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Homepage: „Dringender Reformbedarf“

Interview mit CDU-Landtagsabgeordnetem Wieland Niekisch

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Interview mit CDU-Landtagsabgeordnetem Wieland Niekisch Die Novelle des Landeshochschulgesetzes hat bei den Studierenden des Landes zu Widerspruch geführt. Die Rektoren würden zu starke Befugnisse bekommen. Ich kann die Kritik der verfassten Studentenschaften an der Experimentierklausel kaum verstehen. Der Vorwurf der Beschneidung demokratischer Rechte muss erst einmal bewiesen werden. Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen, denn die verfasste Studentenschaft wird meistens nur von zehn Prozent der Studenten gewählt und ist daher nicht wirklich repräsentativ. Die Gewählten vertreten meistens nur die Meinung der langsamsten und erfolglosesten Studenten. Darauf kann man nicht immer Rücksicht nehmen. Die deutschen Hochschulen und Unis sind eher überreguliert und überdemokratisiert. Die Studenten haben ein großen Einfluss, der zum Teil sogar so stark ist, dass er auf Kosten der Qualität geht. Wir denken, dass die Experimentierklausel der weiteren Qualifizierung und Leistungssteigerung der Universitäten nützen wird. Auch Eignungsprüfungen durch die Hochschulen lehnt der AStA der Uni Potsdam ab. Ich bin froh darüber, dass sich die Universitäten in Brandenburg die Studenten nun selbst aussuchen können. Eliteuniversitäten oder Hochschulen mit einer überdurchschnittlichen Qualifikation bekommt man dadurch, dass ausreichend gute Professoren berufen werden und  wenn man sich die Studenten selbst aussuchen kann. Das sind wichtige Voraussetzungen, das erzeugt einen heilsamen Leistungsdruck.  Bundesforschungsministerin  Bulmahn  verschweigt, dass in den USA und Frankreich mit Elite-Unis hohe Studiengebühren verbunden sind und meistens eine Verflachung und Verschlechterung des Niveaus in der Breite zugunsten weniger Leuchttürme. Letzteres wollen wir nicht. Sie sind nicht für Elite-Universitäten? Elite-Unis hatte Deutschland einst, Leipzig, Göttingen, Tübingen, Greifswald und Halle haben nach wie vor einen international guten Ruf. Aber er ist nicht mehr so gut wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Zeit von 1900 bis  1915 haben wir elf Nobelpreise errungen. Auch damals konnten sich die Hochschulen ihre Studenten selbst aussuchen. Die staatliche Betreuung durch eine straffe Kultuspolitik wie sie nach den Befreiungskriegen gerade von preußischen Ministern und Kabinetten vorgelegt wurde, war richtig. Man muss es nicht unbedingt so machen wie die USA oder Frankreich. Aber Qualifizierung und Eignungstests für Studenten sind ein richtiger Weg. Wie lässt sich unser Bildungsniveau steigern? Die Studieneingangsbedingungen, das heißt die Qualität der Abiture muss deutschlandweit besser werden. Die Hochschulen müssen finanziell besser ausgestattet werden, was eine Frage der Konjunktur, der Innovationsfreudigkeit und des Wachstums ist. Nicht auch eine Frage der Verteilung? Sicher. Aber man kann nicht ein paar Universitäten heraussuchen, die über dem Durchschnitt liegen, und denen mehr Geld geben, das man den Anderen in der Breite wegnimmt.  Qualität bekommt man nicht dadurch, dass man einzelne Hochschulen zu Elite-Unis erklärt. Die Hochschulen müssen vielmehr mit ihrem Geld stärker eigenverantwortlich umgehen können. Sie müssten auch selbst über Studiengebühren entscheiden können. Können Studiengebühren unsere Hochschulen wieder nach vorne bringen? Zumindest müssen die Hochschulen soweit autonom werden, dass sie selbst darüber entscheiden können. Sozial schwache, leistungsfähige und begabte Bewerber müssen durch Stipendien gefördert werden. Gute Privatschulen haben schon früher arme, begabte Kinder über Förderung etwa durch Kirchen, Wirtschaft und Privatpersonen aufgenommen. Das ist besser und freiheitlicher, als zu sagen, Studiengebühren seien unsozial. Brandenburgs Hochschulen liegen bundesweit hinten. Laut HIS-Studie ist das Land für Studienanfänger nicht attraktiv, nur 24 Prozent der Abiturienten finden hier einen Studienplatz. Die HIS-Studie bezieht sich auf den Zeitraum vor 2003. Seitdem ist einiges geschehen. Der Hochschulstandort Brandenburg gewinnt an Qualität und Quantität. Seit Amtsaufnahme der neuen Koalitionsregierung Brandenburgs wurden die Studierendenzahlen um rund 10 000 gesteigert, Studienplätze und Ausstattung wurden verstetigt und verbessert,  auch die Studienbedingungen. Dadurch haben wir einen Zuwachs an Studenten. Das ist ein gegenläufiger Trend zu Berlin, wo Zehntausende Studienplätze gestrichen werden und sich die Hochschulförderung  im freien Fall befindet. Trotzdem platzt die Universität Potsdam derzeit in vielen Bereichen aus den Nähten. Quantität ist nicht alles. Es gibt auch viele Brandenburger, die in anderen Bundesländern studieren, was auch nicht falsch