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Landeshauptstadt: Die Sterne vom Himmel geholt

Dr. Günter Möstl, Chef der AIP-Forschungstechnik, geht heute nach 41 Jahren in den Ruhestand

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Dr. Günter Möstl, Chef der AIP-Forschungstechnik, geht heute nach 41 Jahren in den Ruhestand Von Sabine Schicketanz Wer je seiner Liebsten versprochen hat, ihr die Sterne vom Himmel zu holen – so ernst gemeint wie Dr. Günter Möstl hat es wohl niemand. Exakt 41 Jahre und zwölf Tage hat er daran gearbeitet, jetzt muss er Abschied nehmen. Der Leiter der Forschungstechnik des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP) wird heute 65. Dass er „ein bisschen Wehmut“ verspürt, ist kein Wunder. Schließlich hat Möstl seit dem sonnigen 8. Oktober 1962, dem Tag, an dem er zum ersten Mal nach Babelsberg kam, mehr als eine Zeitenwende in der Astronomie erlebt. Seinen Arbeitsplatz hatte der gebürtige Chemnitzer sich nach dem Studienabschluss in Dresden selbst gesucht – und fand in Babelsberg den idealen Ort. „Ich kam vormittags und hatte nachmittags den Vertrag unterschrieben.“ Kurz darauf wurde das damalige Akademieinstitut mit einem der ersten Großrechner der DDR ausgestattet. ZRA 1 hieß die Maschine, die gleich mehrere Räume ausfüllte, aber kaum mehr konnte als heute ein Taschenrechner. Doch damals war diese Technik absolut neu, erinnert Möstl sich. „Keiner wusste, was ein Rechner eigentlich war.“ Der junge Akademiker wurde technischer Leiter des Rechenzentrums – bis der „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ dafür sorgte, dass in der DDR die Weiterentwicklung von Rechentechnik nahezu beendet wurde. Stattdessen konzentrierte Möstl sich in Babelsberg nun auf den wissenschaftlichen Gerätebau. Schließlich muss das Licht aus dem Weltraum, das die riesigen Spiegelteleskope in aller Welt einfangen, auch empfangen und ausgewertet werden. Anfangs wurden die Aufnahmen der Sterne noch in schwarz-weiß auf Fotoplatten gebannt, und um die Daten dort herunterzuholen, baute Möstl, jetzt Abteilungsleiter für den wissenschaftlichen Gerätebau, gemeinsam mit seinem Team ein rechnergesteuertes Mikrofotometer. Doch die astronomische Forschung befindet sich immer an vorderster technologischer Front. Schnell wurde der Bau von so genannten Fokalinstrumenten zum Schwerpunkt von Möstls Arbeit. „Das sind komplexe Einheiten aus Optik, Mechanik, hoch empfindlichen elektronischen Detektoren und Rechentechnik“, erklärt er. Mit ihnen kann das Licht der Sterne empfangen und in den Computer eingespeist werden. Allerdings wurde es in den 80er Jahren in der DDR immer schwieriger, so hoch komplizierte Technik überhaupt zu fertigen. „Die Lage war katastrophal, die Moral ließ sehr nach“, so Möstl. Es gab kein Material, um die Ideen zu verwirklichen, „wir waren eine Enklave und schmorten im eigenen Saft“. Aber auch die Wende 1989 brachte nicht sofort eine Wende in Technik und Forschung. Erst einmal wurde das Akademieinstitut evaluiert, dann geschlossen. Alle Mitarbeiter bekamen ihre Kündigungen und mussten sich beim Nachfolger, dem AIP, neu bewerben. „Es war eine Zeit großer Unruhe.“ Auf die jedoch eine Zeit großer Erfolge folgen sollte. „Dann war die Entwicklung sehr gut, sehr rasant.“ Staunten die Ostler aus Babelsberg früher über die Ausstattung der Labore und Werkstätten im Westen, wundern sich nun mitunter die Westler über die Babelsberger Ausstattung. Gearbeitet werde jetzt auf tatsächlichem Weltniveau, sagt Möstl. An einem der größten internationalen Projekte ist er maßgeblich beteiligt: Für ein Riesen-Teleskop, das auf dem Mount Graham im US-Bundesstaat Arizona in Betrieb gehen soll, bauen die Babelsberger in Zusammenarbeit mit Astronomen aus Florenz ein spezielles Sensorsystem. Es befindet sich jetzt in der Testphase und soll Ende 2004 in die USA gehen. „Da hätte ich gerne noch ein bisschen mitgemacht“, sagt Möstl. Doch zur Ruhe setzen wird er sich im Ruhestand sowieso nicht. Eigene Projekte schwirren ihm im Kopf umher, und nahe dran sein am Geschehen wird er auch – denn er wohnt in einer ehemaligen Observatoren-Wohnung nur ein paar hundert Meter entfernt vom Institutsgebäude. Wer einmal nach den Sternen gegriffen hat, der wird es wohl immer wieder tun.

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