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Homepage: „Die Uni hat sehr gute Karten“

Die neu gewählte Präsidentin der Universität Potsdam, Prof. Sabine Kunst, über Ziele, Pläne und Chancen

Stand:

Sie wurden im Juli einstimmig zur neuen Präsidentin der Universität Potsdam gewählt. Haben Sie mit einem solch überwältigenden Ergebnis gerechnet?

Nein, ich hatte gedacht, dass zumindest aus den Naturwissenschaften Zuspruch für das „Klein-aber-Fein“-Konzept von Prof. Roland Oberhänsli kommen würde. Das Ergebnis war für mich vollkommen überraschend, mit dieser Erwartung war ich nicht nach Potsdam gekommen.

Welche Erwartungen hatten Sie?

Ich hatte schon das Gefühl, dass es etwas werden könnte. Ich hatte mich zur Vorstellung sehr intensiv vorbereitet. Danach hatte ich den Eindruck, dass wir zueinander passen könnten. Sowohl was mein Bild von der Hochschule, als auch was die Reaktionen aus der Uni betraf.

Wie kam es zu Ihrer Bewerbung?

Ich hatte mich entschieden, Hochschulmanagement für mich zu einem Berufsfeld zu entwickeln. Eine Universität im Einzugsgebiet Berlins mit einem so interessanten Profil, das hatte mich zur Bewerbung ermutigt. Ich hatte auch aufmunternde Signale von Kollegen bekommen. Die Größe der Uni, die Heterogenität, das Entwicklungspotenzial im Kontext zur Region, das alles gab mir ein gutes Gefühl. Anfänglich war der Ort der Bewerbung zwar eher ein Zufall, bei genauerem Hinsehen aber ein großer Vorteil.

Inwiefern?

Weil aus meiner Sicht die Uni Potsdam ein hohes Potenzial und sehr gute Karten in der Wissenschaftsregion Berlin-Brandenburg hat. Potsdam hat die Möglichkeit Besonderheiten zu entwickeln, die für Berlin eine Ergänzung sind. Gerade im Kontext mit den außeruniversitären Einrichtungen, die der Uni ein großes Potenzial geben. Hier lohnt es, sich hinein zu knien. In den verschiedenen Bereichen der Uni gibt es Spezialgebiete, die ausbaufähig sind, die zusammen passen. Das kann man so kombinieren, dass es etwas schlagkräftiges Ganzes ergibt.

Sie sehen für die Potsdamer Uni eine viel versprechende Zukunft.

Wenn man die demographische Entwicklung sieht – zuerst steigende und dann rückläufige Studentenzahlen – gibt es in Deutschland zu viele Universitäten, die schlecht ausgestattet sind. Nur wenige werden auf einem Niveau überleben können, das zukunftsfähig ist. Dazu zähle ich auch die Potsdamer Uni.

Was spricht dafür?

Die Potsdamer Uni hat verschiedene Wissenschaftsbereiche, die sich gegenseitig stützen können. Wenn man auch die gesellschaftliche Relevanz der Naturwissenschaften in den Blick nehmen will – was ich für unerlässlich halte – ist eine Struktur wie die der Potsdamer Uni ideal: mit einer guten Wirtschaftswissenschaft, Sozialwissenschaften, aber auch zum Beispiel Kognitionswissenschaften in Kombination mit dem, was industrienah in den Naturwissenschaften entwickelt wurde. Meine internationalen Erfahrungen sagen mir, dass eine solche Aufstellung Zukunft hat.

Den Naturwissenschaften fehlen in Brandenburg aber die großen Unternehmen für Kooperationen.

In Brandenburg ist es sicherlich notwendig, gerade mit den mittelständischen Betrieben den Transfer Wissenschaft-Wirtschaft voran zu bringen. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, die Mittelständler an die Universitäten heranzuführen. Aber dieses Potenzial ist zumindest vorhanden.

Woher nehmen sie so viel Optimismus und Zuversicht?

