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Das Filmmaterial leidet unter den ungenügenden klimatischen Bedingungen in der Pappelallee.

© Andreas Klaer

Kultur in Potsdam: Ein Besuch im Depot des Filmmuseums

Das Filmmuseum hofft seit Jahren auf ein neues Depot. Die Sammlung ist seit 1994 in einem Provisorium untergebracht. Dort wird nicht nur der Platz knapp. Ein Besuch.

Potsdam - Der Geruch erinnert an Essig. Säuerlich-streng riecht es im Vorführraum im Depot des Filmmuseums. Mehrere Abspieltische stehen hier, an denen die Mitarbeiter oder Wissenschaftler alte Filmrollen sichten können. Weißes Tuch schützt die Technik vor Staub. Im Regal liegen mehrere Dutzend Filmrollen, mit denen momentan gearbeitet wird. Grund für den seltsamen Geruch ist ein ernstes Problem: Der sogenannte Azetatfilm, ein in den 1930er-Jahren entwickeltes Material, ist nur um die 50 Jahre haltbar, wenn es nicht optimal gelagert wird. „Das ist jetzt erreicht“, erklärt die Restauratorin Siobhan Piekarek. Der säuerliche Geruch entsteht, wenn sich das Material zersetzt. Die Filme seien dann irgendwann „unwiederbringlich nicht mehr abspielbar“, sagt die Restauratorin: „Da ist Gefahr im Verzug.“ Einige Filmrollen habe das Filmmuseum deshalb bereits in die Obhut des Deutschen Rundfunkarchivs in Babelsberg gegeben. Dort gibt es die erforderliche Tiefkühlung.

In der Textilsammlung findet sich auch ein Kostüm von Andreas Dresens „Gundermann“: Wattejacke, Helm und Jeans.
In der Textilsammlung findet sich auch ein Kostüm von Andreas Dresens „Gundermann“: Wattejacke, Helm und Jeans.

© Andreas Klaer

Von solchen an sich selbstverständlichen Standards für die Archivarbeit können die Mitarbeiter am Filmmuseum nur träumen. Als sie 1994 den Barackenbau in der Pappelallee bezogen, war das als Provisorium gedacht, erzählt Sammlungsleiterin Dorett Molitor. Heute nutzt das Museum dort, im ehemaligen Rechenzentrum des DDR-Forstbetriebs, sechs Flachbauten mit insgesamt 3000 Quadratmetern Fläche – und bräuchte nicht nur dringend eine vernünftige Klimatisierung, sondern auch mehr Platz. Lange war mit einem Umzug in ein Bestandsgebäude auf den Windmühlenberg in Golm geplant worden. Als Filmmuseumschefin Ursula von Keitz 2015 nach Potsdam kam, brachte sie einen Neubau ins Spiel.

Es soll einen Neubau geben

Und der soll auch kommen, wie Kulturministerin Martina Münch (SPD) in diesem Frühjahr angekündigt hat: Das Depot soll in einen noch zu errichtenden Neubau gegenüber der Filmuniversität Babelsberg auf dem Gelände des Filmparks ziehen. Eine entsprechende Absichtserklärung sei unterschrieben, das Geld vom Finanzministerium bewilligt. Seit Ende November sind die Vorarbeiten zum Bau und zur Anmietung „in vollem Gange“, wie Ulrike Rehberg vom federführenden Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) auf PNN-Anfrage sagte. Derzeit arbeite man an der Baubeschreibung und an einem Entwurf für den Mietvertrag. Auch ein Bebauungsplan muss noch erstellt werden. Wann der Umzug dann erfolgt, sei noch unklar.

Die Sammlungsleiterin Dorett Molitor.
Die Sammlungsleiterin Dorett Molitor.

© Andreas Klaer

Wenn es nach Dorett Molitor geht, kann es gar nicht schnell genug gehen. „Wir stoßen seit geraumer Zeit absolut an unsere Kapazitäten“, sagt sie. Die Fläche im neuen Haus wäre doppelt so groß. Auch von der Nähe zur Filmuniversität und zum Filmstandort Babelsberg könne das Depot profitieren. Die Einbindung von studentischen Projekten wäre einfacher. Das wäre angesichts der Personalausstattung – zehn Mitarbeiter, davon fünf halbtags – eine Hilfe für die Archivarbeit, unter anderem, wenn es um die Erfassung und Digitalisierung der Bestände geht. Für Filmpark-Besucher soll es auch ein „Schaudepot“ mit wechselnden Exponaten geben, eine Art Schaufenster in die Archivarbeit, erklärt Molitor. Der Standort des Museums im Stadtzentrum sei von diesen Plänen unberührt, betont sie.

Überall wird das Platzproblem deutlich

Das Platzproblem wird beim Rundgang in der Pappelallee überall deutlich: Zum Beispiel im Raum mit den Modellen von Filmsets, wo kein Platz mehr für auch nur ein weiteres wäre. Oder in der Grafiksammlung, wo die Papierstapel auf den Regalschränken wachsen. Jedes bisschen Fläche wird genutzt. In den Fluren hängen Gemälde zum Beispiel aus Konrad Wolfs „Goya“ von 1971 an den Wänden – und der „Jüngling mit Apfel“, der im oscarprämierten Babelsberg-Film „Grand Budapest Hotel“ eine tragende Rolle spielt.

