Landeshauptstadt: Die Rückkehr der Küchenknechte
Seit Januar gibt es den Männer-Kochklub Man(n)nehme. Die Vereinsgründung wurde jetzt gebührend gefeiert
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In der Einladung steht: Die Köche erscheinen zu 19 Uhr, damit wir gegen 20 Uhr die Suppe servieren können. Das könnte tatsächlich klappen. „Am Anfang war das Timing ein Problem – wir haben uns oft verzettelt und dann bis spät in die Nacht gesessen, um die drei Gänge zu schaffen“, sagt Wolfgang Hansen. Der Ruheständler ist der Begründer des ersten und bisher wohl einzigen Männer-Kochklubs in Potsdam.
Vor drei Jahren kam er aus Hamburg nach Brandenburg und brachte aus seiner Heimatstadt diese Idee mit. Er fragte Freunde und Nachbarn und fand schnell Mittäter, Männer zwischen 28 und 82 Jahren, die gern kochen oder ihren Küchenhorizont erweitern wollen. Seit Anfang des Jahres wird nun einmal im Monat im „Vanille & Koriander“, einem Feinkost- und Küchenspezialisten, in lockerer Runde gekocht und gegessen. Männer für Männer. Vor wenigen Tagen wurde aus dem Klub ein ordentlich eingetragener Verein. Zur Feier des Tages treffen sie sich deshalb auswärts bei Potsdams Fischer Mario Weber. Natürlich gibt es Fisch.
Der frische Vereinsvorsitzende Hansen ist an diesem Abend Küchenchef, unterstützt von Fischer Weber. Und heißt die Gäste willkommen. „Ich bin Wolfgang. Wir duzen uns hier. Willste ein Bier?“
Um 19 Uhr haben die Männer die Küche auf dem Hof von Mario Weber schon in Beschlag genommen. Nicht alle rühren gleichzeitig in den Töpfen, manche sitzen auf der Terrasse am Havelufer. Blesshühner rufen einander, und irgendwann geht über diesem romantischen Fleck in der Großen Fischerstraße an Potsdams Stadtmauer der Mond auf.
19.40 Uhr, in der Küche riecht es äußerst lecker nach Bratkartoffeln. Pfannenweise werden sie knusprig gebraten und dann warm gestellt. Das dauert, sieht aber schon gut aus. „Wir kochen mittlerweile etwas schlichter, aber nicht schlechter“, sagt Klaus, mit 82 der Älteste in diesem Mehrgenerationenklub. Es geht an diesen Dienstagen, immer der zweite im Monat, längst nicht nur ums Kochen. Man redet über die große und kleine Politik und was eben so an Themen anfällt unter Männern. Nebenbei wird die Präsentation der neuen Apple-Produkte live auf einem Tablet verfolgt. Die Vereinsmitglieder und sporadischen Teilnehmer kommen aus allen Berufen, sind Unternehmer, Ingenieure, Juristen, Studenten. Zufriedene, ausgelastete Männer, die mal etwas Abwechslung brauchen, sagt Mathias. Küchenvorkenntnisse sind erwünscht, aber nicht zwingend erforderlich. Jeder macht, was er kann oder wozu ihn der jeweilige Chef vom Dienst eingeteilt hat.
Sehr unterschiedlich seien die Vorlieben, der eine mag es eher kompliziert, der andere einfacher. „Ich lerne hier immer etwas“, sagt Benjamin. Und zumindest einer, so heißt es, habe sich durch das Kochen im Klub mit neuem Selbstbewusstsein seinen Platz am heimischen Herd zurückerobert.
„Ich bin heute der Küchenknecht, Kartoffeln schälen und schnippeln und so“, sagt Klaus. Schnippeln tut meistens auch Udo aus Hessen, früher bei der Bundeswehr, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt – so wie Felix. Der ist für seine theoretischen Kochkenntnisse gefragt. An den Herd passen beide nicht. „Wir bräuchten einen höhenverstellbaren, aber die sind richtig teuer“, sagt Udo. Immerhin, ihre Stammküche im „Vanille & Koriander“ ist barrierefrei, für einen Laden in der Potsdamer Innenstadt ungewöhnlich.
Martin, der beruflich mit Umwelt- und Energieberatung zu tun hat, ist heute das erste Mal dabei. Unschwer zu erkennen an der improvisierten Schürze unter dem Sakko. Er darf schon an die Bratkartoffelpfanne. „Macht er doch gut“, sagt Benny. Nein, vergeigt habe hier noch keiner etwas, notfalls werde eben improvisiert. Es gab bereits vietnamesische und afghanische Küche, Ungarisches, Katalanisches. Das nächste mal sollen historische Gerichte nachgekocht werden.
Um 20.15 Uhr ist der Salat zerpflückt, das Joghurtdressing angerührt, und Fischer Weber bringt einen großen Topf Fischsuppe als ersten Gang. „Gibt kein Rezept“, sagt Weber kurz angebunden. „Frisches Gemüse, vernünftiger Fisch – fertig.“ Sie wird vorgekostet und freigegeben. „Liebe Köche, liebe Gäste, lasst’s euch schmecken, guten Appetit“, sagt Benjamin. Dann wird es ernst: 21.10 Uhr, Fischer Weber bringt das Tablett mit dem Tagesfang, Zander und Plötzen, Saiblinge aus einer Zucht. Die Männer wollen wissen, woran man die Frische erkennt. „Also wenn man daran riechen muss, ist es meist schon zu spät“, sagt Weber. Packt den Fisch, um ihn zu filetieren. Stellt ihn auf das Brett, legt das Messer an. „Immer schön an der Wirbelsäule entlang schneiden“, sagt er. Die Hobbyköche stehen aufgereiht vor ihm und schauen zu, wie schnell das geht. Dann werden zuerst die kleinen Zanderbäckchen durch die heiße Pfanne gejagt, kaum eine Minute lang, anschließend die Filets.
Es ist schon längst dunkel, da werden die Teller befüllt, der Fisch bekommt Dijon-Senfsoße. Besteck wird verteilt, geht von Hand zu Hand. Jemand zündet die Kerzen an. Dann Schweigen und Schwelgen. Der Fischer, der letzte in einer Stadt, die fast komplett von Wasser umgeben ist, erzählt dann doch noch Geschichten. Dass der letzte Wels, den er in der Havel gefangen hat, 1,60 Meter lang war, und dass viele Restaurants mittlerweile doch lieber bei Nordsee bestellen. „Aber das ist doch kein frischer Fisch“, sagt er resigniert.
Irgendwann demnächst, vielleicht um Weihnachten herum, wollen sie mal für ihre Frauen kochen. Bis dahin bleiben sie streng unter sich – weibliche Gäste sind nur nach Vorstandsbeschluss zugelassen, betont der Vorsitzende. Neue Männer indes jederzeit willkommen.
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