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Von Tobias Reichelt: Digitale Zäune und Softwareklötzchen

Mit neuen Ideen und viel Optimismus sind Potsdamer IT-Unternehmen zur Cebit gereist

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Demenz ist eine schwierige Krankheit. „Sie beginnt schleichend“, sagt Lars Geißler. Plötzlich findet man den Weg zum Bäcker nicht mehr oder übersieht rote Ampeln. „Einige unserer Probanden sind erst 45 Jahre alt“, sagt des Chef der Potsdamer Softwareunternehmens Webxells. Ihr Leben wollen sie trotzdem leben – moderne Technik und einer Software des von Studenten der Fachhochschule Brandenburg gegründeten Unternehmens bietet ihnen dazu neue Möglichkeiten.

Auf der Cebit in Hannover stellt Webxells derzeit als eines von 21 Potsdamer IT-Unternehmen seine Produkte einem breiten Publikum vor. „Geofencing“ heißt die Technologie, mit der sich die junge Software-Schmiede mit Sitz im Luftschiffhafen einen Namen gemacht hat. Per Computer wird dabei ein unsichtbarer Zaun zum Beispiel um den Sitz eines Betriebes gezogen. Verlassen Mitarbeiter mit einem Minicomputer, wie einem I-Pad oder I-Phone, die Zone, werden die auf dem Gerät gespeicherten Firmendaten gesperrt. Erst wenn die Mitarbeiter zurückkehren, werden die Daten wieder zugänglich.

Mit Demenzkranken will Webxells eine neue Zielgruppe gewinnen. Die Technik bleibt ähnlich: Entfernt sich der Patient aus einer festgelegten Zone, wie einer Wohnsiedlung, werden Angehörige oder Pfleger alarmiert. Mittels Satellitentechnik können die Demenzkranken gefunden werden. Nötig ist ein GPS-fähiges Smartphone. Eine GPS-Armbanduhr wird entwickelt. Ein erster Test mit fünf Patienten der Berliner Charité läuft.

„Wir wollen Demenzkranke unterstützen“, sagt Geißler – ihnen zum Beispiel den Weg zum Bäcker wieder ermöglichen. Webxells hat sich beim Land um Fördergelder beworben. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) stattete dem Unternehmen am Mittwoch auf der Cebit immerhin einen Besuch ab. 17 Mitarbeiter beschäftigt Webxells. Im vergangen Jahr erwirtschafteten sie einen Umsatz von 500 000 Euro, das will Geißler verdoppeln.

Von einer Umsatzverdoppelung schwärmt auch Marc Hildebrandt. An seinem Cebit-Messestand von „Software Diagnostics“ tummeln sich zahlreiche internationale Kunden. „Wir können Software-Entwicklung erlebbar machen“, verspricht Hildebrandt und präsentiert eine Art Stadtkarte. Darauf sind größere oder kleinere „Hochhausklötzer“ zu sehen. Sie stellen die Struktur eines Computerprogramms dar. Je höher die Häuser, desto komplexer sind die Programmbestandteile an dieser Stelle aufgebaut. Hohe „Klötzchen“ könnten Probleme bedeuten. Wie in einer Verwaltung gelte es Strukturen zu verschlanken. Hildebrandt nennt ein Beispiel: Ein Kunde hatte für seinen Produktionsbereich ein Notaus-Schalter installiert. Der Schalter wurde über ein Computerprogramm gesteuert, das jedoch verwendete für die Notaus-Funktion komplexe Programmschritte. Das hätte schiefgehen können, sagt Hildebrandt. Beim Anblick der „Software-Karte“ sei dem Kunden die Kinnlade hinuntergefallen. „Wenn man keine Ahnung von Softwareentwicklung hat, kann man jetzt mitreden und die richtigen Fragen stellen.“

Mit Neuerungen kann auch Visapix auf der Cebit aufwarten: Das Unternehmen mit Sitz in den Bahnhofspassagen installiert in Einkaufszentren oder Supermärkten Kameras, um mehr über die Kundschaft zu erfahren – von der Zählung bis hin zu Alter, Geschlecht und neu: dem Gemütszustand. „Wir versuchen die Kundschaft zu verstehen“, sagt Chefentwickler Dragomir Prodanov. Im Sterncenter und in den Bahnhofspassagen in Potsdam hat das Unternehmen seine Kameras bereits installiert. Sie messen Besucherströme und warnen Geschäftsinhaber vor einem erwarteten Ansturm an den Kassen. „Dann können Sie Kassen rechtzeitig öffnen, bevor sich Schlangen bilden.“ Auf der Cebit wagte sich Wirtschaftminister Christoffers vor die Linse – das Programm erkannte einen Mann mittleren Alters, seinen Gemütszustand nicht.

Es gehe nicht darum, einzelne Menschen herauszufiltern, sondern um das Verhalten der Masse, erklärte Prodanov. Seit 2004 gibt es Visapix und es beschäftigt 22 Mitarbeiter. Seit einem Jahr arbeitet Visapix mit dem amerikanischen Software-Giganten IBM zusammen und ist auf der Cebit am Gemeinschaftsstand zu finden. Eine gute Partnerschaft, wie Prodanov findet.

Auch der Potsdamer Matthes Derdack kann auf der Cebit nur Gutes über die neue Zusammenarbeit seines Softwareunternehmens mit Partner Microsoft berichten. Während Microsoft mit seinen Programmen zum Beispiel Störfälle in Fabriken entdeckt, meldet Derdacks Software den Fall an den zuständigen Techniker – offensichtlich eine Marktlücke. Schon über 200 Kundengespräche hat der Unternehmer nach dem zweiten Messetag geführt. Vor zwölf Jahren wurde die Derdack GmbH gegründet. Der Stand auf der Cebit ist für den Chef ein Muss: „Die Cebit ist ein wichtiger Vermarktungsbaustein, hier treffen wir den Nerv der Zeit“, findet Derdack – und ist damit als Potsdamer IT-Unternehmer nicht allein.

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