Wenn man noch nicht als Insider befangen ist, dann hilft ein frischer Blick von außen. Andererseits weiß ich aus eigener Arbeitserfahrung, dass sich mit einer guten Planung und einer Beschränkung auf wenige Leitprojekte auch in Situationen etwas machen lässt, in denen das Hemd kurz ist. Dabei hat es keinen Zweck, an allen Ecken anzufangen. Man muss sich dann auf das Wesentliche beschränken, die wichtigen Player dafür suchen und konsequent losgehen. Das habe ich schon oft gemacht. Ich weiß, dass es geht.

Was hat Sie geprägt?

Meine erste Professorenstelle war mit nichts ausgestattet. Ich war relativ jung und habe sie angenommen. Das erste Geld für die Arbeitsausstattung und die Projekte hatte ich mir geliehen. Nach sechs Jahre hatte ich dann eine arbeitsfähige Gruppe.

Sie stammen von der Nordsee, härtet das ab?

Es ist immer schon ein raue Umgebung gewesen, natürlich. Sicherlich bringe ich von dort meine Hartnäckigkeit mit. Ich kann Sachen konsequent verfolgen ohne mich dabei von dem einen oder anderen Geplänkel beeindrucken zu lassen. Das habe ich von Kindertagen an gelernt.

Was reizt Sie am Job der Uni-Präsidentin?

Die Möglichkeit zu gestalten, für ein größeres Gebilde formend zu wirken, damit eine zukunftsfähige Entwicklung möglich wird. Der Spaß an der Gestaltungsaufgabe. Dinge die nebeneinander liegen zusammen zu bringen. Wichtig erscheint mir auch die Rückkopplung der Uni in die Region und in das Land. Hier in Potsdam hat man ein ganz anderes Pfund als es etwa die aufeinander hängenden Berliner Hochschulen haben. Die Uni kann für das Land noch viel mehr machen als bisher. Ihre Bedeutung auf politischer Ebene kann noch gestärkt werden.

Wie treffen Sie Entscheidungen?

Ich suche den Konsens. Wenn eine Entscheidung zu treffen ist, mache ich das, allerdings nicht mit dem Holzhammer. An einer Uni ist es notwendig, Mitspieler zu haben, die den Karren mitziehen. Man kann nicht immer das stärkste Pferd im Gespann sein, das muss schon ein Vierspänner sein. Ich bin bereit, auf ein bestimmtes Pferd zu setzen. Aber das Risiko muss abschätzbar sein. Wenn etwas nicht durchsetzbar ist, weil man nicht genug Mitstreiter findet, dann sollte man die Finger davon lassen. Einsame Entscheidungen, alleine gegen den Sturm, bringen auch bei Deichbauarbeiten nichts, dann bricht es an einer anderen Stelle. Das erfordert Flexibilität, Entscheidungen anzupassen ist wichtig.

Sie haben erst zur Industrieabwasserreinigung promoviert, dann zu einem philosophischen Thema.

Angewandte Biotechnologie war mein hauptsächliches Betätigungsfeld. Verbesserung von Fließgewässersituationen und Kläranlagen, Trinkwassergewinnung waren dabei die Aufgaben. Ich wollte immer im gesellschaftlichen Kontext arbeiten. Wenn man aber einen Schritt zurück tritt und sich die eigenen Produkte anschaut, kommen neue Fragen. Daher hat mich die wissenschaftstheoretische Hinterfragung der Herangehensweise von Naturwissenschaftlern und Technikern von Seiten der Ökologie und Technikfolgenabschätzung interessiert.

Die einstimmige Entscheidung an der Potsdamer Uni für Sie bringt eine Menge Vorschusslorbeeren mit sich. Sicher keine einfachen Startbedingungen?

Das ist in der Tat schwierig. Die Erwartungen sind allenthalben hoch. Ich möchte daher nun die Zeit bis zu meinem Amtsantritt im Januar nutzen, um mich ausgiebig vorzubereiten. Ich kann natürlich nicht Everybody’s Darling sein, das ist unmöglich, ich bin aber verlässlich und für Transparenz.

