zum Hauptinhalt
Schwalben finden immer weniger Nahrung in der Region.

© dpa

Schwalben in Potsdam: Die Nester bleiben leer

Der Mehlschwalben-Bestand in Potsdam ist um über 30 Prozent gesunken. Mit einem Schwalbenturm soll nun gegengesteuert werden.

Stand:

Potsdam - Wer in der Nähe von Bauernhöfen, Ställen und alten Häusern aufgewachsen ist, kennt sie gut: Schwalben und ihre kugeligen Nester unter Dachgiebeln und Fenstersimsen. Nicht wenige schauen den kleinen Vögeln immer wieder fasziniert dabei zu, wie sie in halsbrecherischen Flugmanövern elegant und blitzschnell auf der Jagd nach Insekten durch den Abendhimmel schwirren.

Leere Nester an der Ricarda-Huch-Straße

Es wird jedoch immer schwerer, Schwalben zu beobachten, denn die geschützten Tiere machen gerade schwere Zeiten durch: Insbesondere der Bestand der Mehlschwalben in Potsdam ist dieses Jahr um rund 30 bis 40 Prozent zurückgegangen. Diese Schätzung geht auf Beobachtungen von Manfred Pohl zurück, Mitglied des Potsdamer Kreisverbandes des Naturschutzbundes (Nabu) und Mitglied der örtlichen Fachgruppe Ornithologie: „Zum Beispiel gab es seit Jahren eine Mehlschwalben-Kolonie mit 10 bis 15 Nestern an der Statue am nördlichen Ende der Ricarda-Huch-Straße – die sind alle leer, ein Totalausfall.“ Ähnliche Verluste hat Pohl auch bei anderen Mehlschwalben-Nestern registriert.

Was die Ursache für diesen dramatischen Rückgang sein könnte, darüber kann Pohl nur spekulieren: Möglich sei, dass die Tiere von einer Kaltfront überrascht wurden, eine solche hatte 2008 auch die Bestände der Rauchschwalben reduziert. Auch der sehr trockene Sommer könnte Mitschuld haben: „Wenn es wenig regnet, finden die Schwalben keine Pfützen mit Lehm, um ihre Nester zu bauen.“

Durch hohen Pestizid-Einsatz finden Vögel immer weniger Futter

Ein anderer Grund sei der Mangel an Futter, sprich: Insekten. Durch das immer intensivere Sprühen von Pestiziden in der Landwirtschaft finden die Vögel logischerweise auch weniger Nahrung. „Das kann man bereits an der Windschutzscheibe seines Autos sehen“, sagt Pohl. „Früher musste man die Scheibe spätestens nach hundert Kilometern von toten Insekten säubern, heute fliegen kaum noch welche gegen die Scheibe.“

Zum Teil sind Schwalben aber auch schlicht unerwünscht: Bei vielen Hausbesitzern sind sie wegen des Kots, der Wände und Böden beschmutzt, unbeliebt und werden durch bauliche Maßnahmen am Nisten gehindert. Das ist problematisch, denn Schwalben sind sogenannte Kulturfolger, ihr natürlicher Lebensraum sind vom Menschen erbaute Gebäude. In Einzelfällen werden Nester sogar entfernt – was verboten ist, denn die Tiere stehen unter Schutz.

Schwalbenturm im Kirchsteigfeld geplant

Um dem Verschwinden der geschützten Tiere entgegenzuwirken, will der Nabu Potsdam demnächst einen Schwalbenturm im Kirchsteigfeld errichten: Auf einem sieben bis neun Meter langen Mast wird eine Art hölzernes Vogelhäuschen stehen, an dem sich bereits einige künstliche Schwalbennester befinden werden, um den Vögeln den Standort als Nistplatz „schmackhaft“ zu machen. Für bis zu 35 Nester ist auf einem solchen Schwalbenturm Platz, vier bis fünf Jungen befinden sich durchschnittlich in einem Nest. Stehen soll der Turm am Marktplatz an der Nelly Sachs-Straße, Baustart ist vermutlich im Herbst. Bislang hat Pohl nur positives Feedback erhalten: „Zwei Anwohner haben mir schon geschrieben und gefragt, wann es denn endlich losgeht.“ Einige Schwalbentürme gibt es bereits in Potsdam, zum Beispiel an der Nedlitzer Straße nahe dem SAP-Gelände.

Während die Mehlschwalben zu kämpfen haben, haben es die Rauchschwalben etwas besser: „Ihr Bestand ist in den vergangenen Jahren entweder gleich geblieben oder leicht gesunken“, sagt Pohl. Besonders gut beobachten kann man sie in der nördlichen Eingangshalle des Bahnhofs Griebnitzsee, wo unter der Decke rund 45 Nester hängen und die Schwalben zum Teil nur wenige Zentimeter an Passanten vorbeifliegen, um durch die Eingangstür ins Freie zu gelangen. In immerhin 16 der Nester gab es dieses Jahr Bruterfolge, so Pohl.

Andere Schwalben-Kolonien befinden sich in Potsdam unter anderem an der Ecke Kastanienallee zur Haeckelstraße oder an einem Haus zwischen Friedrich- Engels-Straße und Heinrich-Mann-Allee nahe dem Hauptbahnhof. Besonders groß war bis vor einigen Jahren noch die Mehlschwalben-Kolonie unter der Humboldtbrücke: Rund 100 Nester hatte der Nabu dort gezählt. Seit den Sanierungsarbeiten an der Brücke hat sich diese Zahl jedoch stark verringert: „An der Westseite habe ich dieses Jahr nur 15 Nester gezählt“, sagt Manfred Miethke vom Nabi, der die Schwalben in Potsdam seit Jahren beobachtet. „Früher war an der Brücke Rauputz, nach der Sanierung wurde alles glatt gemacht“, sagt Miethke. „Da können die Schwalben natürlich weniger gut Nester bauen.“

Nabu: Schwalben brauchen eine Lobby

Für den Nabu ist klar: Schwalben brauchen eine Lobby. Daher startete der Landesverband Brandenburg 2012 die Initiative „Schwalben willkommen!“: Hausbesitzer, die Schwalben an ihrem Heim nisten lassen oder sogar Nisthilfen bauen, werden mit einer Plakette ausgezeichnet, die die Häuser als besonders schwalbenfreundlich ausweisen. Der Nabu gibt zudem Tipps, wie man Nisthilfen, Kunstnester oder Kotbretter selber bauen kann. Über 500 Plaketten wurden in Brandenburg verteilt, in Potsdam sind es circa 50. Pohl ruft vor allem Potsdamer in ländlicheren Wohngebieten dazu auf, Schwalben ein Zuhause zu geben. Denn die Tiere machen sich nicht nur als Mücken-Fresser nützlich: „Ein Haus oder Stall, in dem Schwalben nisten, da schlägt der Blitz nicht ein, sagt der Volksmund!“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })