Landeshauptstadt: „Dringender Handlungsbedarf“
Potsdam erwartet 1250 Flüchtlinge in den nächsten beiden Jahren. Eine neue Unterkunft ist umstritten
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Angesichts der weltweit eskalierenden Krisen und Kriege kommt die Nachricht nicht unbedingt überraschend: Die Zahl der Flüchtlinge, die in Potsdam untergebracht werden, wird in den kommenden Monaten nochmals steigen. Zugleich beginnt die Stadt nach tagelanger Kritik von Anwohnern, das geplante Asylbewerberheim im Bornstedter Feld zu verteidigen.
Allein in diesem Jahr müssten nach aktueller Auskunft des Landes Brandenburg bis zu 550 Menschen aufgenommen werden, sagte Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) am Mittwochabend vor den Stadtverordneten. Gerechnet hatte die Stadt zunächst nur mit 450 Personen. Und für das kommende Jahr 2016 werde sogar mit 700 Asylbewerbern gerechnet. Für diese Zahl stünden derzeit nicht genügend Unterkünfte zur Verfügung, stellte die Dezernentin fest: „Für uns besteht weiter dringender Handlungsbedarf.“
Im vergangenen Jahr sind vom Land rund 400 Flüchtlinge nach Potsdam geschickt worden. Die Stadtverordneten hatten angesichts der rasant steigenden Zahlen ein Millionen-Paket für rund zehn neue Unterkünfte beschlossen, die relativ gleichmäßig über die Stadt verteilt liegen und jeweils 50 bis 200 Plätze bieten (PNN berichteten). Am Mittwochabend beschlossen die Stadtverordneten zudem den besagten neuen Standort im Bornstedter Feld: Neben der Kita „Tönemaler“ in der David- Gilly-Straße wird ab dem Sommer ein Wohncontainer aufgestellt, in dem 50 Flüchtlinge untergebracht werden und zehn Notfallplätze bereitstehen. Der ursprüngliche Standort für den Container am Bornstedter Reiherweg hatte sich laut Stadt aus logistischen Gründen als nicht umsetzbar erwiesen.
Vor anderthalb Wochen hatten Anwohner aus den PNN von den Plänen erfahren. Seitdem gehen bei Stadtverwaltung und Kommunalpolitik täglich zahlreiche Protestschreiben ein, wie dieser Zeitung vorliegende E-Mail-Wechsel zeigen. „Viele Nachbarn und Eltern stellen sich die Frage, wer auf die Idee kommt, die Unterkunft für von Flucht und Krieg traumatisierten Menschen direkt neben eine Kita zu setzen“, ist einer von vielen Einwänden. Für den 12. Februar will die Stadtverwaltung bei einer Bürgerversammlung über die Pläne informieren.
Doch bereits am Mittwoch sagte Müller-Preinesberger, aus ihrer Sicht sei der Standort hervorragend geeignet. Dort sollten vor allem Familien mit Kindern eine Unterkunft finden. Der Träger der Kita, die Gesellschaft zur Förderung Brandenburger Kinder und Jugendlicher (GFB), teilte am Donnerstag auf Anfrage mit: „Der Unterbringung von Flüchtlingsfamilien in der Nachbarschaft stehen wir offen gegenüber.“ Mangels freier Plätze könnten aber derzeit keine Flüchtlingskinder aufgenommen werden. Geplant sei nach der Anwohner- eine weitere Elternversammlung in der Kita. Mitarbeitern würden Fortbildungsmöglichkeiten zum Thema angeboten, so die GFB. Von der nahe gelegenen Karl-Foerster-Grundschule teilte Schulleiterin Petra Knoblauch mit, man wolle sich der Verpflichtung stellen, Flüchtlingen zu helfen. Bereits in der Vergangenheit habe man für Schüler mit Migrationshintergrund klassenübergreifend Sprachförderung in Kleingruppen anbieten können. „Wir haben insofern schon Erfahrung.“ SPD-Bundestagabgeordnete Andrea Wicklein teilte mit: „Das Argument, die Nähe zu einer Kita spreche gegen eine Flüchtlingsunterkunft, ist aus meiner Sicht eher vorgeschoben und nicht akzeptabel.“
Zugleich sicherte Dezernentin Müller-Preinesberger am Mittwoch zu, dass ein neben der Kita ebenfalls geplanter Jugendklub – ein Ersatz für das marode „Ribbeckeck“ an der Potsdamer Straße – ein Extragebäude erhalten werde. Stadtsprecher Jan Brunzlow präzisierte, noch dieses Jahr solle die Ausschreibung für den neuen Klub in Leichtbauweise beendet und dieser neben dem neuen Heim errichtet werden. Betreiber soll demnach wie im „Ribbeckeck“ der Jugendarbeitverein Paragraph 13 werden.
Von dort gibt es Kritik – im Vorstand des Vereins sitzt Die-Andere-Geschäftsführer Lutz Boede. Seine linksalternative Fraktion war die einzige, die am Mittwoch gegen die David-Gilly-Straße votierte. Der Standort sei keine optimale Lösung, an einer Stelle sprach er sogar von „Pfusch“ . Mit Klagen sei jedenfalls zu rechnen, sagte Boede im Plenum. Besser wäre es, die Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen – etwa mit noch zu bauenden Häusern am Reiherweg, wie es die städtische Holding Pro Potsdam bereits geplant hätte. Müller-Preinesberger hielt dagegen, dies würde zu lange dauern.
Am Donnerstag sagte Boede auf PNN-Nachfrage, er lehne den Standort einzig aus fachlichen Gründen ab. Dem Verein Paragraph 13 entstünden durch das Asylbewerberheim keine Vor- oder Nachteile: Daher sei er in der Debatte auch nicht befangen. Vor den Stadtverordneten hatte Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) sich persönlich enttäuscht von Boedes Ablehnung gezeigt: Dieser müsse sich mehr zurücknehmen. SPD-Fraktionschef Mike Schubert sagte: „Wir werden noch viel erklären müssen.“
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