Landeshauptstadt: Die ultimative Sitzung
Im neuen Landtag wurde gestern Parlament gespielt – mit allen Eventualitäten, die in so einer Sitzung vorkommen können. Sogar mit Stromausfall.
Stand:
Die Probesitzung im neuen Brandenburger Landtag begann streng genommen mit einer Lüge. „Es ist jetzt punkt zehn Uhr“, war der erste Satz von Parlamentsmitarbeiterin Regina Dreßler, die am Freitagvormittag den Landtagspräsidenten mimte. Tatsächlich war es aber schon kurz nach halb elf, denn das Sturmtief „Xaver“ hatte den Organisatoren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kurz vor Beginn der nachgespielten Sitzung fiel im ganzen Gebäude der Strom aus, sodass sich alles um eine gute halbe Stunde nach hinten verschob.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Eine fiktive Verfassungsrichterin wurde vereidigt, ein unechter Minister bekam einen unsichtbaren Blumenstrauß zum Geburtstag, und von der Besuchertribüne schallten Buh-Rufe von angeblichen BER- und Abschiebungsgegnern. „Wir wollen möglichst alles durchspielen, was in so einer Plenarsitzung passieren kann“, sagt Hartmut Mangold, Abteilungsleiter in der Landtagsverwaltung. „Das ist sozusagen die ultimative Landtagssitzung.“
Damit beim Probelauf auch wirklich alles passiert, was passieren könnte, haben alle Mitwirkenden eine Art Drehbuch vor sich liegen. Dort steht, wer wann welchen Antrag stellen soll, wer für und gegen selbigen stimmt, wer etwas an der Tagesordnung auszusetzen hat und wann der Sicherheitsdienst gerufen werden muss. Sogar ein aktuelles Ereignis wurde noch kurzfristig eingearbeitet: Mit einer Schweigeminute wird des verstorbenen Nelson Mandelas gedacht. Traurigerweise ist das das einzige echte Ereignis: Der Friedensnobelpreisträger ist am Vorabend in Johannesburg gestorben.
Schon seit drei Wochen läuft der Probebetrieb – bevor im Januar der echte Parlamentsbetrieb startet, soll alles schon einmal durchgespielt und ausprobiert worden sein. Einiges wurde schon beanstandet: So waren anfangs die Mikrofone zu leise eingestellt, auf der Besucher- und den Pressetribünen war kaum etwas zu hören. Und auch der sogenannte Ordnungsgong, der auf dem Gang ertönt, wenn die Plenarsitzung anfängt, war vielen nicht recht. „Zuerst klang das wie im Kino“, sagt Landtagssprecherin Katrin Rautenberg. „Das wollte keiner, wir sind ja hier im Landtag.“ Deshalb wurden verschiedene Glockentöne aufgenommen und ausprobiert. Jetzt klingt es eigentlich wieder so ähnlich wie im alten Landtag auf dem Brauhausberg: eine harmonische Abfolge von mehreren Gongtönen.
Noch nicht optimal ist auch die Anordnung der Tische im Plenarsaal. So sind die Tischreihen für die Minister zu eng – wenn einer von ihnen während der Sitzung raus muss, müssten alle anderen auch aufstehen. Außerdem stehen die Tische für die Stenografen ungünstig. Sie können von den beiden Plätzen vor den Ministerbänken nicht alles überblicken, was aber für ein korrektes Sitzungsprotokoll wichtig ist.
Alles kein Problem, meint Landtagssprecherin Rautenberg, schließlich seien die Bänke ja variabel. Das ist auch nötig, weil sich mit der Landtagswahl ja für gewöhnlich die Größe der Fraktionen ändert. Auch während einer Legislaturperiode muss die Sitzordnung manchmal geändert werden, wie das Beispiel Christoph Schulze zeigt. Der Abgeordnete war erst bei der SPD, dann fraktionsloser Abgeordneter und seit Mai dieses Jahres Mitglied der Grünen-Fraktion – jeweils mit wechselnden Plätzen.
Die Anordnung der Parteien bleibt übrigens gleich wie auf dem Brauhausberg: Vom Präsidenten aus gesehen ganz links sitzen die Grünen, daneben die Linke. In der Mitte sitzt die SPD, rechts daneben CDU und FDP. Nur dass der Saal nun eine andere Form hat und die Bänke nun eher im Halbkreis angeordnet sind. Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) findet das gut: „Im alten Landtag war das ja ein langer Schlauch, wo man nie alles im Blick haben konnte“, sagt er. Auch dass er von seinem Platz aus jetzt die Regierungsmitglieder sehen kann, gefällt ihm. Schließlich sagt die Mimik ja manchmal mehr als tausend Worte.
Fritsch hofft auch, dass die neue „Redezeitensteuerung“ für mehr Disziplin im Plenarsaal sorgt. Bislang leuchteten am Rednerpult drei Lampen: Grün bedeutete „Redezeit läuft“, Gelb „Noch eine Minute“ und Rot „Redezeit vorbei“. Doch daran hielt sich kaum einer, sagt Fritsch. „Wenn die Lampe rot leuchtete, hieß es meistens: ,Ich sehe, meine Redezeit neigt sich dem Ende zu’.“ Künftig wird es da nichts mehr zu deuteln geben: Ein digitaler Bildschirm am Pult wird sekundengenau die Zeit anzeigen, die den Rednern noch bleibt.
Nicht nur im Plenarsaal, auch in den Ausschusssitzungen geht es künftig moderner zu, wie sich nebenan zeigt. Auch dort wird zur Probe gesessen, auch dort sitzen Statisten aus der Landtagsverwaltung und der Staatskanzlei und spielen Politiker. Nur die Ausschussreferentin ist echt: Susanne Reeker. Sie hält ein sogenanntes Panel in der Hand, auf dem sie alles mögliche steuern kann: ob die Mikros an sind, ob aufgezeichnet wird, ob auf der Anzeige an der Tür „öffentlich“ oder „nicht öffentlich“ steht. Alles hochmodern und automatisiert.
Ironischerweise war es genau die moderne Technik, die zu Beginn der Sitzung für Verzögerungen gesorgt hatte. Wie sich am Nachmittag herausstelle, hatte Sturm „Xaver“ für Schwankungen im Hochspannungsnetz gesorgt und damit im Landtagsschloss die Umstellung auf Notstrom ausgelöst. Ganz automatisch.
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