Landeshauptstadt: Die X-Nacht
Elf Filmpreise gab es für das Babelsberger Filmemacher-Paar Manuela Stehr und Stefan Arndt und ihre „X-Film-Familie“
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Als alles vorbei war, wollte der große Gewinner der Filmpreisverleihung nur noch zwei Dinge: eine Zigarette und verstehen, was da gerade passiert war. Jan Ole Gerster, der Jung-Regisseur, triumphierte am Freitagabend bei der Lola- Gala im Berliner Friedrichstadtpalast. Gersters zauberhaft melancholisches Schwarz-Weiß-Drama mit Berlin-Optik „Oh Boy“ wurde nicht nur bester Film, der Nachwuchs-Filmstar wurde auch für seine Regie und sein Drehbuch ausgezeichnet. Mit der Auszeichnung an seinen Hauptdarsteller Tom Schilling für die beste männliche Hauptrolle und zwei weiteren Filmpreisen verwies Gersters Filmdebüt „Oh Boy“ das internationale Schwergewicht „Cloud Atlas“ auf den zweiten Platz im Lola-Ranking.
Doch für zwei Menschen im Saal wurde es – erwartungsgemäß – die Nacht des Erfolgs: die Babelsberger Manuela Stehr und Stefan Arndt mit ihrer „X-Filme“-Familie, seiner Filmproduktion und ihrem Filmverleih. Denn beide Filme sind eng mit Stehr und Arndt verknüpft. Der eine, Arndt, ging das Wagnis ein, den bislang teuersten deutschen Film zu produzieren. „Cloud Atlas“, ein 100-Millionen-Euro-Werk mit internationalen Superstars wie den Wachowski-Geschwistern Lana und Andrew („Matrix“), Tom Tykwer („Lola rennt“) und Schauspielern wie Tom Hanks („Forrest Gump“) oder Halle Berry („Monster’s Ball“).
Die andere, Manuela Stehr, begleitete über Jahre hinweg den Werdegang eines mutigen, filmbegeisterten, hartnäckigen, jungen Manns: Jan Ole Gerster. Erlebte ihn beim Praktikum als Produktionsassistent bei X-Filme, ehe er persönlicher Assistent bei Ausnahme-Regisseur Wolfgang Becker („Good Bye Lenin“) wurde und sein Regie- und Drehbuch-Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin begann. Seinen Akademie- und Debütfilm „Oh Boy“ brachte Manuela Stehr mit ihrem X-Verleih ins Kino.
Das Duell um die Lolas ging zahlenmäßig knapp aus: „Cloud Atlas“ erhielt fünf Auszeichnungen, sechs Filmpreise erhielt „Oh Boy“ – doch waren darunter die wichtigsten Ehrungen. „Bei Tom Schilling war ich mir sofort sicher, dass er den Preis für beste männliche Hauptrolle bekommt“, sagte eine zu Recht strahlende Manuela Stehr. Der fulminante Erfolg von Gerster kam dann aber selbst für die Mentorin des Regisseurs überraschend. „Beim Drehbuch habe ich schon für ihn gehofft, der Regiepreis kam aber wirklich total unerwartet. Und auch die goldene Lola als bester Film habe ich bis zur Bekanntgabe nicht erwartet.“
Für die Chefin des X-Filmverleihs, der beide Sieger der Lola-Gala ins Kino gebracht hat, war es auch Bestätigung der eigenen Arbeit. Es sei ein „tolles Spektrum“, sowohl einen solch teuren, internationalen Film wie „Cloud Atlas“ zu haben, andererseits aber auch einen kleinen und feinen Film wie „Oh Boy“ zu vermarkten. „Die Preisvergabe an diese zwei sehr unterschiedlichen Kinoproduktionen bestärkt uns, jeder Größenordnung von Filmen eine Verleih-Heimat für seine Geschichten und Protagonisten zu geben“, sagte die Babelsbergerin.
Und auch Stehrs Mann Stefan Arndt zeigte sich nicht enttäuscht über die fehlende preisliche Anerkennung seines Produzenten-Wagnisses mit „Cloud Atlas“. „Ich bin zufrieden, weil nicht Filme gewonnen haben, die schlechter waren als unserer. Diesmal gingen die anderen Lolas an Filme, die es verdient haben“, sagte Arndt – wohl vor allem abzielend auf den Erfolg von „Oh Boy“. „Ich staune selbst, aber ich bin entspannt. Schließlich habe ich schon viel Schlimmeres erlebt – ich habe ,Cloud Atlas’ produziert“, sagte Arndt grinsend. Und nicht zuletzt: „Da es fünf Auszeichnungen für Gewerke und Einzelleistungen in ,Cloud Atlas’ gab“ – darunter Maske, Kostüm und Szenenbild – „kann das Gesamtwerk ja so schlecht auch nicht sein.“
Überhaupt plant der X-Filme-Produzent schon längst wieder neue Werke. Und da konnte Arndt die After-Show- Party im Friedrichstadtpalast gleich zur Arbeitsbesprechung nutzen. Denn sein neues Projekt will der Babelsberger mit Ausnahme-Regisseur Werner Herzog („Fitzcarraldo“) bestreiten. Der erhielt am Freitagabend aus den Händen einer sichtlich stolzen Iris Berben, Filmakademie-Präsidentin und Schauspielerin in Personalunion, die Ehren-Lola 2013. „Ich habe so sehr geklatscht bei Herzogs Ehrung, dass ich einen Krampf im Arm bekommen habe“, gestand Arndt. „Herzog ist ein ganz toller Typ, ein herausragender Künstler“, zeigte der Babelsberger seinen tiefen Respekt und die Vorfreude auf die Zusammenarbeit mit dem Filmkünstler.
Im Herbst und Winter geht es für beide zum Dreh von „Vernon God Little“ – es war das letzte Projekt von Produzent Bernd Eichinger, der 2011 überraschend verstorben war. Gemeinsam mit Eichingers Witwe Katja produziert der Babelsberger nun den Film. „Es ist ein kleines Budget, aber es wird ein frecher Film“, versprach Arndt. Basierend auf dem Buch von DBC Pierre handelt der Film von den Folgen eines Amoklaufes an einer Schule in Texas. „Die Dreharbeiten finden in Mexiko und im Süden der USA statt.“ Die Schauspiel-Riege würde „sehr namhaft“ ausfallen, so Stefan Arndt, doch welche Mimen genau im von ihm produzierten Herzog-Film auftreten, will der Babelsberger erst in zwei Wochen verraten.
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