Aus Platzgründen ist auch in der Restaurierung die Trennung in einen sogenannten Schwarzbereich und einen Weißbereich – also separate Räume für staubanfällige Techniken wie Metall- oder Holzbearbeitung und für den Umgang mit empfindlichem Material – praktisch nicht möglich, erläutert Ralf Forster, der Vizechef der Sammlung. Größere Objekte könnten erst gar nicht ins Haus geholt werden, sagt er und zeigt aus dem Fenster. Dort steht im Hof ein Sieben-Meter-Kamerakran der Defa, Baujahr 1949, durch ein Plastikdach notdürftig vor Regen geschützt.

Mit Luftentfeuchtern wird versucht, Schimmel zu vermeiden

In den Barackenbauten aus den 1970er-Jahren gibt es auch keine Klimaanlage. Mit mobilen Luftentfeuchtern versuche man, zumindest die Luftfeuchtigkeit einigermaßen stabil zu halten, um Schimmel zu verhindern, erklärt Forster. Jedes der papierkorbgroßen Geräte hat von den Mitarbeitern den Namen einer Filmgröße bekommen, Foto inklusive: Im Raum mit der Filmtechnik rattert ein „Spielberg“ vor sich hin, zwischen den Regalen im Fotoarchiv ist „Schünzel“ am Start – benannt nach dem Regisseur Reinhold Schünzel, bekannt für Komödien wie „Viktor und Viktoria“. Das zeugt von Galgenhumor ebenso wie von ihrer Begeisterung für Kino- und Filmgeschichte.

Um die dreht sich die Potsdamer Sammlung: Sie dokumentiert die deutsche Filmgeschichte, insbesondere für den Standort Babelsberg. Was die Defa-Zeit angeht, ist die Sammlung neben dem Bundesarchiv und der Defa-Stiftung wichtigste Quelle für Öffentlichkeit und Wissenschaft, sagt Dorett Molitor. Das Thema sei heute wieder mehr gefragt, so ihr Eindruck: „Je länger die DDR-Zeit zurückliegt, umso größer wird das Interesse.“ An Filmen und Exponaten rund um den Film- und Kinobetrieb könne exemplarisch auch DDR-Geschichte greifbar gemacht werden.

Nur über persönliche Verbindungen gelangen Stücke ins Museum

Hinter der Potsdamer Sammlung stecken gut drei Jahrzehnte intensive Netzwerkarbeit – denn sogenannte Pflichtabgeber wie etwa beim Bundesarchiv gibt es nicht. Nur über langfristig gepflegte persönliche Verbindungen zum Beispiel zu ehemaligen Defa-Filmemachern, aktuellen Regisseuren oder auch dem Studio Babelsberg gelangen Nachlässe, Drehbücher, Requisiten oder Grafiken ans Museum, erklärt Dorett Molitor. Auf ihrem Schreibtisch liegen gerade Dokumente aus dem Nachlass das Schauspielers Joachim Gottschalk: Mit der Weigerung, sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen, war für den gebürtigen Cottbusser nach der Machtergreifung der Nazis Schluss mit seiner Karriere. Er nahm sich 1941 das Leben. Das Filmmuseum hat unter anderem seinen Abschiedsbrief, das Testament sowie Briefwechsel.

Seit mehreren Monaten schon sichtet Birgit Scholz den Nachlass Günter Reisch.
Seit mehreren Monaten schon sichtet Birgit Scholz den Nachlass Günter Reisch.

© Andreas Klaer

Und der Bestand wächst weiter. Einen ganzen Raum etwa nimmt der Nachlass des 2014 verstorbenen Defa-Regisseurs Günter Reisch („Nelken in Aspik“) ein. Er hatte bereits 2007 einen Teil seines Schriftarchivs dem Museum vermacht, letztes Jahr kam der komplette Nachlass hinzu – wie fast immer in solchen Fällen in Umzugskisten, erklärt Birgit Scholz, die im Depot für die Nachlässe und die Textilien zuständig ist. Nebenan in der Kostümsammlung fällt der neue Fußboden auf. Der alte Teppichboden hatte nach einem Wasserschaden entfernt werden müssen – der neue ist nun auch aus Insektenschutzgründen besser, erklärt Scholz. Zum Glück habe man noch kein Problem mit Motten gehabt. Prophylaktisch hängt dennoch eine Mottenfalle im Fenster.

Ein Teil der Technik im Depot ist bereits umzugsfertig gereinigt und unter weißen Hussen.
Ein Teil der Technik im Depot ist bereits umzugsfertig gereinigt und unter weißen Hussen.

© Andreas Klaer

Die Vorbereitungen für den Umzug haben in der Pappelallee schon begonnen: Den Bestand nach und nach transportbereit zu machen, dauert Jahre, erklärt Ralf Forster. Teilweise müssen auch Speziallösungen entwickelt werden: Wie etwa für die von Defa-Chefszenenbildner Alfred Hirschmeier verwendete Technik der bemalten Folien. Mit der Zeit löse sich die Farbe und platze ab, ein Transport würde das Problem verschärfen. Deshalb sollen die Folien „Grafikbetten“ bekommen, in denen sie berührungsfrei liegen.

Ein Teil der Großtechnik ist bereits in weiße Hussen verpackt. Die Filmprojektoren, teilweise bis zu 100 Kilogramm schwer, seien vorher professionell gereinigt worden, erklärt Ralf Forster. „Die könnten umziehen.“

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