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Landeshauptstadt: Doch nicht auf Churchills Stuhl gesetzt

15 Millionen Gäste haben das Schloss Cecilienhof seit 1952 besucht. Mit 170 000 Gästen jährlich ist es das drittbeliebteste Schloss Potsdams. Im kommenden Jahr soll es saniert werden

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Zufällig steht sie als Erste vor dem Schalter: Gerade will sich die Potsdam-Besucherin Emmi Buß eine Eintrittskarte für eine Besichtigung des Schlosses Cecilienhof kaufen, als plötzlich ein Herr auf sie zutritt und der überraschten Seniorin verkündet: „Sie dürfen heute umsonst rein.“ Der Überbringer dieser Nachricht ist Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPGS), denn Buß war am gestrigen Dienstag die 15-millionste Besucherin des Schlosses Cecilienhof, seitdem es 1952 als „Historische Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens“ eingerichtet wurde.

Einen Moment lang ist die 87-Jährige baff über diese Mitteilung: „Einmalig! So herzlich bin ich noch in keiner Stadt empfangen worden!“, sagt sie begeistert und lacht. Buß besucht zurzeit ihre Enkeltochter in Potsdam, die sie zum Ausflug ins Schloss Cecilienhof eingeladen habe: „Da habe ich gesagt: Dann zahle ich aber den Eintritt.“ Den hat sich die gebürtige Pasewalkerin nun gespart, dafür bekommt sie und ihre Enkelin eine Exklusiv-Führung mit Schlossbereichsleiter Harald Berndt. „Ich interessiere mich sehr für Geschichte, auch wenn man das eine oder andere wieder vergisst“, meint Buß augenzwinkernd.

Genau genommen war Buß nicht die exakt 15-millionste (zahlende) Besucherin, so SPGS-Sprecher Ulrich Henze, letztlich sei die Ermittlung statistisch erfolgt: Angesprochen wurde die erste Person, die sich am Dienstag nach 11.30 Uhr am Schalter des Schlosses Cecilienhof eine Karte für eine Besichtigung kaufen wollte.

Vor der Führung bekommt Emmi Buß noch einen historischen Überblick von Dorgerloh persönlich: „Es war der letzte Schlossbau der Hohenzollern, der 1917 errichtet wurde.“ Das sollte als Wohnsitz für Kronprinz Wilhelm und seine Gemahlin, Kronprinzessin Cecilie, dienen.

Es ist aber weniger die königliche Historie, wegen der die meisten Touristen das Schloss besuchen, so Berndt, sondern die „Potsdamer Konferenz“ von 1945: Der amerikanische Präsident Harry Truman, der britische Premierminister Winston Churchill und der sowjetische Machthaber Josef Stalin berieten hier im Juli und August 1945 die politische Neuordnung Deutschlands und Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Interesse der meisten Besucher gelte daher dem Konferenz-Saal, sagt Berndt: „Die häufigste Reaktion der Gäste ist: ‚Hier wurde also Deutschland geteilt.’“ Das sei jedoch nicht korrekt, so der Schlossbereichsleiter: „Es wurde nur die Aufteilung in Besatzungszonen beschlossen, die Teilung in zwei Staaten war noch kein Thema.“

Nach der Wiedervereinigung weilten im Jahr 2007 auch die Außen- und Umweltminister der G8-Staaten hier; trotz der medialen Aufmerksamkeit sanken die Besucherzahlen des Schlosses 2008 auf rund 157 800, im Jahr davor waren es noch etwa 175 400 gewesen. Ähnlich große Treffen wie die G8-Zusammenkunft soll es laut Harald Berndt in naher Zukunft nicht geben: „Das ist mit großem Aufwand verbunden und muss ein Jahr vorher geplant werden.“ Derzeit kann sich Cecilienhof wieder über höheren Zulauf freuen: 2012 besuchten rund 170 000 Menschen die Gedenkstätte, womit es nach Schloss Sanssouci, das im Jahr rund 360 000 Besucher hat, und dem Neuen Palais mit rund 330 000 Gästen auf Platz drei der meistfrequentierten Potsdamer Schlösser lag. Dogerloh begründet dies unter anderem mit der 2012 neu überarbeiteten Dauerausstellung zur Konferenz von Potsdam.

„Etwa 60 Prozent der Besucher kommen aus Deutschland, darunter viele Schulklassen“, sagt Harald Berndt. Im Schloss Sanssouci seien die deutschen Gäste hingegen etwas weniger stark vertreten, lägen aber auch über der Hälfte, so Dorgerloh. Unter den ausländischen Gästen in Cecilienhof überwiegen die US-Amerikaner, Japaner und Chinesen. „Besonders die Zahl der chinesischen Gäste wächst“, sagt Berndt. Dorgerloh kann das nachvollziehen: „Bei der Konferenz von Potsdam wurde über viele asiatische Territorien entschieden.“ Auch der letzte hohe Gast in Cecilienhof kam aus China, nämlich Regierungschef Li Keqiang, welcher im Mai 2013 den legendären Konferenz-Saal besichtigte: „Er war sehr erfreut, dass er hinter die Absperrung treten durfte und hat für einen kurzen Moment überlegt, sich auf einen der Stühle zu setzen“, sagt Dorgerloh, „doch dann hat er es sich anders überlegt – immerhin haben dort schon Churchill und Stalin gesessen.“

Trotz der großen Geschichtsträchtigkeit: Cecilienhof ist bislang noch nie grundlegend saniert worden. Daher starten ab 1. Mai 2014 umfassende Bauarbeiten an Fassaden und Dächern, das Schlosshotel wird bis zum 30. April 2017 geschlossen bleiben, die Gedenkstätte kann aber weiterhin besichtigt werden.

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