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Inside Islam. Constantin Schreiber (r.) moderiert für ARD-aktuell. Im vergangenen Jahr hat er sich in fast 20 Moscheen die Freitagspredigten angehört und mit Imamen und Gläubigen gesprochen. Daraus sind ein Buch und „der moscheereport“ entstanden, der am Montag um 21.15 Uhr auf tagesschau24 startet.

© ARD

Muslime in Potsdam: „Die Predigt war ein klarer Missionierungsaufruf“

Der Journalist Constantin Schreiber spricht im PNN-Interview über seine Recherche beim Potsdamer Freitagsgebet – und warum er sichtbar macht, was in Moscheen geschieht.

Herr Schreiber, Sie haben für Ihr Buch „Inside Islam“ und die ARD-Sendung „moscheereport“ 18 Freitagspredigten in Moscheen in Deutschland gehört. Wie ordnen Sie die Predigt, die Sie in Potsdam verfolgt haben, im Vergleich ein?

Die Predigten waren überraschend ähnlich. Ein roter Faden, der sich durchzog, war die Warnung vor dem Leben in Deutschland. Diesen Grundtenor hatte auch die Predigt in Potsdam. Sie stach für mich jedoch vor allem heraus, weil das Umfeld sehr ungewöhnlich war, die Gegensätze stark waren.

Die Potsdamer Muslime beten in der Veranstaltungshalle der Tropenwelt Biosphäre im Norden der Stadt ...

... weil die Räumlichkeiten der Moschee in der Innenstadt im Zuge der Flüchtlingskrise viel zu klein geworden sind und die Stadt entschieden hat, einen Teil der Biosphäre für die Gebete zur Verfügung zu stellen.

Was geschah vor Ort?

In dem Veranstaltungssaal sammelten sich mehrere Hundert Gläubige, unter Palmen, mit dem Blick auf die Wiesen draußen. Es war grau und regnete. Und dann legte der Prediger los. Er sprach syrisches Arabisch. Zusammengefasst war seine Predigt ein klarer Missionierungsaufruf – und das hat es nur in ganz wenigen Moscheen gegeben, die ich besucht habe. Er sagte sehr explizit: Das Beste ist es, wenn ihr dafür sorgt, dass Nichtmuslime zum Islam konvertieren und wenn ihr das schafft, dann wird euch das hoch angerechnet. Und er warnte, dass man sich nur mit rechtgläubigen Muslimen befreunden solle.

Missionierung und Abgrenzung waren in Potsdam besonders ausgeprägt Themen der Predigt?

Ja. In vielen der Predigten, die ich gehört habe, warnte der Prediger vor dem Leben draußen – manchmal war es etwas subtiler, manchmal etwas deutlicher als in Potsdam. Es gab auch Predigten, in denen ganz klar Hetze betrieben wurde, es gab antisemitische Ausfälle oder inakzeptable Agitation gegen Demokratie. Das war in Potsdam so explizit nicht der Fall. Aber diesen Missionierungsaufruf, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Stadt den Raum zur Verfügung stellt, man sich in dieser Freizeitumgebung befindet, nebenan die Familien in der Tropenhalle spielen sehen kann, fand ich bizarr.

Ist es richtig, dass die Stadt den Ort für das Gebet zur Verfügung stellt, dafür öffentliche Gelder ausgibt, rund 1500 Euro pro Freitagsgebet?

Ich bin Journalist, nicht Politiker. Die Diskussion darum müssen andere führen. Ich kann nur sagen, was mir auffällt, was mich erstaunt.

Sie wollen, dass man genauer hinschaut – was im Fall Potsdam auch heißen könnte, dass die Stadt unter Druck gerät, den Muslimen vielleicht künftig nicht mehr einen öffentlichen Raum zur Verfügung stellt.