ist. Dass es zulassungsbeschränkte Fächer und Eignungsprüfungen gibt, soll schließlich zur Steigerung der Qualität führen. Auch das neue Modell der Hochschulfinanzierung in Brandenburg setzt darauf, dass eine Hochschule nicht nur Quantität bringt, sondern auch gefragt wird, ob sie die Studenten auch über Zwischenprüfung zu Abschluss und Promotion bringt. Auch Ausgründung und internationaler Standard werden nun über die Zuweisungen entscheiden. Leistung wird honoriert? Das Dreisäulenmodell – 78 Prozent Grundfinanzierung, 20 Prozent für den Erfolg in der Lehre und zwei Prozent  für besondere Leistungen – ist ein sinnvoller Schritt. Gefördert werden dann Projekte wie Nachwuchsforschergruppen oder die Viadrina in Frankfurt / Oder, an der das europäische Profil ausgeweitet werden soll; oder die grüne Hochschule in Eberswalde  für die Dorferneuerung und  Projekte zu nachwachsenden Rohstoffen. Das fängt jetzt schon an, sich positiv auszuzahlen. Reicht das aus, um unsere Hochschulen für den Wettbewerb stark zu machen? Die Zusammenarbeit von öffentlicher und privater Hand, die Private Public Partnership muss hinzukommen, nicht nach dem Vorbild der Maut. Es bedarf dazu noch eines stärkeren wirtschaftlichen Potenzials, einem gesunden Mittelstand und dem Anziehen der Konjunktur. Gegen den negativen Trend der Bundesrepublik steigen in Brandenburg seit 1999 die Patentanmeldungen und Ausgründungen stetig. Bis 2003 haben über 132 Ausgründungen 300 Arbeitsplätze geschaffen. An der Universität Potsdam steht seit Jahren die Finanzierung der Bibliothek, dem Herzstück einer jeden Hochschule, in den Sternen. So kann man keine Exzellenz schaffen. Die Bibliotheken sind nun etwas besser gestellt, vom Ministerium wurden  Sondermittel zur Verfügung gestellt. Es gibt natürlich den ein oder anderen schwierigen Punkt, aber vor zwei, drei Jahren war die Situation noch viel kritischer. Jetzt bedroht die Förderalismusdebatte den Forschungsstandort Brandenburg, da das Land  Mittel für Forschung und Hochschulbau alleine nicht  aufbringen kann. Die Verteilung der Mittel auf den Bund und die Länder muss wie gehabt bestehen bleiben. Das ist auch in dem jüngst in Potsdam beschlossenen Hochschulpakt so festgeschrieben. Die Grünen haben den Pakt als „politische Symbolik“ ohne Fortschritte bezeichnet. Wenn die Hochschulen die Möglichkeit haben, nicht verwendete Haushaltsmittel über mehrere Jahre zu retten und eigenständig zu verwenden, wenn es die Zusage gibt, dass die Hochschulen nicht von Haushaltssperren betroffen sind und wenn es eine richtige Bestandsgarantie für die Hochschulen gibt, ist das schon sehr viel. Das sind Marksteine, die Planungssicherheit für Lehre und Forschung bringen. Welche Perspektiven hat der Hochschulstandort Brandenburg? Wir fahren ein Kontrastprogramm  zum Sinkflug der Berliner Hochschulpolitik. Unser Wissenschaftshaushalt steigt leicht trotz starker Einsparungen im Landeshaushalt. Wissenschaft hat nun  Priorität. Das ist eine große Leistung. Über die Jahre werden wir es schaffen, uns in Deutschland gut zu etablieren. Nach der Wende hatten wir keine traditionelle Universität hier. Es ist ein langer steiniger Weg, aber es gibt schon einzelne aber durchschlagende Erfolge, etwa in der Materialforschung, Metall- und Raumfahrttechnik an der BTU Cottbus. Trotzdem, die Lücken an den Hochschulen und die Defizite der Brandenburger Schüler zeichnen eher eine düsteres Bild. Die vielen Reden von der Wissensgesellschaft und Elite-Institutionen sind Worthülsen, wenn sie nicht auf einer Basis von Bildung und Erziehung beruhen. Was hier zählt ist eben auch Strenge und Entsagung. In den Grundschulen, im Elternhaus und auch in der Lehrerbildung muss angesetzt werden. Es müssen wieder elementare Kenntnisse vermittelt werden. Sie sehen  also Reformbedarf? Dringend. Die wilhelminische Zeit wird immer wegen ihres problematischen Staatsoberhaupts belächelt. Aber Lehre und Forschung war damals frei und hervorragend. Daran müssen wir anknüpfen, wir müssen uns  auf die Dinge besinnen, die in Deutschland wirklich gut waren:  das sind Bildung, Erziehung und Strenge. Sie meinen, uns fehlt es an Strenge? Strenge allein ist noch keine Tugend. Die Trias Strenge, Leistungsförderung und Vorbild ist in Schule und Hochschule noch ausbaufähig. Es gibt auch Probleme mit dem Transfer Wissenschaft-Wirtschaft. Weil die Transfer- und Technologiezentren Anfang der 90er Jahre irgendwo auf die grüne Wiese gesetzt wurden und  nicht dort, wo sich mittelständische Industrie entfalten kann  beziehungsweise im Umfeld der Hochschulen.  Dieses Handicap wird jetzt überwunden. Beste Beispiele, was die SPD allein nicht zustande gebracht hat: bei der Technischen Fachhochschule Wildau boomen die Ausgründungen und die Grundsteinlegung des Technologiezentrums Potsdam-Golm. Das Gespräch führte Jan Kixmüller.

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