Landeshauptstadt: Dramatisch
Zum M100 Sanssouci Kolloquium trafen sich 100 Medienvertreter in Potsdam – im Beisein von Angela Merkel
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Berliner Vorstadt / Sanssouci - Der Mann auf der Bühne ist verzweifelt. Er rudert mit den Armen in der Luft, seine Hände greifen ins Leere. Seine Stimme bebt, die Augenbrauen schieben gelegentlich die Stirn in Falten, eine Haarsträhne droht quer über das Gesicht zu rutschen. Die Lage ist ernst, und das will er den Besuchern, die seinem Vortrag folgen, verdeutlichen. Die verfahrene Situation zwischen Israel und Palästina, die angespannte politische Weltlage, die oftmals katalytische Wirkung der Medien dabei: Auf all das will der groß gewachsen hagere Mann im schwarzen Anzug aufmerksam machen. Sein Auftritt ist an Dramatik kaum zu überbieten, sowohl inhaltlich als auch darstellerisch – und deshalb die richtige Wahl zur inoffiziellen Einweihung des neuen Saals des Hans Otto Theaters am Kulturstandort an der Schiffbauergasse.
Jedoch handelt es sich bei dem Herrn, der am Freitagnachmittag auf dem vom Dunkel umhüllten Halbrund steht, nicht etwa um einen Schauspieler, sondern um den französischen Philosophen und Publizisten Bernard-Henri Lévy. Er ist der Einladung des zweiten M100 Sanssouci Kolloquiums gefolgt, dem Gipfeltreffen deutscher und internationaler Journalisten und Meinungsmacher. Zur Eröffnung der zweitägigen Veranstaltung, die zum zweiten Mal im Rahmen der alljährlichen Medienwoche Berlin-Brandenburg stattfindet, hält Lévy seine Ansprache. Die Zuhörer in den Zuschauerreihen, darunter Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, Welt-Chef Roger Köppel oder Zeit-Herausgeber Josef Joffe, folgen seinem „fulminanten Plädoyer“ aufmerksam.
Kurz zuvor hatte sich Matthias Platzeck, der für die ausländischen Gäste mit den Worten Prime Minister of Federal State of Brandenburg angekündigt wurde, noch bei den Besuchern für ihr zahlreiches Erscheinen bedankt. Das Treffen in Potsdam, das dem Thema „Medien in Zeiten internationaler Krisen“ gewidmet ist, verdeutliche die Bedeutung der Landeshauptstadt als „Ort für einen europäischen Diskurs“, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs. Dieser Diskurs widmet sich zu Beginn der Veranstaltung vor allem der terroristischen Bedrohung und der Verantwortung der Medien bei der Berichterstattung darüber. In einem Klima der Angst gedeihe Irrationalität und Hysterie, sagt Platzeck. „Und deshalb heißen gerade in schwierigen Zeiten die wichtigsten Gebote: Aufklärung und rationale Debatte, Dialog und Selbstverständigung.“
Der Versuch um den gemeinsamen Dialog stößt jedoch nicht überall auf Verständnis. So hat etwa Welt-Chefredakteur Roger Köppel den Karikaturenstreit, den eine dänische Zeitung mit dem Abdruck von Zeichnungen des Propheten Mohammed ausgelöst hat, mit einigem Entsetzen verfolgt. „Ich bin besorgt, wenn ich solche Phänomene beobachte“, sagt Köppel, der in Berlin lebt, in unverwechselbar schweizerischem Dialekt.
Um dieser Besorgnis Herr zu werden, treffen sich die Meinungsmacher im Anschluss an die Auftaktveranstaltung auf Schloss Glienicke. Das Konzept des Kolloquiums sei extra dezentral gestaltet, sagt Jakobs, damit die Teilnehmer das „Potsdamer Ambiente in Gänze genießen können“. Auf Schloss Glienicke nun versuchen die 100 Medienvertreter aus 23 Ländern zu erörtern, was es denn nun für das gesellschaftliche Zusammenleben bedeutet, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen. Und wie dieses Zusammenleben in den Medien kommuniziert werden sollte.
Später am Abend dann wird die Gruppe mit Bussen zur Orangerie Sanssouci gefahren. Im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird im Raffaelsaal Bernard Kouchner, Gründer des internationalen Netzwerks „Ärzte ohne Grenzen“, mit dem M100 Sanssouci Medienpreis ausgezeichnet. Er fühle sich sehr geehrt, sagt der Franzose. Die Arbeit der Organisation, die in Kriegs- und Krisengebieten medizinische Nothilfe leistet, sei jedoch nur durch die Unterstützung vieler Helfer möglich. Der 67-Jährige wird mit dem undotierten Preis dafür geehrt, dass er die Medien in Europa für die Not der Menschen weltweit sensibilisiert habe, heißt es in der Begründung des britischen Verlegers Lord Georg Weidenfeld.
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