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Landeshauptstadt: Dornröschen und die Ballettmäuse

Russisches Nationalballett holte kleine Eleven auf die Bühne und ließ sie mit den ganz Großen tanzen

Stand:

Es ist eine aufgeregte Schar kleiner Ballettmäuse, die im ersten Akt von Dornröschen die Bühne im Nikolaisaal stürmt. Kleine Trippelschrittchen sind angesagt und kratzende Handbewegungen. Die Mäusekinder gehören zum Hofstaat der bösen 13. Fee, die das schöne Königskind verwünscht. Die Ballettmäuse stört das nicht im geringsten. Sie haben ihren großen Auftritt auf einer richtigen Bühne und sie dürfen mit dem weltberühmten Russischen Nationalballett Moskau auftreten. Das tanzt selbst nicht nur mit exakter Eleganz, es versucht auch noch auf anderem Wege die Herzen der Kinder zu erobern. In jeder Stadt dürfen über Zeitungsankündigung 15 bis 20 Kinder einen Blick hinter die Kulissen werfen, dürfen sich die eleganten Roben am Hofe des Königs aus der Nähe anschauen und beim Schminken zusehen.

In Potsdam ließen sich das Laura (11), Sabrina (5), Natalie (9), Leonie (4) und all die anderen nicht zweimal sagen. Die meisten der 15 Kulissengucker haben selbst Ballettunterricht und sogar die kleine Leonie übt sich schon im Hüpfen nach klassischem Musiktakt. Beim Auftritt als Maus verließ sie dann aber doch der Mut. Auch Laura winkte ab. Sie hat in der Nussknacker-Aufführung der Ballettschule Vogel bereits als Spanierin und Soldat mitgetanzt, da fand sie einen Mäuseauftritt denn doch unter ihrer Würde. Aber sie betreute liebevoll die anderen Mäusetänzer, die nur zu gern einmal mit einer echten Ballerina oder einer bösen Fee auf der Bühne stehen wollten. Und dabei war Letztere alles andere als böse. Timur Kinzikeev – die 13. Fee wird von einem Mann getanzt – kümmerte sich liebevoll um die Kinder. Will man es in Russland in die Spitze der Balletttänzer schaffen, beginnt auch dort das Üben schon im Kindesalter. Mit zehn Jahren nehmen dann professionelle Ballettschule die Talentiertesten auf. In Potsdam ging es beim Mäuseauftritt mehr ums Spiel, ums Dabeisein. Doch ehe die pelzige Rasselbande bei donnernder Musik und höllischem Qualm auf der Bühne erscheinen durfte, musste sie erst etwas anderes lernen: Geduld. Etwas Lampenfieber, kurzer Auftritt und neben dem Applaus sicher auch leckere Belohnung in der Pause.

Die 45 Tänzer des Nationalballetts haben es da erheblich schwerer. Mit nur neun Auftritten begann ihre erste Deutschlandtournee vor sieben Jahren. In diesem Jahr geht es quer durchs Land von Stadt zu Stadt mit 96 Auftritten in drei Monaten, davon 56 für Kinder. Zwei Vorstellungen am Tag sind die Regel. Da bleibt nicht einmal Zeit, im russischen Spezialgeschäft einzukaufen, das Märchenerzähler Matthias Mitteldorf ganz in der Nähe des Nikolaisaals entdeckt hatte. Er begleitet als Sprecher vor allem die Aufführungen für Kinder. Nur einmal in der Woche haben die Tänzer einen Ruhetag. Jetzt noch. Im Dezember wird auch der entfallen. Vor Weihnachten sind die Aufführungen so gefragt, dass durchgetanzt wird. Und ab Januar 2007 tourt die Truppe durch Amerika.

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