode. Damit kann er nichts anfangen. Als Curt Eins 1986 die Uniform auszieht, bekommt er ein Trainerangebot aus dem Kuwait, das er nicht annehmen darf.
Profizauberin Tochter Annegret und Geher Peter Frenkel können den damals 60-Jährigen überreden, sich endlich ganz der Zauberei zu widmen. „Curtelli“ tut es und bekommt gute Aufträge. Der Familie geht es gut. Dann kam Mitte der 90er die Krankheit. Curt Eins überwand sie und fand heraus, dass er seiner Lissy doch auch einmal Brasilien zeigen müsste, wo er 1959 mit Hans Grodotzki zum Silvesterlauf in Sao Paulo war. Mindestens zweimal im Jahr geht es nun hinaus in die Welt. In diesem Sommer brach sich Curt auf Rhodos den rechten Unterarm. „Das heilt aber“, lacht er. An seinem 80. Geburtstag hat er ein Lokal am Wildpark gebucht. Den Vormittag hat er für seine Sportler reserviert, bevor am späten Nachmittag die Familie kommt. All ihren Glückwünschen schließen sich die PNN an.
Hans Groschupp
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