Landeshauptstadt: Durch „Grenzregionen“ und Jagdgründe
Potsdam war von der Berliner Seite aus zu erleben / Wanderung auf der Griebnitzsseepromenade bis zum Königsweg und zum Rand der Parforceheide an der A 115 / Über Jagdschloss Stern zum Ziel am Sterncenter
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Potsdam war von der Berliner Seite aus zu erleben / Wanderung auf der Griebnitzsseepromenade bis zum Königsweg und zum Rand der Parforceheide an der A 115 / Über Jagdschloss Stern zum Ziel am Sterncenter „Da sehen Sie die weiße Linie“, erklärt Heinz Przybylski auf der Glienicker Brücke. Interessiert betrachtet die 25-köpfige Wandertruppe die nur noch schwach sichtbaren Reste der Markierung, die vor dem Herbst 1989 zwei feindliche Welten trennte: die Grenzlinie zwischen der DDR-Bezirkshauptstadt Potsdam und West-Berlin. „Links hat Potsdam gestrichen und rechts Berlin“, verweist der Wanderleiter auf die unterschiedliche Farbgebung der Stahlkonstruktion und schlussfolgert: „Wir sind eben immer noch ein bisschen auseinander.“ Die 16-Kilometer-Wanderung führte von der Glienicker Brücke zum Berliner Ufer des Griebnitzsees, umrundete am Teltowkanal und der Autobahn 115 einen Teil der Parforceheide und endete am Sterncenter . Klein Glienicke, das zu Babelsberg gehört, war einst Exklave der DDR, die über den Griebnitzsee und die Glienicker Lake nach West-Berlin hineinragte. Die Wanderung führt zur Griebnitzsee-Promenade, an deren Beginn auf West-Berliner Territorium ein Grundstück liegt, das zur DDR gehörte. Die Backsteinmauer, vor der das Schild „Sie verlassen den amerikanischen Sektor“ stand, ist heute noch vorhanden. Der siebzigjährige Heinz Przybylski vom Brandenburgischen Verband für Wandern und Bergsteigen gibt mit schnellen Schritten das Tempo vor. „Bitte nicht vor mir laufen“, sagt er. Aber das schafft ohnehin keiner. Przybylski muss vielmehr sehen, dass der „Schwanz“ hinterherkommt. So bleibt wenig Zeit zum Schauen. Der Glienicker Park mit dem Jagdschloss, das vor einigen Jahren brannte, durcheilen die Wanderer, ebenso das „Dorf“ Klein Glienicke mit der von Ludwig Persius gebauten Kapelle und den eigentümlichen Häusern im Schweizer Stil, die der König für die Bediensteten des Schlosses bauen ließ. Der Weg führt an der Ausflugsgaststätte Bürgershof, beziehungsweise an dem, was noch von ihr übrig ist, vorbei. Tausend Plätze gab es im 19. Jahrhunderts im Freien und der Renaissance-Saal hatte noch einmal tausend Sitzplätze. Am Potsdamer Ufer des Griebnitzsees leuchten die Villenbauten an der Virchowstraße. Weithin sichtbar ist die rosafarbene „Churchill-Villa“. In dem von Mies van der Rohe errichteten Haus residierte der britische Premier Winston Churchill zur Zeit der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 8. August 1945. Auf der anderen Seite des Sees stoßen die Wanderer auf Zeugnisse dieser Zeit. Przybylski zeigt auf einen dicken Buchenstamm, in dem sowjetische Soldaten vor 60 Jahren kyrillische Schriftzeichen eingeritzt haben. „Sergej...“ und die Jahreszahl 1945 sind zu lesen. „Ist es noch weit bis zum Rastplatz?“ ertönt es am Ende der Griebnitzseepromenade. „Ein Stück müssen wir noch laufen“, so die wenig tröstliche Antwort des Wanderleiters. Przybylski ist nicht groß. Seine Füße stecken in bequemen Sportschuhen, weiße Söckchen und olivgrüne Strümpfe bedecken die kräftigen Waden unter den beigefarbenen Knickerbockers. Mit seinem roten Anorak und der gelben Schlappmütze bildet der kleine Mann einen Orientierungspunkt für die Wandertruppe. „Was machen Sie, wenn jemand schlapp macht?“ Um die Antwort auf diese Frage ist Przybylski nicht verlegen. „Das wichtigste für die Erste Hilfe habe ich hier drin“, zeigt er auf seinen Rucksack. Doch den muss er nicht in Anspruch nehmen. Wohl behalten erreichen alle Wanderer den Rastplatz, wo schon die großen Pfannen mit dem Kesselgulasch warten. Die Brücke der Stammbahn aus dem Jahre 1838 erinnert an die erste Preußische Eisenbahn. Von dort führt die Wanderung am Kremnitzufer am Teltowkanal bis zur Siedlung „Albrechts Teerofen“. Vorbei an den Resten der früheren Kremnitzbrücke, die heute wieder eine wichtige Funktion hätte, geht es unter der alten Autobahnbrücke und das Stahlgerippe der so genannten „Friedhofsbahn“ in die eigentliche Parforceheide. Mannshohe Goldrute umgibt die Wanderer, dazwischen blinkt das Blau einer kleinen Blume, des Bergsandköpfchen. Im Birkenwäldchen gibt es Maronen und natürlich Birkenpilze. Am Ende steht die Wandergruppe am Jagdschloss Stern. Peter Ernst, Mitglied des Vereins Jagdschloss Stern/Parforceheide“, zeigt eine alte Karte: 16 Wege teilten einst von hier aus das frühere Jagdrevier, in der die königliche Jagdgesellschaft das im umzäunten Quartier gehaltene Wild mit Hunden hetzte und vom Pferde aus jagte. Das Jagdhaus ist wegen Chemikalienbelastung geschlossen, das hier einst vorhandene berühmte Gemälde des Tabakskollegiums Friedrich Wilhelms I. nach Königs Wusterhausen ausgelagert, das Kastellanhaus steht leer.Von den alten Wegen, Gestelle genannt, existieren noch acht. Von hier aus sind es noch zwei Kilometer bis zum Stern-Center – wo die Erlebnistour nach fünf Wander-Stunden endet.
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