
© Andreas Klaer
Potsdams Baumeister: Die "Stadt der Kinder" hat begonnen
Über 130 Teilnehmer bei der "Stadt der Kinder" werden eine Woche lang an eigenen Häusern sägen und hämmern. Es sind auch noch Plätze frei.
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Auf den ersten Blick sieht es aus wie der Einlass für ein Festival: Eine lange Schlange aus Kindern und Eltern steht vor dem Tisch für die Anmeldung, Bändchen werden verteilt, Namensschilder gedruckt, der Bauzaun zum Gelände am Nuthewäldchen ist noch zu. 134 Kinder stehen bereits vor dem Eingang und wollen, dass es endlich losgeht. Dahinter wird vom 25. Juli bis zum vierten August die „Stadt der Kinder“ entstehen und von seinen Erbauern bewohnt werden.
„Wir wollen rein! Wir wollen rein!“, skandiert die Menge, bis sich die Tore schließlich öffnen und die angehenden Stadtgründer mit dem „Stadt der Kinder“-Song begrüßt werden. Empfangen werden sie von rund 70 Helferinnen und Helfern in roten T-Shirts, darunter Sozialpädagogen, Studierende, Azubis und Nachbarn. „Viele haben sich extra dafür Urlaub genommen“, sagt Katrin Binschus-Wiedemann, eine der drei Projektleiterinnen.
Dabei werden die nächsten zwei Wochen definitiv kein Urlaub werden, denn die Kinder werden selbstständig unter Anleitung mit Hammer, Bohrer und Säge Häuser bauen und diese in der zweiten Woche tagsüber auch bewohnen. „Das ist kein Spielzeug, das wir den Kindern hier geben“, betont Binschus-Wiedemann. „Wir wollen die Kinder schließlich ernst nehmen und sie nicht nur drei Schnitte an der Laubsäge machen lassen, und den Rest machen dann die Erwachsenen fertig.“ Klar gebe es dabei auch den ein oder anderen blauen Fleck, so Binschus-Wiedemann, aber ernsthaftere Unfälle habe es in den vergangenen zehn Jahren, seitdem es die Stadt der Kinder gibt, nie gegeben.
Noch ist auf dem Gelände nichts zu sehen außer dem Waldboden, doch ein Laster mit Bauholz, das nachher gemeinsam entladen wird, steht schon bereit. Als Fundamente dienen Euro-Paletten, maximal zwei Stockwerke oder ein Stockwerk plus Dachterrasse darf ein Haus haben. „Aber als erstes müssen wir wissen, was wir in der Stadt alles haben wollen?“, fragt Helfer Uwe Rühling die Kinder. „Eine Ritterburg!“, „Kino!“, „Hotel!“, „Ein Tempel!“, „Fußballstadion!“, „Radio!“, „Ein Tattoo-Studio!“, „Ein Museum!“, „Eine Beach-Bar!“ kommen die Rufe von allen Seiten.
Rund 30 Prozent der Kinder kommen aus dem Schlaatz
Gesagt, getan: Die Vorschläge werden auf große Zettel geschrieben und jeder geht zu der Baugruppe, die ihn am meisten interessiert, danach geht es ans Pläne zeichnen und Plätze aussuchen. In der zweiten Woche werden die Häuser dann gemäß ihrer Funktion bespielt: Das Radio sendet Musik, in der Beach-Bar kann man etwas trinken, im Stadion Fußball spielen, im Kino Filme schauen. In den vergangenen Jahren gab es unter anderem auch Polizeistationen, Streichelzoos, Kioske oder Blumenläden. „Wir machen nur ganz wenig Vorgaben“, sagt Binschus-Wiedemann. „Wenn die Kinder eine Zeitung in Pink machen wollen, dann wird das eben so gemacht.“
Rund 30 Prozent der Kinder kommen aus dem Schlaatz, der Rest aus den anderen Stadtteilen und dem Umland, zum Teil sogar aus Michendorf oder Rehbrücke. Das Projekt ist für die Teilnehmer kostenlos und wird von der Landeshauptstadt, der Pro Potsdam und vielen privaten Spendern unterstützt. Getragen wird das Ganze von einem Aktionsbündnis aus über einem Dutzend verschiedener Einrichtungen, darunter dem Bürgerhaus am Schlaatz, dem Familienzentrum am Schlaatz, dem Kirchenkreis Potsdam, dem Projekthaus Babelsberg, dem Friedrich-Reinsch-Haus oder dem Verein Soziale Stadt Potsdam.
Viel Unterstützung also, und auch bei den Nachbarn kommt das Projekt gut an: Obwohl das Nuthewäldchen nahe an einem Wohnblock liegt und eine Woche lang gesägt und gehämmert wird, gab es in den vergangenen zehn Jahren nie Beschwerden wegen Lärmbelästigung. „Ich habe hier auch eine Zeitlang gewohnt und fand das Geräusch immer sehr angenehm“, sagt Helferin Martina Wilczysnki.
Wer verfolgen will, wie sich die Stadt der Kinder entwickelt, kann dies auf der entsprechenden Facebook-Seite tun, wo regelmäßig Fotos von den Baufortschritten veröffentlicht werden. Am Freitag um 14.30 Uhr wird dann ein Vertreter der Landeshauptstadt der Stadt der Kinder einen Besuch abstatten und feierlich das Stadtrecht verleihen, auch einen Namen werden die Kinder bis dahin bestimmt haben. Wer noch mitmachen will, kann dies tun, denn es sind noch Plätze übrig: Maximal 150 Kinder bis zu zwölf Jahren können an dem Projekt teilnehmen, eine Voranmeldung ist nicht nötig.
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