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Neun Monate bleiben noch, Hartz IV umzusetzen. Eine Tagung
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Neun Monate bleiben noch, Hartz IV umzusetzen. Eine Tagung Von Jan Kixmüller Die Zeit drängt. Zum 1. Januar 2005 soll das vierte Gesetz zur für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – Hartz IV – in Kraft treten. Nach schwierigem Vermittlungsverfahren war das Gesetz im vergangenen Dezember vom Bundestag verabschiedet worden. Jetzt bleiben gerade mal noch neun Monate, um die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu organisieren. Zwei Möglichkeiten sieht das Gesetz vor, entweder die Kommunen wählen das so genannte Optionsmodell und würden somit für sämtliche Leistungen zuständig. Oder Kommunen und die Arbeitsämter (Agentur für Arbeit / BA) finden sich in Arbeitsgemeinschaften zusammen, um in enger Kooperation gemeinsam die Aufgaben der neuen „Jobcenter“ zu regeln. Die „Option“ ist laut Grundgesetz eigentlich gar nicht möglich, für die AGs ist noch keine Rechtsform gefunden. Und zu allem Überfluss zeichnet sich nun ab, dass den Kommunen durch die Zusammenlegung Mehrkosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro entstehen. Auch wenn der Kanzler unlängst beteuerte, dies auszugleichen, wirkt diese Unsicherheit und die Ungereimtheiten wie ein Hemmschuh auf den Reformprozess. Die Crux an der derzeitigen Debatte ist für Prof. Werner Jann von der Universität Potsdam, dass sich alle um das Geld streiten, während viel wichtigere Dinge geklärt werden müssten. „Nicht die Entlastung der Kommunen sondern ein funktionstüchtiger moderner Arbeitsmarkt ist doch das Ziel der Reformen“, sagte der Verwaltungsexperte, der selbst in der Hartz-Kommission war. Konsens war auf der Tagung zu Hartz IV am Montag an der Potsdamer Uni, zumindest auf dem Podium des überfüllten Saals, dass die Reform notwendig ist, um den verkrusteten Arbeitsmarkt aufzubrechen. Einig war man sich auch, dass das eigentliche Ziel wegen der offenen Finanzfragen aus den Augen zu geraten droht. Nämlich wie man mehr Menschen effektiver in Arbeit bekommt, und wer ab 2005 von wem was bekommt. Das enorme Interesse an der Tagung rührte nicht nur von der Wissenschaft her, auch Politiker kamen nach Griebnitzsee und vor allem Mitarbeiter der Stadtverwaltungen der Region. Man kam um zu sehen, wie es nun weiter gehen soll. Und während man sich auf dem Podium meist optimistisch über Fortgang und Ziele der Reformen gab, keimte in der Hitze des Saals immer wieder ungläubiges Grummeln auf. Eine Stimmung, die dem Potsdamer Hartz-Verfechter Prof. Werner Jann Sorgen bereitet. Am Vorabend der vielleicht wichtigsten Reformen der bundesdeutschen Geschichte wundere sich selbst ein so kritischer Beobachter wie der „Economist“, wie missmutig und defätistisch diese erheblichen Veränderungen im Land von allen Seiten aufgenommen werden. Prof. Jann spricht von nachhaltigen Reformen, das Wort Chance fällt an diesem Tag oft. Doch Stephan Articus vom Deutschen Städtetag machte auch unmissverständlich deutlich, dass die Voraussetzung für das Gelingen von Hartz IV eine Korrektur der finanziellen Regelung ist. „Andernfalls wird es weder zur Ausübung der Option kommen, noch werden sich die Städte in den Arbeitsgemeinschaften engagieren können“, sagte der Geschäftsführer des Städtetages. Eine Blockade die Dr. Jobst Fiedler derzeit als fatal empfindet: Man müsse sich davon verabschieden, erst zu handeln, wenn alle Fragen geklärt sind. Der Deutsche Landkreistag allerdings hatte einen Tag vor der Tagung schon die Verschiebung von Harzt IV auf 2006 gefordert. Ein Ruf, der von Seiten der Verwaltungen vereinzelt auch in Potsdam zu hören war. Viel Zuspruch erhielt schließlich die Potsdamer Sozialbeigeordnete, Elona Müller. Nicht nur, dass sie ein dezidiertes Bild von der Lage und dem, was nun möglichst schnell geschehen muss, geben konnte. Sie hatte auch von Erfahrungen in Modellprojekten (MoZart) zu berichten, die für eine enge Kooperation von Kommunen und BA sprächen. Die derzeit offenen Fragen hält sie für problematisch: Unsicherheiten und Ängste würden so bei den Betroffenen, den Kommunen und freien Trägern entstehen. „Unverzüglich“, so die Beigeordnete, „muss nun die Kommunikation zum Aufbau der Arbeitsgemeinschaften aufgenommen werden.“ Die Kostensituation – in Potsdam handele es sich über neun Millionen Euro Mehrkosten– müsste nachverhandelt und die offenen Rechtsfragen geklärt werden. Unterm Strich blieb von der Tagung der eindringlicher Appell an alle Beteiligten, die einmalige Chance zu ergreifen: nämlich 30 Milliarden Euro, die jährlich für „hingenommene Arbeitslosigkeit“ (Fiedler) ausgegeben werden, effektiver einzusetzen. Was allerdings passiert, wenn das „Riesenrad“ der Reformen noch einmal gestoppt werde sollte, konnte sich keiner vorstellen. Es geht – mit den Angehörigen – auch um 4,5 Millionen Betroffene, für die ab 2005 neue Spielregeln gelten.
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