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Links und rechts der Langen Brücke: Druck schaffen

Henri Kramer hofft auf die Teilnahme möglichst vieler Potsdamer an den Diskussionen ums Toleranzedikt – weil sonst daraus eine Imagekampagne wird

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Potsdam an Ostern 2020, ein zugespitztes Gedankenspiel: Mit dann mehr als 160 000 Einwohnern hat sich die Stadt weiter vergrößert – und ist noch teurer geworden, weil Wohnungen noch knapper sind. Neiddebatten nehmen an Schärfe zu. Neue Bewohner in den Villen-Stadtteilen und alteingesessene Potsdamer in den Plattenbaugebieten verachten sich, weil ihnen die anderen Lebenswelten fremd sind – und sich die Ärmeren abgekoppelt fühlen. Konflikte birgt auch der stetig steigende Ausländeranteil: Bürger meckern über Pläne für eine Moschee und die erste Potsdamer Schule, in der mehr als 50 Prozent der Schüler Eltern aus anderen Ländern haben. Schon hat die NPD vier Stadtverordnete, weil sie Unzufriedene bindet.Trotz ihrer wirtschaftlichen Erfolge ist Potsdam eine zerrissene Stadt, Ressentiments und Vorurteile prägen die Diskussionen.

Gegen so ein Szenario soll die Neuauflage des Potsdamer Toleranzedikt wappnen helfen? Soll das Edikt und die Diskussion darum gar dazu dienen, dass Angriffe wie auf Ermyas M. an Ostern vor zwei Jahren seltener werden? Oder sind solche Erwartungen zu hoch? Die Frage nach der Wirksamkeit ist wichtig. Denn natürlich lässt sich mutmaßen, das dieses von der Verwaltung ins Leben gerufene Projekt eine Imagekampagne ist, um die Stadtspitze im Wahlkampfjahr in freundlichen Farben scheinen zu lassen. Allerdings: Mit dem Politologen Heinz Kleger ist ein Mann für die Neuauflage verantwortlich, der sich nicht vor diesen Karren spannen lässt. Erst diese Woche schuf er eine Verbindung zwischen der öffentlichen Diskussion ums Edikt und der Kontroverse um die Unterbringung von Flüchtlingen – die Art des jetzigen Umgangs sei „ein Skandal“. So viel Offenheit ist erfrischend. Und zeigt, wofür die Diskussion um das Toleranzedikt gut sein kann: Um auch unbequemen Forderungen politischen Nachdruck zu verleihen. So liegt es nun an möglichst vielen Potsdamern, sich bei der Unterschriftenaktion und Projekten rund um das Edikt zu beteiligen und zu beschreiben, wie sie sich „Zusammenleben“ in Potsdam vorstellen. Um Druck für Veränderungen in der Stadt zu schaffen – und nebenbei auch ein Klima zu erzeugen, in dem Menschen miteinander reden, die sich sonst nur über Vorurteile kennen. Wäre das geschafft, hätten die Potsdamer einen tatsächlichen Nutzen – nämlich mehr Verständnis füreinander.

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