Vor allem mit Blick auf die Haushaltslage in Brandenburg

da muss man nur eins und eins zusammenzählen um zu sehen, dass dies nicht gut gehen wird. Ich werde relativ bald beginnen, mit den verschiedenen Statusgruppen und den Dekanen das Gespräch aufzunehmen, um ein Konzept für den Anfang vorzubereiten. Es müssen Eckpunkte entwickelt werden, mit denen man beginnt. Andere Punkte müssen aufgrund der Sachlage auf die nächsten Jahre vertagt werden. Man kann nicht ein Gebäude von allen Seiten einreißen. Man muss sehen wie man kooperativ die Lasten verteilen kann. Die Beziehungen der Dekane zum bisherigen Rektorat sind lange auf eingefahren Gleisen gelaufen. Das muss aber nicht so weiter gehen.

In welche Richtung wollen Sie die Potsdamer Uni bewegen?

Ein Ziel wäre es, die Universität Potsdam als vollwertige Universität weiter zu entwickeln, nicht als Fachhochschule. Dafür sehe ich eine gute Chance. Die Frage dabei ist allerdings, wie die neue Bachelor-Master-Struktur intelligent überdacht werden sollte, um in die Zukunft entwickelt werden zu können. Die Spezialitäten einer Uni in die Lehre zu übertragen steht im Widerspruch zu der politischen Forderung, eine bestimmte Zahl an Bachelor-Studenten aufzunehmen. Das muss diskutiert werden.

An der Uni Potsdam sind die Gräben zwischen Natur- und Geisteswissenschaften recht tief. Wie wollen Sie sich hier positionieren?

Ich werde keinen der Bereiche bevorzugen, beide haben ihre exzellente Forschungserfolge. Die Fakultäten neben den Naturwissenschaften leisten den Hauptanteil für Lehre und Ausbildung. Im Hinblick auf die Überbewertung von Transferleistungen muss man die Kirche im Dorf lassen. Wenn man die Studierendenzahlen der Juristen und Wirtschaftswissenschaften sieht, hängt dort die Hauptausbildungslast. Dass hier der Drittmittelerwerb nicht so hoch ist wie in den Naturwissenschaften liegt in der Natur der Sache. Es ist eine Frage interner Ziel- und Leistungsvereinbarungen, wie man die verschiedenen Bereiche innerhalb der Uni gerecht bewertet.

Manch einer sorgt sich, dass die Potsdamer Uni im Exzellenzwettbewerb nicht mithalten kann.

Die bisherigen Beteiligungen an Exzellenzclustern sind ein positives Beispiel. Für eine Exzellenz-Uni im jetzigen Wettbewerb ist der Zug natürlich abgefahren. Nun wird in der Uni zu diskutieren sein, in welchen Bereichen man sich weiter am Exzellenzwettbewerb beteiligt. Hier hat die Uni gerade in der Kombination von Geistes- und Naturwissenschaften, vor allem auch im Kontext mit Berliner Hochschulen gute Chancen.

Welche Rolle spielt Berlin?

Eine große, um zu sehen, wo das Entwicklungspotenzial für Potsdam liegt. Es wäre Unsinn, Dinge voran zu treiben, die es in Berlin schon gibt. Bei der Begrenztheit der Mittel ist es wahrscheinlich, dass ähnliche Angebote, die dazu noch schlecht ausgestattet sind, nicht überleben. Man kann nicht alles mit immer weniger Geld behalten. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Potsdam bietet aber viele Dinge, die sich von Berlin abheben. Auch sind Kooperationen entwicklungsfähig, nicht nur mit der FU auch mit den anderen Berliner Hochschulen.

Sie leben in Hannover, werden Sie nach Potsdam ziehen.

Das habe ich vor. Die jüngeren meiner drei Kinder sind aber im nächsten Jahr noch mit der Ausbildung in Hannover beschäftigt. Der „Familienstandort“ wird also erst danach wechseln können. Der Umzug ist aber geplant. Ich werde gerne nach Potsdam ziehen. Das viele Wasser hier gefällt mir. Es erinnert mich an die See.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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