Wir haben in Deutschland eine sehr feine Sensorik dafür, was man an öffentlichen Orten an Meinungsäußerungen verbreiten kann. Doch wer geht schon interessehalber einmal zu einem Freitagsgebet in eine Moschee oder würde verstehen, was dort gesprochen wird? Mich hat das interessiert – ergebnisoffen. Ich hatte nicht erwartet, dass ich in fast allen der besuchten Moscheen so problematische Inhalte höre. Dort werden Meinungen verbreitet, die woanders nicht tolerierbar wären oder zumindest eine große Diskussion erleben würden. Die findet aber nicht statt, weil sich das Geschehen in den Moscheen unserem Blick entzieht. Deswegen halte ich es für wichtig und richtig, dass wir Journalisten, wir als muslimische Mitbürger, wir als Öffentlichkeit, hingucken. Was daraus entsteht, ist Sache einer Debatte.

Was erwarten Sie von den Muslimen?

Es wird sicher eine Debatte um die Sprache der Predigten geben. Natürlich ist es mit der Religionsfreiheit nicht vereinbar, zu deutschen Predigten zu verpflichten. Wichtig ist, dass alle gemeinsam diskutieren und zu Ergebnissen kommen. Ich befürchte aber, dass gerade Interessenverbände die Initiative so nicht ergreifen werden.

Die erste Reaktion des Potsdamer Imams auf Ihr Buch war eine Zurückweisung der Einordnung der dokumentierten Predigt und die Einschätzung, das Buch versuche wohl, den Islam schlecht zu machen.

Mit so etwas habe ich gerechnet. Aber wenn man das Buch liest, stellt man fest: Es ist dokumentarisch und kein Gesinnungsaufsatz. Ich habe alle gehörten Predigten chronologisch in Gänze dokumentiert – um genau diesen Vorwurf zu entkräften. Der Anteil an Interpretation, an Resümee ist für ein solches Buch sehr zurückhaltend.

Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Buch auch jenen in die Hände spielt, die keine Integration wollen, dass die AfD Sie womöglich zum Kronzeugen macht für ihre Politik?

Es gab Islamwissenschaftler, die mir genau mit diesem Hinweis von der Buchpublikation abgeraten haben. Das mag ein gut gemeinter Hinweis sein, ich kann verstehen, welchem Gedanken er entspringt – aber auch in diese Richtung gilt: Das Buch ist kein Meinungsaufsatz. Es geht um Dinge, die stattfinden. Wenn ich das dokumentieren kann, können es auch andere. Mein Ziel ist es, die Debatte mit Respekt zu führen und nicht in hitziger Überspitzung. Ich habe auch nicht vor, einzelne Moscheen an den Pranger zu stellen. Mir geht es um eine allgemeine Debatte. Wir müssen darüber reden, welche Rolle diese Moscheen als zentrale Orte – die alle voll sind, wo sich alle treffen, ob jung, ob alt, ob Zuwanderer, Geschäftsmann oder Flüchtling – spielen, wenn es darum geht, dass man hier gemeinsam friedlich lebt.

Im Kontrast dazu steht, was die Veröffentlichung der Predigten in Ihrem Buch im Einzelnen bewirkt: In Potsdam soll der Innenausschuss des Landtages zum Thema beraten, in der Stadtpolitik gibt es erste Forderungen, die Biosphäre-Lösung für die Predigten zu überdenken.

Das überrascht mich nicht. Und dennoch kann es nicht richtig sein, in voller Kenntnis der Inhalte diese nicht zur Diskussion zu stellen.

Das Interview führte Sabine Schicketanz

ZUR PERSON: Constantin Schreiber, 37, ist Journalist bei ARD-aktuell. Er moderiert die Tagesschau, das Nachtmagazin und das NDR-Medienmagazin „Zapp“. Schreiber gilt als Islamexperte. Für seine n-tv-Sendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ bekam er den Grimme-Preis. 2015 veröffentlichte er als Herausgeber das Buch „1000 Peitschenhiebe: Weil ich sage, was ich denke“ mit den Texten des saudischen Bloggers Raif Badawi.Schreiber spricht fließend Arabisch. Er volontierte bei der Deutschen Welle und arbeitete unter anderem in Beirut und Dubai. Im Auswärtigen Amt war er drei Jahre Medienreferent. Schreiber lebt mit Familie in Berlin. 

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In einer Predigt im Dezember wurde allerdings zur Missionierung und Abgrenzung von Deutschen aufgerufen. Das sollte der Verein künftig glaubhaft unterbinden, meint PNN-Autor Henri Kramer.

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