
© Manfred Thomas
Neuer Stadtkirchenpfarrer: „Eigentlich gar nicht kirchlich geprägt“
Von Berlin nach Israel und wieder zurück: Der 37-Jährige Simon Kuntze wurde im Mai bei einem Gottesdienst in der Friedenskirche offiziell in das Amt eingeführt.
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Potsdam - Er organisiert stadtweite Veranstaltungen wie die „Lange Nacht der offenen Kirchen“ oder die Adventskapelle auf dem Luisenplatz, pflegt Kontakte zur Stadt, zu kulturellen Einrichtungen und Wissenschaftlern, leistet Gremienarbeit, will den Austausch zwischen den Gemeinden, mit der katholischen Kirche und anderen Religionsgemeinschaften fördern, aber auch kirchliche Angebote für Touristen entwickeln: Als neuer Stadtkirchenpfarrer ist Simon Kuntze wichtiges Gesicht der evangelischen Kirche in Potsdam. Anfang März hat der 37-Jährige seine Stelle in der Landeshauptstadt angetreten, im April ist er mit seiner Frau, mit Sohn und Tochter, Katze und Kater nach Potsdam gezogen, im Mai wurde er bei einem Gottesdienst in der Friedenskirche offiziell in das Amt eingeführt. Jetzt steckt er mittendrin in der Mammutrunde der Antrittsbesuche.
Bei den Gemeinden will Kuntze sich vorstellen, beim Kirchenkreis, bei diakonichen Projekten wie der „Kirche im Kiez“, aber auch bei Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) oder Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh, dessen Büro nur wenige Schritte von der Wohnung der Kuntzes am Grünen Gitter liegt. Dort, in der Friedenskirche, hat Simon Kuntze gleichzeitig ein Pfarramt übernommen. Zweimal im Monat hält er Gottesdienste, ist Ansprechpartner für Gemeindemitglieder.
Eines hat er dabei schon bemerkt: Auch wenn er in Potsdam nur halb so viele Gemeindemitglieder hat wie bei seinem letzten Pfarramt in Berlin Charlottenburg, ist das Gemeindeleben stärker, gibt es etwa mehr Gesprächskreise: „Die Menschen hier sind bewusster in der Kirche“, meint Kuntze. Auch die Mischung von „alteingesessenen“ Kirchenmitgliedern mit teils bürgerbewegtem DDR-Hintergrund und Neu-Potsdamern reizt ihn.
Als Stadtkirchenpfarrer will Kuntze auch Potsdamer ansprechen, die keine Kirchengänger sind – für Touristen etwa könnte es „Kurz-Andachten“ oder Psalm-Lesungen in der Kirche geben, so eine seiner Ideen.
Die Pfarrerlaufbahn ist dem gebürtigen Westberliner nicht in die Wiege gelegt worden, wie er erzählt: „Ich bin eigentlich gar nicht kirchlich geprägt.“ Zwar ließ er sich als Teenager taufen und konfirmieren, aber Gottesdienste besuchte er trotzdem nur zu Weihnachten. Eine engere Bindung zum Glauben entwickelte er nach dem Abitur: Statt Zivil- oder Grundwehrdienst entschied sich Kuntze für einen Freiwilligendienst der Aktion Sühnezeichen in Israel. In Haifa arbeitete er von 1995 bis 1997 unter anderem in einem jüdisch-arabischen Kindergarten. Es ist eine Zeit, die ihn prägt, er erlebt den Beginn der Autonomiebewegung mit, erlebt das schwierige Verhältnis von Politik und Religion im Alltag – und besucht regelmäßig die Gottesdienste der deutschen Auslandsgemeinde in der Erlöserkirche in Jerusalem.
Auch sein Studienwunsch kristallisiert sich in Israel heraus: interreligiöse Projekte interessieren den Berliner. An der Freien Universität schreibt er sich für Theologie ein – und Arabistik: „Das war damals das einzige Fach, in dem man den Koran gelesen hat.“ An der Uni wird ihm klar, dass er Pfarrer werden will: „Wenn du interreligiös arbeiten willst, musst du eine Position haben, kannst nicht außen stehen“, erklärt Kuntze.
Nach dem Vikariat in Reinickendorf arbeitet er unter anderem beim Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, engagiert sich beim Ökumenischen Gedenkzentrum Berlin-Plötzensee und im Arbeitskreis Islam. Als die Stadtkirchenpfarrer-Stelle in Potsdam nach dem Ausscheiden von Vorgänger Markus Schütte – um dessen Lebensführung es Diskussionen gegeben hatte – neu ausgeschrieben wird, bewirbt er sich.
Und bekommt den Posten samt Wohnung im Park Sanssouci, wo er mittlerweile die Morgenspaziergänge vor dem Touristen-Ansturm genießt. Unterstützt wird Kuntze in Potsdam von Pfarrerin Juliane Rumpel von der Garnisonkapelle und Nikolaikirchenpfarrer Matthias Mieke, die ebenfalls stadtweite Projekte koordinieren. Dass es um den Wiederaufbau der Garnisonkirche heftige Diskussionen gibt, sei verständlich, meint Kuntze: „Sie steht repräsentativ dafür, wie widersprüchlich die Kirche im Nationalsozialismus agiert hat.“ Den Wiederaufbau hält er dennoch für wichtig. Entscheidend dafür sei das klare Ziel: Versöhnungsarbeit.
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