Landeshauptstadt: Dienstmädchen liebt Bankierssohn
Ein Film-Märchen aus Babelsberg: Grundy Ufa produziert fürs ZDF die erste deutsche Telenovela „Bianca – Wege zum Glück“, eine melodramatische 200-Folgen-Serie nach südamerikanischem Vorbild
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Ein Film-Märchen aus Babelsberg: Grundy Ufa produziert fürs ZDF die erste deutsche Telenovela „Bianca – Wege zum Glück“, eine melodramatische 200-Folgen-Serie nach südamerikanischem Vorbild Von Marion Hartig Man sieht ihr wahrlich nicht an, was sie hinter sich hat. Vier Jahre im Frauenknast, unschuldig verurteilt wegen Brandstiftung. Heute trägt Bianca eine feine rosa Bluse, dazu einen knielangen grauen Rock. Ihr glänzend blondes Haar fällt locker über ihre schmalen Schultern. Sie lächelt schüchtern, als sie in die Küche kommt, ihre Stimme klingt sanft. Drei Kameras sind auf die Schauspielerin Tanja Wedhorn alias Bianca gerichtet, als sie im Haus 3 im Studio Babelsberg durch den Seiteneingang in die Küche tritt, die Köchin Bärbel begrüßt und mit weißem Dienstmädchen-Schürzchen über die Treppe verschwindet, um in den Gemächern der Herrschaft den Frühstückstisch abzudecken. Und man ahnt, die Titelheldin Bianca wird in „Bianca – Wege zum Glück“ nicht immer Dienstmädchen bleiben. Ab dem 1. November kann das deutsche und österreichische Publikum im ZDF und ORF ihr Entpuppen am Bildschirm verfolgen, in täglichen Kapiteln von 42 Minuten, montags bis freitags ab 16.15 Uhr. Dabei ist „Bianca“ keine gewöhnliche Serie, sondern eine Telenovela, ein spezielles, aus dem spanischsprachigen Raum stammendes Fernsehformat, in dem es um Liebe geht und um den Aufstieg vom Aschenputtel zur Prinzessin – oder eben von der Knastfrau zur glücklichen Gattin eines reichen Mannes. Immer wieder legen die Drehbuchautoren der Titelheldin Steine in den Weg, so wie es sich für ein anständiges Melodram gehört. Und immer wieder gelingt es Bianca, sie aus dem Weg zu räumen. Nur dass Bianca nicht sisyphusgleich unendlich viele Steine aus dem Weg räumen muss. Irgendwann ist damit Schluss. Anders als bei gewöhnlichen Serien hat eine Telenovela ein Ende. 200 Sendungen hat Bianca Zeit, ihr Glück zu finden. Die ZDF gab den Auftrag für „Bianca“an die Grundy Ufa Produktion in Babelsberg, die 500 Stunden fiktionale Unterhaltung im Jahr produziert, von „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ über „Verbotene Liebe“ bis zu „Barátok Közt“ und „Hinter Gittern“. Das Unternehmen hat seinen Standort gleich gegenüber den Babelsberger Filmstudios. Grundy Ufa-Chef Rainer Wemcken sitzt dort in seinem gläsernen Büro, während Bianca im Filmstudio noch den Frühstückstisch abräumt. „Produktionstechnisch betritt die Grundy Ufa mit der Telenovela Neuland“, sagt Wemcken. Bisher, bei den Daily Soaps, galten 25 Drehminuten am Tag als Obergrenze, mit „Bianca“ schafft es die Grundy Ufa auf 42 Minuten. Und das an fünf Tagen in der Woche. Wie das funktioniert? „Durch große logistische Leistungen“, erklärt Wemcken. Die Produktion beschäftigt 120 Mitarbeiter, darunter etwa 20 Schauspieler, ein Autorenteam, fünf Regisseure. Parallel werden Außenaufnahmen am Schloss Petzow und Innenaufnahmen in den Studios in Babelsberg produziert. Die Schauspieler pendeln von einem Ort zum anderen. Potsdam bietet da die idealen Drehbedingungen, erklärt Wemcken. Schloss, Studios und Unternehmen liegen nah beieinander. Und Grundy Ufa habe sehr gute Erfahrungen mit Studio Babelsberg gemacht. „Die Dienstleistung dort funktionieren und sind dazu bezahlbar.“ Eine schöne Geschichte weiß der Grundy-Ufa-Chef zur Entstehung der Telenovelas zu erzählen. Sie sollen aus dem Kuba der 50er Jahre stammen. Nach ihrer Arbeit hat man den Tabakblatt-Dreherinnen fortlaufende Liebesgeschichten erzählt und das Ende offen gelassen – um sie zu motivieren, am nächsten Tag wiederzukommen. Erst dann nämlich wurde das Geheimnis des vorherigen Tages gelüftet. Mit den täglichen „Bianca“-Kapiteln im ZDF soll das ähnlich werden. Den Vorwurf der Financial Times Deutschland „Bianca“ sei eine „industrielle Billigserie“ lässt Wemcken nicht auf sich sitzen. „Qualität hat nichts mit dem Preis zu tun“, sagt er. Die Telenovela werde so hochwertig produziert, dass sie den Zuschauer verstehe zu fesseln. „Bianca“ werde mit dem Anspruch produziert, gute Unterhaltung zu sein. Natürlich greift die Geschichte auf Klischees zurück, aber das ist bei „Pretty Woman“ nicht anders, findet Wemcken, und „Pretty Woman“ hat ein Millionenpublikum ins Kino gezogen. „Bianca“, hofft er, wird eine zweistellige Fernseh-Zuschauerquote erreichen. Das in Deutschland bisher keine Telenovelas produziert wurden, kann sich Wemcken nicht erklären. In Südamerika sollen die schon seit den 70er Jahren populären Serien laut ZDF ein „Straßenfeger“ sein. Seit den 90er Jahren feiern sie auch in anderen Regionen der Welt Erfolge, in Osteuropa und Nordafrika. Er habe schon seit Jahren einen Sender gesucht, der sich für das Format interessiere, sagt Wemcken. Die südamerikanischen Geschichten müssen für deutsche Bildschirme allerdings etwas umgeschrieben werden. „Bianca“ ist eher eine Telenovela-Light-Version: Ganz so melodramatisch, wie es in den Telenovela-Ländern beliebt ist, wird es in der deutschen Filmgeschichte nicht zugehen. Bianca war nicht ganz unten, bevor sie weit nach oben kommt. Ihre große Liebe, hier sei es schon verraten, ist kein Prinz, sondern „nur“ der Bankierssohn Oliver Wellinghoff. Schon in der ersten Folge lernt sie ihn kennen. Und ein langes Spiel der Liebe, der Irrungen und Wirrungen beginnt.
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