Von Henri Kramer: Die Vorzeige-Schönheit
Die 23-jährige Potsdamerin Christin Böttcher kämpft am Samstag um den Titel „Miss Germany 2010“
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Christin Böttcher hat sieben Eigenschaften. Sie ist 1,74 Meter groß. Ihre Oberweite beträgt 88 Zentimeter, 62 sind es an der Taille, 89 an der Hüfte. Konfektionsgröße 34 bis 36. Augenfarbe: grün-braun. Haare: braun. Die Organisatoren der Wahl zur „Miss Germany 2010“ setzen klare Prioritäten, welche Daten ihrer 22 Kandidaten im Internet veröffentlicht werden. Die Potsdamerin Christin Böttcher ist eine davon und kämpft am Samstag im Europa-Park Rust bei Freiburg um den Titel der Schönsten im ganzen Land.
Die 23-Jährige sieht in sich aber mehr als eine Sammlung perfekter Model-Maße samt Hochglanz-Fotogesicht. In ihrem normalen Leben lässt sich Christin Böttcher an der Universität Potsdam zur Psychotherapeutin für Jugendliche ausbilden, um jungen Menschen bei Problemen helfen zu können. „Gerade in der Jugend lassen sich die Gründe für Depressionen oder Sprachstörungen noch behandeln.“ Bereits in ihrer Schulzeit habe sie in solchen Fällen helfen wollen, erinnert sich Christin Böttcher – wenn etwa Heimkinder vor lauter Problemen nicht lernen konnten. „Wir hatten auch einen in der Klasse, der an Epilepsie litt und immer ausgelacht wurde. Ich habe nie gelacht.“ Ihr Entschluss für das Studium reifte.
Doch derzeit kommt Christin Böttcher kaum dazu, die Lehrbücher ihres Faches zu lesen. Vor dem Titelkampf jetzt am Samstag startete sie vor einem Monat zum Vorbereitungskurs nach Ägypten. Dort sollten sie und die anderen Kandidatinnen lernen, dass „Miss Germany“ nicht nur ein hübsches Gesicht braucht – trainiert wurden Ausstrahlung, Tanzen, Sicherheit bei Interviews, der Modell-Blick beim Fotografieren. Schminken, lächeln, immer funktionieren. „Jeder Tag war straff durchgeplant.“ Als Ausgleich gab es reizvolle Freizeit-Aktivitäten wie Tauchen im Mittelmeer oder Quad-Fahren in der Wüste. „Das war so ein tolles Freiheitsgefühl, auf vier Rädern über den Sand zu rasen“, schwärmt sie. „Egal wie die Wahl jetzt ausgeht, habe ich für mich und mein Leben unheimlich viel gelernt .“
Ob sie schon alles realisiert hat, was in den vergangenen Wochen mit ihr passiert ist – wohl kaum. Zum Mitmachen bei so einem Schönheitswettbewerb musste sie „quasi“ überredet werden – doch schickte sie ihre Bewerbung erst ab, nachdem sie von ihrem Freund die Zustimmung hatte. Dann gewann sie kurz vor Silvester den Titel „Miss Potsdam“. Einen Monat später schon war sie „Miss Brandenburg.“
Und auch jetzt nach dem Model-Camp wirkt Christin Böttcher, als habe sie noch gesunden Abstand zur Schönheits-Branche. „Gerade mit einem Psychologie-Studium kann man ja erkennen, was echt und was Fassade ist.“ Zugleich hält sie aber auch nichts von dem Klischee, dass schön gleich oberflächlich sein muss. „Es ist wie überall, die Leute haben eben verschiedene Ausbildungsstufen und Lebenserfahrung.“ Und zumindest Christin Böttcher weiß, was sie mit ihrer Schönheit machen möchte: Helfen, sich und anderen. „Vielleicht kann ich Jugendlichen später einmal klarmachen, was man alles erreichen kann – und mir helfen die schönen Erinnerungen von jetzt bestimmt, wenn das Leben einmal schwerer ist.“ Christin Böttcher hat mehr als sieben Eigenschaften.
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