Landeshauptstadt: Die neue Macht der Kleinen
Sechs Mini-Parteien kommen auf elf Sitze im Stadtparlament
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Sechs Mini-Parteien kommen auf elf Sitze im Stadtparlament „Die Leute haben eine Sehnsucht nach Parteien, die sich für Inhalte einsetzen, die ihnen später auch ein Ergebnis vorweisen“, sagt Dieter Gohlke. Der 36-jährige Potsdamer hat mit seiner Familienpartei einen Überraschungserfolg bei den Kommunalwahlen in Potsdam gelandet. Aus dem Stand bekam seine Partei 4,6 Prozent der Wählerstimmen. Doch das ist kein Einzelfall. Denn Kleinen sind es, die mit dieser Wahl zu neuer Macht gekommen sind: 22,5 Prozent aller Stimmen vereinen Bündnis 90/Grüne (6,2), das BürgerBündnis (4,7), Die Andere (3,9), FDP (2,3), Familienpartei (4,6) und die Kommunale Wählergemeinschaft Neu Fahrland (0,8) auf sich und besetzen damit stolze elf Sitze in der künftigen Stadtverordnetenversammlung. Auch die DVU wird eine Abgeordnete stellen, die rechtsextreme Partei bekam 1,5 Prozent der Stimmen. Natürlich werden die meisten der Kleinen nur ihre „Kernfelder“ besetzen können. „Wir sind nicht in jedem Ausschuss vertreten“, sagt Dieter Gohlke. Vornehmlich um Kinder und Familien dreht sich das, was er und sein Parteikollege Andreas Berger bewegen wollen: Bei den Kita-Gebühren, die gerade erhöht wurde, wollen sie „einen Schritt zurück“. Künftig sollen alle Potsdamer, die Wohngeld bekommen, auch die Kitabetreuung kostenlos nutzen können. Konsequent will die Familienpartei gegen den Wiederaufbau des Stadtschlosses stimmen: „Wir brauchen alles mögliche dringender als das Schloss.“ Allein für das Gutachten für die Baufeldfreimachung am Alten Markt seien 400 000 D-Mark ausgegeben worden. „Da stimmt die Gewichtung nicht, die bisherigen Stadtverordneten haben kein soziales Gespür bewiesen.“ Bis wieder eine familienfreundliche Infrastruktur in Potsdam geschaffen sei, sollten „Prestigeprojekte“ wie Schloss und Kanal zurückgestellt werden – diese Meinung der Familienpartei kam beim Wähler offenbar an. Sich auf ein Koalitionskonstrukt festlegen will Gohlke nicht. „Wir wollen sachorientiert arbeiten, uns aber nicht bei den anderen anbiedern. Damit sind wir koalitionsfähig mit jedem – außer der DVU.“ Gerüchte, die Familienpartei habe einen „rechten Hintergrund“, wies Gohlke, der auch Landesvorsitzender ist, zurück. „Familienpartei klingt zwar konservativ, aber wir sind nicht hausbacken. Wir akzeptieren allein Erziehende und schwule oder lesbische Partnerschaften genauso als Familie.“ Den Wiedereinzug des BürgerBündnis in die Stadtverordnetenversammlung wertete Gisela Opitz als Zeichen dafür, dass „engagierte Bürger vor Ort anfassbare Politik machen“. Opitz verwies dabei unter anderem auf ihr Engagement für den Neuendorfer Anger in Babelsberg. Die SPD, so die Rentnerin, habe die Quittung für „verschiedene Enttäuschungen“ bekommen und für ihr „unsensibles Vorgehen“. Als Beispiele nannte sie die Abwicklung der Philharmonie und den Versuch, den Treffpunkt Freizeit zu schließen. Opitz hält es für möglich, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs für seine SPD mit der CDU und den kleineren Fraktionen Mehrheiten jenseits der PDS organisieren könnte. „Das ist zu schaffen.“ Nur müsse der Umgang mit den Kleinen anders sein als zu Zeiten von Oberbürgermeister Horst Gramlich. Gramlich regierte bis 1998, als die PDS schon einmal stärkste Kraft im Stadtparlament war. Opitz: „Der hatte keine glückliche Hand.“ Der alte und neue FDP-Stadtverordnete Gerhard Arndt zeigte sich hingegen gestern „ziemlich frustriert“ – insbesondere vom Abscheiden seiner Partei. „Zwei Sitze hätten es schon werden sollen“, sagte Arndt. Es sei aber nur bei dem einen Mandat geblieben – also ist Arndt wieder Einzelkämpfer. Er gehe davon aus, dass es in Potsdam zu einer rot-roten Koalition kommen werde. Dagegen mit wechselnden Mehrheiten zu operieren sei „aber genauso schlimm“. Dies habe in der Vergangenheit „nur zu Chaos geführt“. Arndt: „Ich wüsste im Moment nicht, wie die Stadt vernünftig regiert werden kann.“ Michael Erbach / Sabine Schicketanz
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