zum Hauptinhalt
Kwaschik starb mit 64 Jahren.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Die Türen stets geöffnet

Zum Tode des Pfarrers der Erlöserkirche, Martin Kwaschik – ein Nachruf

Stand:

Die Potsdamer Schriftstellerin Sigrid Grabner schreibt in ihrer Autobiografie „Jahrgang '42“ über die Klagetrommel, die 1988 nach der blutigen Zerschlagung der Studentenproteste in China Tag und Nacht in der Erlöserkirche erklang: „Zu den Andachten füllte sich die Kirche, mit jedem Tag kamen mehr Menschen. Der Pfarrer sprach von Jesus in Gethsemane; von der trommelnden Grusche in Brechts ,Mutter Courage’. Das Kyrie eleison und das Vaterunser wurden auch von der Herzenskraft jener getragen, die noch niemals gebetet oder das Beten verlernt hatten.“ Martin Kwaschik, einer der Pfarrer der Erlöserkirche und politisch denkender Mensch, öffnete die Türen des Gotteshauses für das Trommeln der Klage.

Die Türen der Kirche hat er weit offen gehalten, für alle, die „mühselig und beladen“ sind, die „Schwerter zu Pflugscharen“ umschmieden sowie für die, die Gott „ein neues Lied“ singen wollen. Martin Kwaschik war von 1988 bis 2013 Pfarrer an der Erlöserkirche, außerdem an der Heilig-Kreuz-Gemeinde sowie der Kirchengemeinde in Geltow. Am vergangenen Donnerstag starb er nach schwerer Krankheit in einem Potsdamer Krankenhaus. 64 Jahre alt ist er nur geworden.

Martin Kwaschik war Pfarrer mit Herz und Verstand – für alle Generationen in der Kirchengemeinde, kontaktfreudig, kritisch, humorvoll, lebensnah. Er war – im besten Sinne des Wortes – Seelsorger. Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen zu begleiten, war seine Berufung. Seine Mission war der Einzelne genauso wie die Gemeinschaft.

Überhaupt, der Begriff Gemeinschaft stand nicht nur im Mittelpunkt vieler seiner Gottesdienste. Eine gute Gemeinschaft war für ihn ein Schatz, den es zu erhalten und zu mehren galt. 25 Jahre lang gestaltete und prägte er die Gemeinde. Er hinterließ dabei viele Spuren: sichtbare und unsichtbare. Geschickt schuf er immer wieder eine Plattform, auf der sich Jung und Alt begegnen konnten. So waren die Feiern zur Osternacht besondere Höhepunkte in der Gemeinde: Martin Kwaschik schrieb selbst Osterspiele mit aktuellen Anspielungen, die er mit der Jungen Gemeinde zur Aufführung brachte. Ein vielfältiges Gemeindeleben strebte er an, bei der viele Interessen berücksichtigt wurden. Natürlich förderte er die Musica sacra, die segensreiche Arbeit der Potsdamer Kantorei, die unter der Leitung von Friedrich Meinel und Ud Joffe zu einem der wichtigsten Klangkörper Potsdams wurde. Engagiert hat sich der Pfarrer auch für die umfassende Restaurierung der neugotischen Kirche in der Nansenstraße.

Der spannende Beruf des Pfarrers war Martin Kwaschik schon seit Kindertagen vertraut. Seine Mutter war Pfarrerin in einem Dorf bei Nordhausen. Auch er wollte Theologie studieren. Doch die Mutter riet zunächst zu einer Malerlehre. Nach dem Abschluss ging er nach Leipzig und nahm ein Theologiestudium auf. Nach dem Examen arbeitete er als Pfarrer in der Landeskirche von Sachsen-Anhalt.

Schon als Jugendlicher kam er mit der DDR-Staatsmacht in Konflikte, so während des Prager Frühlings 1968. Seinen inneren Protest gegen Diktatur, Bevormundung und Unterdrückung hat er öffentlich gemacht. Mit einem Freund schrieb er in seinem Wohnort mit Kreide Losungen wie „Es lebe Dubcek und seine Reformen“. Martin Kwaschik wurde verhaftet. Ein Vierteljahr hat ihn die Stasi in Erfurt festgehalten. In Potsdam erlebte der Pfarrer die politische Wende 1989, die er aktiv mitgestaltete. Am 4. November führte er in Potsdam den Demonstrationszug mit an, der für die Erneuerung der DDR eintrat. „Er hat in entscheidenden Momenten an der jüngeren Geschichte Potsdams mitgeschrieben“, sagt Ud Joffe über ihn.

Viel Unbehagen bereiteten dem Pfarrer die Querelen in der Heilig-Kreuz-Gemeinde. Vielleicht haben sie auch an seiner Gesundheit genagt. Da gab es die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Seelsorger, die Auseinandersetzungen mit der Kirchenleitung und die Absetzung des Gemeindekirchenrates, der nicht immer konform mit der Meinung der Kirchenoberen ging. Da wurden für ihn viele Türen zugemacht. Sie zu öffnen, hatte er wohl keine Kraft mehr. Er ging im September 2013 in den Vorruhestand. Klaus Büstrin

Der Trauergottesdienst für Pfarrer Martin Kwaschik findet am Mittwoch, 13. Juli, um 18 Uhr in der Erlöserkirche statt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })