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Landeshauptstadt: Die Straßenbahn auf dem Wasser

Die beiden Potsdamer Wassertaxis gehen in ihre sechste Saison. In drei Stunden stoppen sie 13-mal auf der Havel

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Aufgeregt wandern die Blicke flussabwärts. Am gelben „H“ – für Haltestelle – unterhalb der Langen Brücke, gegenüber vom Mercure-Hotel, hat sich eine Menschentraube gebildet. Da schiebt sich ein langes gelbes Boot mit marineblauen Karos um den Hinzenberg, die Wartenden zücken ihre Portemonnaies. Es ist das „Wassertaxi 2“. Das Boot von der Bolle-Werft aus Sachsen-Anhalt, seit 2008 in Diensten der „Weissen Flotte“, bietet zusammen mit dem „Wassertaxi 1“ einen besonderen Service auf den Gewässern der Landeshauptstadt.

An diesem sonnigen, aber recht windigen Tag sind es vor allem Touristen und Kurzurlauber, die mit dem 120 Fahrgäste fassenden Schiff Potsdam und seine Sehenswürdigkeiten vom Wasser aus entdecken wollen. „Wir möchten eine Rundtour machen und in Babelsberg aussteigen“, erklärt Heidi Soldmann aus dem Ruhrgebiet, die mit ihrer dreijährigen Tochter Lilli und ihren Eltern zum 300. Geburtstag des Alten Fritz’ ein verlängertes Wochenende in Potsdam genießt.

Doch auch immer mehr Berufspendler mit Fahrrädern nutzen die zwei Wassertaxis, meint Christina Hamann, bei der „Weissen Flotte“ für die leuchtend gelben Boote zuständig. Im letzten Jahr seien 36 000 Fahrgäste an Bord gekommen. „Inzwischen schreibt das Projekt Wassertaxi schwarze Zahlen“, so Hamann. Die zwei schlicht und funktionell eingerichteten Boote sollen keine Rundfahrten ersetzen, sondern „wie eine Straßenbahn, nur auf dem Wasser,“ einen Linienverkehr anbieten. Deshalb seien auch keine Reservierungen möglich, nach denen viele Gäste fragten.

So werden die 13 Stationen vom Park Glienicke und Sacrow bis zum Templiner See sechsmal täglich angefahren – und das bei jedem Wetter, „egal ob es gewittert oder stürmt“, wie Schiffsführer Gerd Garbe, seit 43 Jahren in der Binnenschifffahrt tätig, und sein Bootsmann Daniel Blocksdorf betonen. Brenzlige Situationen entstünden zudem eher durch andere Gefährte auf den Havelseen. Als das Wassertaxi kürzlich in Sacrow ankerte, sei ein schnelles Motorboot vorbeigeschossen und habe hohe Wellen geschlagen, erzählt Blocksdorf. Die Fahrradfahrer, die gerade über den Holzsteg das Taxi besteigen wollten, seien ins Schwanken geraten, aber mit einem Schrecken davongekommen. Radler stellen eine stetig wachsende Gruppe unter den Fahrgästen dar. Laut Bootsmann Blocksdorf bringt „inzwischen jeder Fünfte ein Fahrrad mit“. Vor allem auf der Strecke von Glienicke und Sacrow zur Meierei und zum Schloss Cecilienhof seien morgens viele radelnde Berufspendler unterwegs.

Garbe, seit Projektbeginn 2007 dabei, kennt die beiden Taxischiffe aus dem Effeff: „Unter den Gästen sind viele Nostalgiker, die das Wassertaxi 1, gebaut in den 1920er Jahren, bevorzugen, aber das neue bietet mehr Komfort, ist deutlich leiser und mit maximal 16 Kilometern pro Stunde etwas schneller.“ Da könne man auch mal eine kleine Verspätung aufholen.

Zu den beiden Booten, die jeweils drei Touren pro Tag absolvieren, werde in absehbarer Zeit kein drittes hinzukommen, erklärt Hamann. Der aktuelle Fahrplan mit einer Haltestelle alle zehn Minuten reiche aus. „Wir überlegen, das ältere Boot durch ein neues zu ersetzen – doch das steht noch in den Sternen“, sagt die Wassertaxi-Beauftragte der „Weissen Flotte“. Der Plan eines ökologischen Elektroschiffs sei vorerst ad acta gelegt. Ohne ein Förderprogramm wie „Elektromobilität“ für Autos sei so etwas nicht finanzierbar. Auch die Instandhaltung und Pflege von Stegen und Booten sei sehr kostspielig. Daher soll es bei den 13 aktuellen Haltestellen bleiben – zwar böten viele Hoteliers ihre Stege für Zusatzstopps an, doch das würde „unseren engen Fahrplan sprengen“, so Hamann.

Die laut Eigenwerbung „flüssige Verbindung“ entstand 2007 mit „dem Hintergedanken an Venedig“, erklärt Hamann. Nach dem Vorbild der Lagunenstadt soll der Linienverkehr Hotels, Denkmäler und Schlösser am Wasser vernetzen. Die waren auch das Ziel von Dorit und Günter Kestin – zwei Potsdamern, die ihren Besuchern aus dem Rhein-Neckar-Kreis das Belvedere auf dem Pfingstberg, die Russische Kolonie und das Holländische Viertel zeigen wollten. „Und“, fragen die beiden, als das Taxi auf die Schiffbauergasse zusteuert, „wie ginge das in dieser Stadt besser als vom Wasser aus?“.

Holger Manigk

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