
© dpa
Homepage: Drei Lektionen der Natur
Die Biologin Louise Vet sprach auf dem 16. Leibniz-Kolleg an der Universität Potsdam über die Zukunft unserer Wirtschaft
Stand:
„Ich verspreche ihnen allen, dass sie heute nicht neutral bleiben werden und möglicherweise morgen das eine oder andere an ihrem Lebensstil ändern werden“ – mit diesen Worten begrüßte Ria De Bleser, Vizepräsidentin für internationale Angelegenheiten und Strategieentwicklung der Universität Potsdam das Publikum zum Hauptvortrag des Leibniz-Kollegs am vergangenen Donnerstag. Die Zuhörer im gut gefüllten Auditorium Maximum wurden zuvor musikalisch durch die Potsdamer A-cappella-Gruppe „Hohes C“ und ihrer Interpretation des Sinatra-Songs „It’s a Wonderful World“ passend auf das Thema des Vortags eingestimmt.
„Learning from Nature: Need, Challenge and Implementation of Eco-Technology“ lautete der Titel des Vortrags, den Louise Vet, Professorin für Evolutionäre Ökologie an der Universität Wageningen (NL) und Direktorin des Niederländischen Instituts für Ökologie hielt. Klimawandel, Artensterben, Überbevölkerung – die Menschheit muss sich in Gegenwart und Zukunft immensen Problemen stellen. Doch gleich zu Beginn machte die Rednerin deutlich: von Pessimismus hält sie nichts. Ja, wir haben bisher vieles falsch gemacht, aber noch können wir das Steuer herumreißen – so der Tenor ihres Beitrags. Jedoch sei dafür nicht weniger als eine wirtschaftliche und soziale Revolution nötig, betonte die Wissenschaftlerin. Nehmen, nutzen, wegwerfen – bisher funktioniere unsere Wirtschaft nach diesem Muster. „Das ist das Problem“, so Vet. Vorbilder für eine neue Art des Wirtschaftens liegen dabei direkt vor uns – in der Natur. Drei wesentliche Lektionen habe unsere Umwelt für uns parat, erklärt die Wissenschaftlerin.
Die erste Lektion lautet: Die Natur kennt keinen Abfall. Wasser und Nährstoffe durchlaufen nahezu geschlossene Kreisläufe. Nach geschlossenen Kreisläufen sollte auch die Wirtschaft streben, so Louise Vet. Dass dies tatsächlich funktionieren kann, zeigte sie am Beispiel der integrierten Aquakultur mit Seezungen. Sie gelten als Delikatesse, werden in den überfischten Meeren aber immer seltener. Doch Seezungen lassen sich auch an Land züchten – in einem künstlichen Ökosystem, das die marine Nahrungskette nachbildet. Tang, Muscheln, Würmer, Seezungen – ein Organismus dient der Ernährung des anderen, die Exkremente der Fische wiederum werden von Muscheln und Wasserpflanzen recycelt.
„Die Energie kommt von der Sonne“ – dies sei die zweite Lektion, die wir lernen sollten. „Auf dem Weg hierher habe ich viele gelbe Felder gesehen – ich halte die Produktion von Biokraftstoffen auf Agrarflächen für keine gute Idee“, so Louise Vet. Mikroalgen produzierten 18 800 Liter Öl pro Hektar und Jahr – Mais dagegen lediglich 170 Liter, so die Wissenschaftlerin. Nahrungsmittel und Biokraftstoffe sollten nicht um Anbaufläche miteinander konkurrieren, betonte sie.
Die dritte Lektion der Natur schließlich sei die Bedeutsamkeit der Vielfalt, die die Basis des Lebens und der Nachhaltigkeit bilde. „Es gibt nicht eine Lösung für alle Probleme“, verdeutlichte Louise Vet. Vielmehr erforderten vielfältige Probleme auch vielfältige Lösungen. Die Biodiversität sei Garant dafür, dass wir täglich Nutzen aus funktionierenden Ökosystemen ziehen: Insekten, die Obst- und Gemüsepflanzen bestäuben, Pflanzen, die Krankheiten heilen oder Mikroorganismen, die fruchtbaren Boden bilden – würde man diese kostenlos bereitgestellten Dienstleistungen der Natur aufrechnen, betrüge ihr Wert etwa 33 Billionen Dollar pro Jahr. „Biodiversität ist Business, das müssen wir lernen“, so brachte es Louise Vet auf den Punkt.
„Ja, wir haben bisher vieles falsch gemacht. Ab jetzt sollten wir es besser machen“, sagte Louise Vet schließlich. Mit diesen Gedanken dürften wohl etliche der Zuhörer nach Hause gegangen sein. Nachdenklich, aber optimistisch.
Heike Kampe
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: